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Wirksame Therapien für die Leber
Heilung bei Hepatitis C, Neues gegen NASH und Krebs
Die interferonfreie Behandlung mit direkt antiviralen Agenzien (DAA) hat sich bei chronischer Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV) als wirksam und verträglich erwiesen. In den Fokus rücken nun praktische Fragen der Priorisierung: Kann man den Therapiebeginn verzögern oder die Behandlung verkürzen, wie wirkt sich ein Virendurchbruch auf die weiteren Therapiechancen aus? Vorgestellt wurden auf dem Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL) auch neue Therapiansätze gegen nicht alkoholische Steatohepatitis und Leberzellkrebs, sie sind noch in frühen Entwicklungsstadien.
Die Frage, ob ein verspäteter Therapiebeginn das Outcome der Patienten mit einer chronischen Hepatitis C beeinflusst, ist mit einem klaren Ja zu beantworten; das galt sogar schon in der Vor-DAA-Ära.
Behandlung nicht zu lange hinauszögern … Dr. Jeffrey McCombs, Gesundheitsökonom aus Los Angeles, USA, präsentierte dazu zum Teil noch unveröffentlichte Daten eines amerikanischen Registers der Veteranenfürsorge aus den Jahren 1999 bis 2010. Nur jeder vierte HCV-positive Veteran wurde überhaupt behandelt, viele lehnten die damals verfügbare belastende Therapie auf Interferonbasis ab. Wurden sie behandelt, war der Effekt vom Genotyp und von der Ethnie abhängig: Am besten schnitten Patienten mit Genotyp 2 und Afroamerikaner ab, besonders ungünstig war Genotyp 3. Eine wichtige Rolle spielte aber auch der Zeitpunkt des Therapiebeginns. So waren Zirrhose, dekompensierte Zirrhose, HCV-bedingte Klinikeinweisung und Leberkrebs um 20 Prozent seltener bei Patienten, deren Albumin, AST/ALT-Ratio, Thrombozytenzahl, Gamma-GT und Alpha-Fetoprotein bei Therapiestart noch im Referenzbereich lagen. Waren die Laborwerte dagegen bereits auffällig, brachte die Behandlung nur noch eine 4-prozentige Reduktion der Ereignisse. Die Mortalität konnte bei früher Behandlung um 22 Prozent gesenkt werden, später aber nur noch um 17 Prozent. McCombs hinterfragte deshalb die Watchful-Waiting-Strategie bei HCV: «Was beobachten Sie – worauf warten Sie?»
… aber auch nicht zu früh abschreiben Jedoch haben mit den modernen DAA auch Patienten in späten Erkrankungsstadien, selbst mit Leberzirrhose, noch eine Chance auf Viruseradikation. So präsentierte Prof. Dr. Ira M. Jacobson, New York, USA, die C-SALT-Studie (1). Diese schloss Patienten mit HCV vom Genotyp 1, 4 oder 6 mit moderater Leberzirrhose (Stadium Child-Pugh B) ein; Part A umfasste 30 zirrhotische Patienten und 10 nicht zirrhotische Kontrollpatienten mit HCV vom Genotyp 1. Alle Patienten wurden 12 Wochen lang mit dem NS3/4A-Inhibitor Grazoprevir und dem NS5A-Inhibitor Elbasvir behandelt; beide Wirkstoffe wurden von MSD entwickelt. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten mit Sustained Virological Response zwölf Wochen nach Therapieende (SVR-12), er betrug 90 Prozent bei den Zirrhosepatienten und 100 Prozent bei den
Patienten ohne Zirrhose. Der Fibrosestatus laut Child-PughScore verschlechterte sich nur bei 4 Patienten, bei der Mehrheit dagegen (n = 18) verbesserte sich der Wert. Die Therapie wurde allgemein gut vertragen, die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Fatigue und Arthralgien (1).
HCV-Patienten mit Zirrhose: Genügen manchmal sechs Wochen? In der C-SWIFT-Studie wurden therapienaive HCV-Patienten vom Genotyp 1 ohne Zirrhose 4 oder 6 Wochen lang, bei Vorliegen einer kompensierten Zirrhose 6 oder 8 Wochen lang mit Grazoprevir/Elbasvir (MSD) und mit Sofosbuvir (Sovaldi®, Gilead Sciences) behandelt (2). Patienten vom Genotyp 3 wurden bis zu 12 Wochen lang therapiert. Prof. Dr. Edward Gane, Auckland, Neuseeland, fokussierte auf die Subgruppe mit Genotyp 1 und Zirrhose (n = 41): «Zunächst sprachen alle Patienten auf die 6- oder 8-wöchige Therapie an, die Dauer des Effekts war aber unterschiedlich», berichtete er. So erzielten 94 Prozent der Patienten mit 8-wöchiger Behandlung, aber nur 80 Prozent derjenigen mit 6-wöchiger Behandlung eine SVR-4; das Ergebnis für eine SVR-12 war das gleiche (2). Gane folgerte: «Offenbar benötigen Patienten mit Leberzirrhose eine Behandlung, die länger als nur 6 Wochen dauert.»
Bei Therapieversagen hilft meist ein zweiter Anlauf Was aber, wenn die Therapie nicht gewirkt hat oder wenn es nach einer zeitweiligen Viruseradikation zum Relaps kommt? Auch dann ist noch nicht aller Tage Abend, wie mehrere Studien zur erneuten Behandlung der «Therapieversager» zeigen. So wurden in eine Studie 41 Patienten mit HCV vom Genotyp 1 eingeschlossen, die auf eine 8- oder 12-wöchige Therapie mit Sofosbuvir/Ledipasvir (Harvoni™, Gilead Sciences) nicht dauerhaft angesprochen hatten. Sie wurden im zweiten Anlauf erneut mit dem gleichen Regime behandelt, diesmal 24 Wochen lang. Prof. Dr. Eric Lawitz, San Antonio, USA, präsentierte die Studienergebnisse beim EASL-Kongress: «Die Mehrheit der Patienten profitierte von der erneuten Therapie», berichtete er. «73 Prozent erreichten SVR-4 und 71 Prozent SVR-12.» Insbesondere Patienten, die zuvor nur 8 Wochen lang SOF/LDV erhalten hatten und die zu Therapiebeginn keine resistenzassoziierten Virusvarianten aufwiesen, zogen einen Nutzen aus der Zweitbehandlung (3).
Gastroenterologie • Juni 2015 15
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Nicht alkoholische Steatohepatitis – bedrohlich fürs Herz, aber bald therapierbar? Die Krankheitsprogression der nicht alkoholischen Fettleber (NAFL) ohne Fibrose oder mit Fibrose im Stadium 1 • über die nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) • und die Leberfibrose im Stadium 2 und 3 • bis zur Leberzirrhose verläuft interindividuell unterschiedlich schnell. Das erläuterte Prof. Dr. Christopher P. Day, Newcastle, Grossbritannien, anhand einer Metaanalyse über 11 Kohortenstudien mit insgesamt 411 Patienten: Während sich die meisten über eine mittlere Beobachtungszeit von 5,9 Jahren um ein bis zwei Stadien verschlechterten, erreichten 20 Prozent der Patienten das Fibrosestadium 3 oder 4 innerhalb kurzer Zeit (4). In der Regel gingen dabei Inflammation und Fibrose Hand in Hand.
NASH im fortgeschrittenen Stadium: erhöhtes kardiovaskuläres Risiko Prof. Dr. Jake P. Mann, Cambridge, Grossbritannien, wies auf das erhöhte kardiovaskuläre Risiko von Patienten in den fortgeschrittenen Erkrankungsstadien NASH und Fibrose hin. Er stellte eine eigene Registerstudie mit Daten von fast 930 000 britischen Patienten über 14 Jahre vor. Hier wurde bei NASHPatienten mehr als doppelt so oft eine kongestive Herzinsuffizienz beobachtet wie bei NAFL-Patienten (9,0 vs. 3,8%), was ein signifikanter Unterschied war. Vorhofflimmern (8,2 vs. 3,9%), Typ-2-Diabetes (24,6 vs. 20,9%), chronische Niereninsuffizienz (4,9 vs. 3,1%) und Hyperlipidämie (17,2 vs. 12,1%) waren bei den NASH-Patienten zumindest tendenziell erhöht. Bei den Fibrosepatienten kamen alle genannten komorbiden Erkrankungen signifikant häufiger vor. Besonders deutlich waren die Unterschiede aber bei der Gesamtmortalität mit 14,5 (NAFL) versus 22,1 (NASH) versus 53,1 Prozent (Fibrose) (5).
Diabetesmedikament hilft auch bei Leberentzündung
Neben Lebensstiländerungen könnte bald auch eine medikamentöse Therapieoption für NASH-Patienten verfügbar sein: Der eigentlich für die Diabetestherapie entwickelte Glucagonlike-Peptid-1-(GLP1-)Rezeptoragonist Liraglutid (Victoza®, Novo Nordisk) hat sich in einer Phase-II-Studie zur Therapie der NASH bewährt. Prof. Dr. Matthew J. Armstrong, Birmingham, Grossbritannien, erklärte die Rationale: «In klinischen Studien zu Liraglutid bei Diabetes war eine Besserung der Leberenzyme wie ALT aufgefallen, und auch einige Fallkontrollstudien und präklinische Daten hierzu waren vielversprechend.» In der Phase-II-Studie LEAN wurden 52 NASH-Patienten auf die Therapie mit 1,8 mg Liraglutid versus Plazebo randomisiert, die Studienmedikation wurde einmal täglich als Tablette verabreicht. «Studienziel war die Änderung des histologischen Befunds der Patienten in Woche 48; das wurde erfüllt», berichtete Armstrong: «39,1 Prozent der Liraglutid- versus 9,1 Prozent der Kontrollpatienten zeigten eine Rückbildung der zuvor beobachteten gesicherten NASH.» Auch in den sekundären Endpunkten schnitt Liraglutid besser ab als das Scheinmedikament. So besserte sich der Befund laut Kleiner-Fibrosescore bei 26,1 versus 13,6 Prozent der Patienten. Dagegen trat eine Verschlechterung bei nur 8,7 Prozent der Liraglutid- versus 36,4 Prozent der Vergleichspatienten auf. Signifikant verbessert waren unter Liraglutid die Steatose sowie der Nüchternblutzucker, die HDL-Spiegel und Gamma-GT, nicht aber die lobuläre Inflammation. Ein günstiger und für GLP1-Analoga typischer Nebeneffekt war die Gewichtsabnahme um durchschnittlich 5,3 kg unter Liraglutid, verglichen mit nur 0,6 kg in der Kontrollgruppe. Als häufige unerwünschte Wirkungen wurden in der Liraglutidgruppe Übelkeit, Anorexie und Diarrhö beobachtet, sonst wurde die Therapie recht gut vertragen (6).
Simone Reisdorf
Leberzellkarzinom: FGFR4-Hemmung – Licht am Ende des Tunnels
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC, Leberzellkrebs) steht als «worst case» ganz am Ende der Pathophysiologien von Fettleber und Hepatitiden. «Patienten mit Leberzellkrebs haben nach wie vor eine schlechte Prognose und einen grossen ungedeckten medizinischen Bedarf», betonte Dr. Klaus Hoeflich, Cambridge, Massachusetts, USA, bei einer der EASL-Pressekonferenzen. Ein von seinem Unternehmen Blueprint entwickeltes «small molecule», BLU-554, gab aber in den präklinischen Studien Anlass zur Hoffnung. Hoeflich erklärte den therapeutischen Ansatz des in Entwicklung befindlichen Medikaments: «Bei etwa 25 Prozent der Leberzelltumoren wird Fibroblast Growth Factor 19, FGF19, überexprimiert. Dieser ist wiederum in 6 bis 12 Prozent der Tumoren lokal amplifiziert.» Und weiter: «Das führt zu einem fehlerhaften Signal an Fibroblast Growth Factor Receptor 4, FGFR4, welcher das Tumorwachstum fördert. Hier greift BLU-554 regulierend ein.» In Studien mit Mausmodellen für Leberzellkrebs konnte eine Behandlung mit dem selektiven FGFR4-Inhibitor BLU-554 das Tumorvolumen und die FGF19Überexpression signifikant reduzieren (7). First-in-man-Studien sind bereits für den Sommer 2015 geplant; hier wird es vor allem um die Therapiesicherheit gehen und in den sekundären Endpunkten auch um die Tumorregression nach RECIST-Kriterien.
Referenzen: 1. Jacobson IM et al. Efficacy and safety of grazoprevir and elbasvir in hepatitis c genotype 1-infected patients with Child–pugh class b cirrhosis (C-Salt part a). Abstract # O008, EASL 2015. 2. Poordad F et al. Abstract # O006, C-Swift: Grazoprevir/elbasvir + sofosbuvir in cirrhotic and noncirrhotic, treatment-naive patients with hepatitis c virus genotype 1 infection, for durations of 4, 6 or 8 weeks and genotype 3 infection for durations of 8 or 12 weeks. EASL 2015. 3. Lawitz E et al. Abstract # O005, Retreatment of patients who failed 8 or 12 weeks of ledipasvir/sofosbuvir-based regimens with ledipasvir/sofosbuvir for 24 weeks. EASL 2015. 4. Singh S et al. Fibrosis progression in nonalcoholic fatty liver vs nonalcoholic steatohepatitis: a systematic review and meta-analysis of paired-biopsy studies. Clin Gastroenterol Hepatol 2015;13:643–654. 5. Mann JP et al. Abstract G12, The burden of cardiovascular disease and mortality across a spectrum of non-alcoholic fatty liver disease: a 14-year follow-up population study of 929 465 individuals. EASL 2015. 6. Armstrong MJ et al. Liraglutide is effective in the histological clearance of non-alcoholic steatohepatitis in a multicentre, doubleblinded, randomised, placebo-controlled phase II trial. Abstract G01, EASL 2015. 7. Hoeflich K et al., First selective small molecule inhibitor of fgfr4 for the treatment of hepatocellular carcinomas with an activated fgfr4 signaling pathway. Abstract # O048, EASL 2015.
Quelle: 50. Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL), 22. bis 26. April 2015 in Wien.
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