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CongressSelection
Pulmonale Hypertonie: Management im Wandel
Mit Kombinationstherapie sollte man nicht lange warten
Die Prognose von Patienten mit pulmonal arterieller Hypertonie (PAH) konnte in den letzten Jahren verbessert werden. Wesentliche Schritte auf diesem Erfolgsweg sind einerseits die Tendenz zur individualisierten Therapie und andererseits die Erkenntnis, dass in dieser Indikation die Strategie «hit hard and early» zu besseren Ergebnissen als ein allmähliches Auftritrieren der Therapie führt.
V on einer pulmonal arteriellen Hypertonie spricht man, wenn der mittels Herzkatheter gemessene mittlere Arteria-pulmonalis-Druck (mPAP) wiederholt 25 mmHg beträgt. Die Ursachen für eine solche Druckerhöhung im Lungenkreislauf können vielfältig sein, berichtete PD Dr. Silvia Ulrich vom Universitätsspital Zürich beim Pneumologie-Kongress in Lugano. Es gibt idiopathische, angeborene sowie mit Erkrankungen und Medikamenten assoziierte Formen. Wichtige Faktoren in der Pathogenese sind Mikrothrombosen, Vasokonstriktion, Proliferation und Remodeling. Letztlich führen sie alle zu einer Einengung des Gefässlumens und im Endstadium zur Überlastung des rechten Ventrikels. Die Problematik bei PAH ist also das Ungleichgewicht zwischen Proliferation und Vasokonstriktion auf der einen im Verhältnis zu Apoptose und Vasodilatation auf der anderen Seite, erläuterte Ulrich (Abbildung). Das Ziel der Therapie ist der Ausgleich dieses Ungleichgewichts, indem die verengten Gefässe geweitet werden.
PAH-Therapie sollte individualisiert erfolgen Die Grunderkrankungen, die zu einer PAH führen, sind ebenso wie der Beitrag der pathogenetischen Faktoren sehr unterschiedlich. Daher ist auch eine Individualisierung in der Therapie angebracht, betonte Ulrich. Zur Optimierung der Therapie wird derzeit viel geforscht. Allerdings sollte man bei der Bewertung der evidenzbasieten Daten bedenken, dass die meisten Studien mit Patienten der NYHA/WHO-Klase I durchgeführt wurden, betonte Ulrich. Insgesamt besteht also noch reichlich Forschungsbedarf. Die ersten Schritte in der Betreuung von PAH-Patienten sind Allgemeinmassnahmen und Supportivtherapien (1). Eine wichtige Empfehlung für Frauen ist die Vermeidung von Schwangerschaften, da wegen der ausgeprägten hämodynamischen Veränderungen Komplikationen zu befürchten sind. Alle PAH-Patienten sollten gegen Streptokokken-Infektionen und Influenza geimpft werden. Eine neue Erkenntnis, die vorwiegend auf Studien aus Heidelberg basiert, ist die Empfehlung eines betreuten Trainingsprogramms. In den dortigen Studien absolvierten die Patienten ein tägliches Training über drei bis vier Wochen. Die medizinische Begleitung ist hier sehr wichtig, wie Ulrich betonte, denn anders als beispielsweise bei COPD-Patienten besteht hier unter körperlicher Belastung ein erhöhtes Risiko für ein Rechtsherzversagen. Dem stationären Programm über 3 bis 4 Wochen folgte ein ambulantes über 12 Wochen. Dadurch verbesserten sich hämodynamische
Parameter, der 6-Minuten-Gehtest sowie die Lebensqualität (2). In Heidelberg unterzogen sich Patienten in verschiedenen PAH-Klassen diesem Trainingsprogramm. Mittlerweile ist in Kooperation mit dem Heidelberger Zentrum auch in Wald/Zürich ein solches Angebot verfügbar; die Beteiligung an einer internationalen kontrollierten Studie ist ebenfalls geplant. Weiterhin wird empfohlen, dass PAH-Patienten der funktionellen Klassen NYHA/WHO III und IV während Flugreisen und Höhenaufenthalten Sauerstoff erhalten. Elektive Operationen sollten in Zentren, die über Erfahrungen mit PAH-Patienten verfügen, durchgeführt werden. Diese Empfehlung basiert auf Erkenntnissen, dass die Komplikationsrate bei diesen Patienten mit bis zu 42 Prozent sehr hoch ist. In Zentren mit der entsprechenden Erfahrung kann diese Rate auf zwei Prozent bei elektiven und 15 Prozent bei Notfalleingriffen reduziert werden, betonte Ulrich. Von den Allgemeinmassnahmen zur Supportivtherapie Es wird empfohlen, dass Patienten mit Rechtsherzinsuffizienz Diuretika oder Mineralokortikoide erhalten. Eine LangzeitSauerstofftherapie wird in Analogie zum COPD-Management, das heisst bei Hypoxämie (pO2 < 8 kPa), empfohlen. Eine orale Antikoagulation sollte bei idiopathischer und erblicher PAH sowie bei PAH, die mit Appetitzüglern assoziiert ist, erfolgen. Bei Vorhofflimmern sollte ein Sinusrhythmus wiederhergestellt werden; bei Vorhofflattern wird zur Ablationsbehandlung geraten. Digoxin kann in Fällen von atrialer Abbildung: Pathobiologie der PAH Allergologie/Pneumologie • Juli 2015 13 CongressSelection Tachykardie gegeben werden. Neuere Studien zeigen, dass ein Eisenmangel, der bei diesen Patienten häufig ist, ausgeglichen werden sollte (1). Der nächste Schritt in den Leitlinien ist die Vorstellung an einem Expertenzentrum. Ein solches ist nach ERS-Kriterien definiert als ein Zentrum mit einem multiprofessionellen Team, das mindestens 50 Patienten mit PAH oder CTEPH (chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie) betreut und mindestens zwei Konsultationen Betroffener pro Monat hat. Es sollte Vasoreaktivitätstestungen durchführen können sowie an klinischen Forschungsprojekten auf diesem Gebiet beteiligt sein. Bedeutung der Vasoreaktivität Die Vasoreaktivitätstestung kann mit verschiedenen Substanzen durchgeführt werden, am häufigsten kommt Stickstoffmonoxid (NO) zur Anwendung. Eine positive Vasoreaktivität ist definiert als Senkung des mittleren pulmonalarteriellen Drucks (MPAP) um mindestens 10 mmHg, unter einen Absolutwert von 40 mmHg. Diese Reaktion ist bei etwa 12 Prozent der PAH-Patienten nachweisbar. Eine wichtige Beobachtung in diesem Zusammenhang ist die fehlende Vasoreaktivität bei Patienten mit einer BMPRII-Mutation als erblicher Form der Erkrankung. Dieses zeigt, dass eine vasoreaktive PAH eine Unterform mit eigener Pathogenese darstellt, so Ulrich weiter. Patienten, bei denen eine Vasoreaktivität nachgewiesen wurde, können am besten mit Kalziumkanalblockern behandelt werden. Allerdings ist nur bei weniger als 50 Prozent ein anhaltendes Ansprechen nachweisbar. Daher ist eine engmaschige Betreuung dieser Patienten wichtig. Spezifische PAH-Therapie: Kombi im Kommen Die grössten Fortschritte wurden in den letzten Jahren in der spezifischen PAH-Therapie erzielt, die aktuell auf drei pathogenetischen Säulen basiert: dem Prostazyklin-Signalweg, dem Endothelin-Signalweg und dem Stickstoffmonoxid-Signalweg. In den meisten Effektivitätsstudien war die Verbesserung im 6-Minuten-Gehtest der primäre Endpunkt, über den die Wirksamkeit dokumentiert wurde. Doch trotz der Verfügbarkeit dieser verschiedenen Substanzen erreichen manche Patienten nicht die angesteuerten Therapieziele. In dieser Situation wird als Option für den nächsten Schritt zunehmend die Kombinationstherapie propagiert. Hierzu wurden zwei verschiedene Ansätze geprüft: einerseits die stufenweise Vorgehensweise und andererseits der unter dem Konzept «hit hard and early» bekannte Ansatz eines starken Einstiegs mit mehreren Substanzen von Anfang an. Pluspunkte für die frühzeitige Kombinationstherapie lieferte unter anderem die auf dem letztjährigen Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) vorgestellte Studie AMBITION (3). Darin wurde eine initiale Kombination mit zwei Substanzen mit einer initialen Monotherapie und stufenweisen Zugabe nach Bedarf verglichen. Die Patienten erhielten entweder eine Monotherapie mit Ambrisentan, eine Monotherapie mit Tadalafil oder die sofortige Kombinationstherapie mit beiden Substanzen in gleicher Dosierung. Verglichen mit den initialen Monotherapien reduzierte die initiale Kombinationstherapie signifikant das Risiko für klinisches Therapieversagen und erwies sich damit als das effektivere Vorgehen. Ulrich geht aufgrund dieser Ergebnisse davon aus, dass in Zukunft eine Verlagerung hin zu einer frühzeitigen Kombinationstherapie stattfinden wird. Bereits heute gehen nach ihren Worten viele Experten davon aus, dass eine Monotherapie ohne Erreichen der Therapieziele nicht länger als etwa einen Monat gegeben werden sollte. Die Daten des Schweizer Registers zur PAH-Therapie bestätigen den Trend zur Kombinationstherapie. Demnach wurde bereits 2008 bei einem Drittel der Patienten eine Kombinationstherapie eingesetzt, und heutzutage sind es etwa 50 Prozent. Thromboembolische Form: Thrombektomie vor medikamentöser Therapie Eine Sonderstellung im therapeutischen Vorgehen hat die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH). Hier sollte bei jedem Betroffenen zunächst die Operabilität überprüft werden, denn die operative Thrombusentfernung gilt hier als die Therapie der Wahl. Dies wird nach den Zahlen des Schweizer Registers hierzulande noch nicht genügend umgesetzt. Medikamentöse Optionen wurden bei dieser Subgruppe nur bei denjenigen, die nicht operiert werden können, geprüft. Doch auch hier gibt es Fortschritte: Wie eine randomisierte, kontrollierte Studie gezeigt hat, können bei diesen Patienten mit Riociguat nicht nur die 6-Minuten-Gehstrecke, sondern auch weitere Endpunkte gebessert werden, berichtete Ulrich (4). Fazit Trotz der Verbesserungen, die man in diesem Register über die letzten Jahre beobachten konnte, ist die PAH immer noch eine unheilbare Erkrankung und die Forschungen gehen weiter, betonte Ulrich: «Es liegt immer noch ein weiter Weg vor uns, bis wir an eine Heilung von Patienten mit PAH denken können. Es ist wichtig, diesen Weg fortzusetzen.» Adela Žatecky Take Home Messages • Die optimale Therapie hängt von der Pathogenese ab, die individuell unterschiedlich ist. Daher ist bei PAH eine Individualisierung der Therapie angebracht. • Durch ein medizinisch betreutes Trainingsprogramm können hämodynamische Parameter, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität von PAH-Patienten verbessert werden. • In Zukunft ist eine Verlagerung in Richtung frühzeitiger Kombinationstherapien zu erwarten. • Trotz der therapeutischen Fortschritte mit Verbesserungen in der Prognose und Lebensqualität ist die pulmonal arterielle Hypertonie immer noch eine unheilbare Erkrankung. Referenzen: 1. Galiè N et al. Updated Treatment Algorithm of Pulmonary Arterial Hypertension. J Am Coll Cardiol 2013; 62: D60–D72. 2. Grünig E et al. Safety and efficacy of exercise training in various forms of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2012; 40: 84–92. 3. Galiè N: The AMBITION study: design and results. European Respiratory Society Annual Meeting, München 2014. Eur Respir J 2014; 44: Suppl. 58, Abstract 2916. 4. Simonneau G et al. Riociguat for the treatment of chronic thromboembolic pulmonary hypertension: 2-year results from the CHEST-2 long-term extension. European Respiratory Society Annual Meeting, München 2014. Eur Respir J 2014; 44: Suppl. 58, Abstract 1802. Quelle: Hauptsession «Pulmonal-arterielle Hypertonie» beim Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 16. April 2015 in Lugano. 14 Allergologie/Pneumologie • Juli 2015