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Essen, Bakterien, Medikamente, Stress:
Welchen Einfluss haben äussere Faktoren auf CED?
Äussere Faktoren können bei entsprechender genetischer Ausstattung entzündliche Darmerkrankungen auslösen. Bis anhin ist das Wissen über solche Umwelteinflüsse und deren Zusammenspiel jedoch sehr begrenzt. Am ECCO-Jahrestreffen in Barcelona fasste Prof. Dr. Dr. Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich den derzeitigen Kenntnisstand zusammen.
Was sind die Ursachen dafür, dass manche Menschen so schwer mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) geschlagen sind und andere nicht? Zwar existieren Schätzungen, nach denen in den industrialisierten Ländern Lifestyle- oder Umweltfaktoren zu 70 Prozent und eine genetische Suszeptibilität zu 30 Prozent für das Auftreten von CED verantwortlich sind, sie seien jedoch nicht sonderlich gut belegt, gab Rogler zu bedenken. Tatsächlich ist unser Körper während seiner gesamten Lebenszeit mit Umweltfaktoren konfrontiert, die das Risiko von entzündlichen Darmerkrankungen erhöhen. Allerdings ist die kausale Wirkung solcher Einflüsse, seien es Nahrungsmittel, Umweltverschmutzung, Medikamente, Stress, Infektionen oder anderes, nur schwer wissenschaftlich zu belegen (1). Zudem müssen Expositionen mit solchen Faktoren nicht notwendigerweise zu sofortigen Konsequenzen führen, da die Erkrankungen auch in einer späteren Lebensphase – also zeitlich versetzt – auftreten können. Viele äussere Einflüsse Als «exposomale» Faktoren konnten bisher der Gebrauch von NSAR (≥ 15 Tage/Monat, Effektstärke [ES]: 1,59 bzw. 1,87) für das Auftreten von Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) (2), depressive Symptome für MC (ES: 2,36), orale Kontrazeptiva für MC (ES: 2,66) und hormonsubstituierende The-
Abbildung: Die Ursachen und Zusammenhänge rund um die chronischen Darmerkrankungen fasste Prof. Rogler zusammen.
rapien für CU (ES: 1,74) detektiert werden. Auf der anderen Seite scheinen Vitamin D und Fieber das Risiko für MC zu senken (ES: 0,55 bzw. 0,62) (3, 4). Auch das Trinken von Leitungswasser in der Kindheit scheint gemäss einer älteren Studie einen präventiven Effekt (OR: 0,6) zu besitzen (5). Zur Frage, welchen Einfluss gewisse Nahrungsmittel wie mehrfach ungesättigte Fettsäuren oder Fleisch auf die Krankheitsentwicklung haben, existieren, ebenso wie beim Stillen, widersprüchliche Daten (6). Als ungünstig gelten auf jeden Fall Stress und Schlafstörungen (7).
Raucher mit veränderter Darmflora Sowohl der Einfluss des passiven als jener auch des aktiven Rauchens wurde hinsichtlich des Einflusses auf die Entwicklung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen untersucht. Allerdings konnte in einer Metaanalyse keine Assoziation zwischen Passivrauchen in der Kindheit und dem Ausbruch von MC festgestellt werden (8). Als gesichert gilt hingegen, dass aktives Rauchen die Darmflora verändert. So kam es in einer neueren Schweizer Studie nach einem Rauchstopp zu einer dramatischen Zunahme von Firmicutes- und Actinobacteriapopulationen sowie zu einer Abnahme von Proteobacteriaund Bacteroideskeimen im Gastrointestinaltrakt der Interventionsgruppe (9). Gleichzeitig wurde eine Erhöhung der Bakteriendiversität durch den Rauchverzicht festgestellt. In beiden Vergleichsgruppen dieser Studie (unveränderte Raucher und Nichtraucher) veränderte sich die Bakterienvielfalt im gleichen Zeitraum hingegen nur geringfügig. Eine solch reduzierte Diversität müsse jedoch nicht zwangsläufig zu Erkrankungen führen, betonte Rogler. Fest steht jedoch: Bei CED-Patienten ist oft eine Dysbalance der Bakterienzusammensetzung festzustellen.
Antibiotika mit negativem Einfluss Wenn Darmbakterien einen Einfluss auf die Entstehung von entzündlichen Darmerkrankungen haben können, wie wirkt sich dann eine Behandlung mit Antibiotika aus? Tatsächlich hatten sich gemäss einer Studie Patienten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für CED 2 bis 4 Jahre vor der Diagnose öfter? einer Antibiotikatherapie unterzogen als entsprechende Vergleichspersonen (10). Aber auch bei Kindern wurde eine Verbindung zwischen frühem Einsatz von Antibiotika und späterer CED-Erkrankung festgestellt (11). Damit könnten auch Antibiotikabehandlungen als ein prädisponierender Faktor für chronisch entzündliche Darmerkrankungen infrage kommen,
6 Gastroenterologie • Juni 2015
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eine Feststellung, die unlängst in einer Metaanalyse (OR: 1,57) bestätigt wurde (12). Aber nicht nur eine veränderte Darmflora, auch bestimmte Nahrungsinhaltsstoffe könnten entzündliche Aktivitäten im Darm fördern. So stehen Titaniumoxidnanopartikel – wie sie in Produkten wie Kaffeeweisser, Zahnpasta, Marshmallows oder Kaugummi eingesetzt werden – im Verdacht, IL-16-Zytokine zu aktivieren. Tatsächlich wurden erhöhte Titaniumoxidlevels sowohl bei CU- als auch bei MC-Patienten festgestellt, berichtete der Zürcher Gastroenterologe.
Ungünstige Höhenaufenthalte Aber auch unerwarteten Triggern sind die Wissenschaftler auf der Spur. So wurde von Prof. Dr. Stephan Vavricka vom Stadtspital Triemli in Zürich und Kollegen eine Verbindung von Aufenthalten in grosser Höhe und einem zunehmenden FlareRisiko bei CED-Patienten festgestellt (13). Wer in den vorausgegangenen Wochen – auch kürzere Zeit – im Gebirge oder im Flugzeug Höhenzonen von über 2000 Metern erklommen hatte, sah sich mit einem signifikant erhöhten Risiko konfrontiert, einen CU- oder MC-Ausbruch zu erleiden. Dabei stieg dieses Risiko mit zunehmender Meereshöhe an. Gleichzeitig scheinen auch Hitzewellen CED-Patienten zuzusetzen (14). In einer weiteren Schweizer Beobachtungsstudie wurde nämlich gezeigt, dass in Hitzeperioden die Hospitalisationen aufgrund von entzündlichen und infektiösen Darmerkrankungen signifikant zunehmen. Kälteperioden hätten dagegen keinerlei Einfluss auf das Risiko von CED-Ausbrüchen, betonte Rogler. Weil noch sehr viele Unklarheiten hinsichtlich der äusseren Faktoren existierten, die zur Entwicklung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beitrügen, seien weitere Untersuchungen dringend notwendig, betonte der Experte.
Klaus Duffner
Referenzen: 1. Rogler G, Vavricka S. Inflamm Bowel Dis 2015 Feb; 21 (2): 400–408. 2. Ananthakrishnan AN et al. Ann Intern Med 2012; 156 (5); 350. 3. Ananthakrishnan AN et al. Gastroenterology 2012; 142 (3); 482. 4. Ananthakrishnan AN et al. Pres. at DDW 2012; Abstract 863. 5. Baron S. Gut 2005; 54 (3): 357–363. 6. Hou JK et al. Am J Gastroenterol 2011; 106 (4): 563–573. 7. Camara RJ. Inflamm Bow Dis 2011; 17 (11): 2358–2365. 8. Jones DT et al. Am J Gastroenterol 2008; 103 (9): 2382–2393. 9. Biedermann L et al. Inflamm Bow Dis 2014; 20 (9): 1496–1501. 10. Shaw SY et al. Am J Gastroenterol 2011; 106 (12): 2133–2142. 11. Hviid A Gut. 2011; 60: 49–54 doi:10.1136/gut.2010.219683. 12. Ungaro R et al. Am J Gastroenterol 2014; 109: 1728–1738. 13. Vavricka S et al. J Crohns Colitis 2014; 8 (3): 191–199. 14. Manser C et al. The Americ J of Gastroent 2013; 108: 1480–1485.
Quelle: Scientific session 1: «The exposome in the pathogenesis of IBD». Vortrag: «Impact of lifestyle changes on disease course», 19. Februar 2015 am ECCO-Kongress in Barcelona.
CED-Auftreten: Was verrät die Zwillingsforschung?
In klassischen Zwillingsstudien werden Monozygote (MZ) und Dizygote (DZ)
untersucht und miteinander verglichen. Allerdings ist das nur möglich,
wenn, zum Beispiel über ein Register, ausreichend Daten vorhanden sind.
Seit 2013 existiert in Grossbritannien das «Twin and Mutliplex Registry» –
eine Möglichkeit für Dr. Hannah Gordon vom Chelsea and Westminster Hos-
pital London, neue Erkenntnisse zum Auftreten von chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen zu gewinnen. Für ihre Studie befragten die Briten 100
erwachsene Zwillingspaare (31 MZ, 69 DZ), die entweder einzeln oder zu-
sammen an Morbus Crohn (MC) (48) oder Colitis ulcerosa (CU) (52) litten.
Während unter den Monozygoten beide Geschwister zu 53 Prozent von MC
und zu 25 Prozent von CU betroffen waren, litten unter den Zweieiigen nur
19 Prozent (MC) beziehungsweise 10 Prozent (CU) zusammen an der ent-
zündlichen Darmerkrankung. Die zusammen erkrankten Zwillinge waren als
Säuglinge häufiger ausschliesslich gestillt worden (27%, n = 22 Paare vs.
17%, n = 78 Paare). Bei den ungleich betroffenen CED-Paaren waren dieje-
nigen signifikant mehr von der Erkrankung betroffen, welche regelmässig
Fertiggerichte vor dem ersten Ausbruch gegessen hatten (p = 0,017). Auch
die Einnahme von NSAR und Antibiotika war mit einem leicht erhöhten Er-
krankungsrisiko verbunden. Zudem stand knapp die Hälfte aller Teilnehmer
im Jahr vor der Erstdiagnose unter Stress. Ein Unterschied von rauchenden
und nicht rauchenden Geschwistern hinsichtlich der Erkrankungshäufigkeit
konnte nicht festgestellt werden, allerdings ist hier die geringe Stichpro-
bengrösse zu beachten.
KD
Quelle: Gordon H et al. UK IBD twin and multiplex registry: Concordance and environmental risk factors of twins with IBD; Abstract OP002, ECCO 2015 in Barcelona.
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Was Ernährung, Medikamente und Stress zur Entwicklung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beitragen, kann ein Blick auf betroffene Zwillinge und möglicherweise unterschiedliche Einflüsse näher beleuchten.
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