Transkript
CongressSelection
Ziel: Früherkennung von Lungenkrebs
Standards für ein Lungenkrebsscreening in der Schweiz
Die Low-dose-Computertomografie
(LDCT) hat sich als das derzeit beste
Instrument zur Früherkennung von
Lungenkarzinomen herausgestellt.
Entsprechend soll die LDCT für
standardisierte Screeninguntersu-
chungen genutzt werden. Um die
dafür erforderlichen Standards zu
erarbeiten und diese in der Schweiz
zu implementieren, hat sich eine
Expertenkommission zusammen-
gefunden.
M it rund 3000 Todesfällen im Jahr ist das Lungenkarzinom die häufigste Krebstodesursache in der Schweiz. Zur Senkung dieser Zahl wären Früherkennungsuntersuchungen – analog zum Mammografiescreening – wünschenswert. Bisher scheiterte dies allerdings an unzureichenden Untersuchungsmethoden. Das hat sich mit der Studie NLST (National Lung Screening Trial) geändert, wie Prof. Dr. Milo Puhan, Zürich, auf dem Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie (SGP) berichtet hat. In NLST wurde an über 50 000 Probanden der Nutzen der LDCT mit dem einer herkömmlichen Röntgenuntersuchung des Thorax verglichen (1). Die asymptomatischen Risikopersonen wurden in drei aufeinanderfolgenden Jahren entweder einer LDCT oder dem konventionellen Thoraxröntgen unterzogen. Ergebnis: Die LDCT-Screeninggruppe war mit signifikant weniger Lungenkrebstoten assoziiert als die Kontrollgruppe (356 vs. 443 Tote; Lungenkrebs-spezifische Mortalität: 247 vs. 309 Todesfälle pro 100 000 Personenjahre; relative Risikoreduktion: 20%; absolute Risikoreduktion: 0,33%). Die NLSTErgebnisse zeigten, dass mit einem vorsichtigen Umgang mit falsch-positiven Resultaten der Nutzen des Screenings wohl grösser sein kann als ohne Screening. Allerdings kommt es entscheidend darauf an, wie es gemacht wird. Die laufenden europäischen Studien werden wohl nicht so positiv ausfallen wie der NSLT, wie Puhan betonte: «Wir von der Expertengruppe denken, dass der NSLT Anlass zur Hoffnung gibt, dass man gegen die häufigste Krebstodesursache mit einem LDCT-Screening etwas bewirken kann. Allerdings hängt ein positives Outcome entscheidend von der Im-
plementierung und fortwähren-
Thema Beratung liegt der Exper-
den Verbesserung ab, was man
tenkommission besonders am
nur mit den Daten aus einem Re-
Herzen: Jeder Person, die für das
gister erreichen kann.»
Lungenkrebsscreening infrage
Risiken: Strahlenbelastung, emotionaler Stress
kommt, sollte ein ausführliches Beratungsgespräch mit einem Lungenfacharzt angeboten wer-
Doch die richtige diagnostische
den, in dem über den Nutzen,
Methode macht noch lange kein
aber auch die Risiken des LDCT
Screening aus. Puhan wies auch
informiert wird. Bei unauffälligem
auf die Risiken einer solchen Untersuchung hin. Auch wenn die
Milo Puhan
Befund sollte der Patient, der ja als Risikoperson eingestuft ist,
Strahlenbelastung des LDCT deutlich unter je- nach einem Jahr erneut einbestellt werden. Er-
ner des High-Dose-CT liege, sei sie nicht von gibt sich beim Screening ein Krebsverdacht, er-
der Hand zu weisen. Schliesslich bedeutet folgt die weiterführende Diagnostik durch ein
Screening meist wiederholte Untersuchun- interdisziplinäres Team aus Pneumologen, On-
gen – auch wenn die Intervalle dazu noch kologen, Radiologen und Thoraxchirurgen.
nicht klar seien. Dazu komme noch die emotionale Belastung für den Patienten, der bei Register zur Qualitätssicherung jeder Untersuchung Angst vor einem positiven und epidemiologischen Auswertung
Befund hat. Nicht vergessen dürfe man in Der Epidemiologe Puhan – auch ein Mitglied
diesem Zusammenhang, dass das LDCT- der Expertenkommission – betonte einen wei-
Screening auch falschpositive Befunde teren wichtigen Aspekt der Lungenkrebsfrüh-
ergebe. Im NLST zeigten 24,4 Prozent der To- erkennung mit LDCT: Um das Screening einem
mogramme Auffälligkeiten, doch in den meis- Monitoring zuzuführen, die Standards weiter-
ten Fällen konnte der Krebsverdacht durch zuentwickeln und seinen Nutzen zu belegen,
weiterführende Diagnostik wie PET oder Biop- sollten alle Daten in ein Register einfliessen.
sien nicht bestätigt werden.
Diese Daten sollen dazu dienen,
Zwar werden in der Schweiz bereits LDCT- • die Population, die sich dem Screening
Screenings durchgeführt, doch gibt es weder unterzieht, zu charakterisieren;
für die radiologisch-technischen Verfahren • die Einhaltung der definierten Qualitäts-
noch für die Beratung oder Dokumentation standards zu überwachen;
standardisierte Kriterien. Das will die derzeit • die Vor- und Nachteile des Screenings zu
15-köpfige Expertengruppe ändern. Das Gre- erfassen und
mium, das aus Pneumologen, Radiologen, • die Rauchstoppinterventionen vor und
Thoraxchirurgen und Epidemiologen der fünf nach dem Screening zu dokumentieren.
Schweizer Universitätsspitäler sowie der füh- Bleibt noch die Frage nach der Finanzierung
renden Therapiezentren besteht, erarbeitet des Lungenkrebsscreenings. Hier spricht sich
derzeit Standards, die beispielsweise Ziel- die Expertenkommission für eine Beantra-
gruppe, Behandler, Prozedere, technisches gung der Kostenübernahme der Beratung
Vorgehen und Dokumentation definieren. und der LDCT selbst durch die obligatorische
Dabei lehnt sich der derzeitige Standardisie- Krankenpflegeversicherung aus. Dies ent-
rungs-Vorschlag der Expertenkommission an spräche auch dem Vorgehen der Centers of
die Erfahrungen des NLST an. So zählt bei- Medicare & Medicaid Services in den USA.
spielsweise der Raucherstatus zu den Ein-
Angelika Ramm-Fischer
schlusskriterien: Personen, die gescreent
werden sollten, sind Raucher und Exraucher Referenzen:
zwischen 55 und 74 Jahren mit einer Raucheranamnese von mindestens 30 Packungsjahren (1 Packungsjahr = 20 Zigaretten täglich über den Zeitraum eines Jahres).
1. The National Lung Screening Trial Research Team. Reduced Lung-Cancer Mortality with LowDose Computed Tomographic Screening. N Engl J Med 2011; 365: 395–409.
Das Lungenkrebsscreening soll nur von qualifizierten und zertifizierten Zentren durchgeführt werden, die über eine adäquate personelle und technische Ausstattung sowie über eine
Quelle: Vortrag von Milo Puhan «Low-dose-CTScreening zur Früherkennung von Lungenkrebs in der Schweiz» beim Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie (SGP),
hohe Beratungskompetenz verfügen. Das 16. April 2015 in Lugano.
Allergologie/Pneumologie • Juli 2015 17