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Es muss nicht immer Antibiose sein
Multimodales Konzept gegen rekurrierende Harnwegsinfektionen
Rezidivierende Harnwegsinfekte sind die Plage vieler Frauen; behandelt werden sie grossteils antibiotisch. Als noch grössere Plage könnten sich allerdings die in Europa bereits häufig auftretenden Resistenzen entpuppen, die vor allem gegen Chinolone beobachtet werden. Was tun? Laut einer Schweizer Arbeit kann ein multimodales Therapiekonzept Abhilfe schaffen – ganz ohne Antibiotika.
Z ur Erinnerung: Rezidivierende Harnwegsinfekte (HWI) sind definiert als zwei Infekte in einem Zeitraum von sechs Monaten respektive drei Infekte innerhalb von einem Jahr. Die Behandlung ist in der Regel antibiotisch, «und zwar leider immer und immer wieder», kommentiert Univ. Prof. Volker Viereck, Chefarzt Urogynäkologie am Kantonsspital Frauenfeld. Die Resistenzraten in Europa spiegeln diese Praxis wider, «vor allem südliche Länder wie Italien oder Spanien fallen mit Resistenzen von mehr als 50 Prozent auf, da Antibiotika dort rezeptfrei erhältlich sind.»
Multimodales Therapiekonzept ... Aufgrund dieser Situation initiierten Viereck und Kollegen eine Observationsstudie an 103 Patientinnen mit einem medianen Alter von 47 Jahren. Die mediane Anzahl an HWI/Jahr war sechs bei den prämenopausalen beziehungsweise fünf bei den postmenopausalen Patientinnen. Die Erstkonsultation umfasste die ausführliche Anamnese, gynäkologische Untersuchung und Sonografie der Niere. Zusätzlich wurde eine Urinkultur abgenommen, Abstriche auf Chlamydien, Ureaplasmen, Mykoplasmen untersucht sowie – zwecks Ausschluss einer Blasenerkrankung anderer Genese – auch eine Zystoskopie durchgeführt. Das nachfolgend eingesetzte multimodale Therapiekonzept beinhaltete eine ausführliche Beratung bezüglich des Trink-, Miktions- und Sexualverhaltens der Patientin, lokale Östrogentherapie, die spezifische Intimpflege, die Empfehlung verschiedener Kräuter- und Blasentees oder Cranberrysaft sowie die Pessartherapie. «Was jedenfalls fehlte, war die Langzeitlow-dose-Antibiose», betont Viereck.
... mit guten Ergebnissen Die Ergebnisse: Die Rate an HWI wurde von median fünf pro Jahr auf zwei HWI pro Jahr gesenkt. Weder der menopausale Status (prä- oder postmenopausal) noch die Infekthäufigkeit (3–7/Jahr oder > 7/Jahr) hatten einen Einfluss auf das Ergebnis, «alle diese Gruppen sprachen gleichermassen signifikant auf die Behandlung an», zeigt sich der Experte zufrieden. Weitere Resultate im Detail: Nach sechs Monaten waren 61 Prozent der Patientinnen geheilt – als Heilung galt hier das Auftreten von weniger als zwei HWI im Beobachtungszeitraum. Dieses Ergebnis verbesserte sich im Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten auf 77 Prozent und stabilisierte sich schliesslich nach zwölf bis 18 Monaten auf 73 Prozent. Bei 31 Prozent der Patientinnen trat innerhalb von sechs Monaten überhaupt kein Infekt mehr auf, dasselbe galt für jeweils 42 Prozent der Patientinnen nach sechs bis zwölf beziehungsweise nach zwölf bis 18 Monaten. Das multimodale Behandlungskonzept basierend auf Beratung, Intimpflege, lokalen Östrogenen und Phytotherapie zeigt gute Heilungsraten, die vom Menopausenstatus und anfänglicher Infekthäufigkeit unabhängig sind – auch ohne Antibiose, schliesst Viereck.
Lydia Unger-Hunt
Referenz: Münst J et al: Recurrent urinary tract infections – multimodal therapy instead of long-term antibiotic treatment. SGGG 2015, Abstract FM VI/60.
Quelle: Session «Freie Mitteilungen VI» beim SGGG Kongress 2015, 25. Juni 2015 in Lugano.
Ergebnisse nach multimodaler Therapie
6 Monate vor
0 bis 6 Monate
6 bis 12 Monate 12 bis 18 Monate Zahl der HWI
22% 35%
43%
5% 9%
31% 25%
30%
5% 12%
6%
42%
35%
7,5% 12%
7,5%
42%
31%
0 Heilung
1
2
3
Therapieversagen
>3
Eine Heilung – definiert als maximal eine HWI in sechs Monaten – war in den ersten sechs Monaten der multimodalen Therapie bei 61 Prozent der Patientinnen zu verzeichnen; im weiteren Verlauf nahm der Therapieerfolg noch weiter zu (Quelle: Vortrag Viereck).
10 Gynäkologie • September 2015