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Früh und konsequent behandeln
Neue HCV-Therapien machen dies möglich
Direkt antivirale Agenzien sind hochwirksam bei chronischer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV), und das bei guter Verträglichkeit und ohne Interferonzusatztherapie. Selbst Patienten mit hochgradiger Nieren-insuffizienz können mit Therapieregimen wie Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir und Dasabuvir ± Ribavirin erfolgreich behandelt werden. Ob die neuen Therapien langfristig zu einer globalen HCV-Eradikation beitragen können, wurde auf dem Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL) in Wien diskutiert.
D ie weltweite Mortalität an HCV-bedingter Leberzirrhose und HCV-bedingtem Leberzellkrebs ist von 1990 bis 2010 um 35,6 beziehungsweise 73,3 Prozent gestiegen. Das berichtete Prof. Dr. Michael Manns, Hannover, bei einem von AbbVie unterstützten Symposium. «Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, nicht nur die Verbreitung der Hepatitis C zu stoppen, sondern sie weltweit zu eradizieren», so Manns. «Die neuen interferonfreien Therapien mit direkten antiviralen Agenzien, DAA, geben uns jedenfalls die Chance auf sehr hohe Heilungsraten.»
Risikogruppen gezielt screenen Prof. Dr. Maria Buti, Barcelona, Spanien, nannte als HCV-Risikopersonen beispielsweise Menschen, die intravenöse Drogen anwenden oder im Strafvollzug sind, Kinder HCV-positiver Mütter und auch nierenkranke Patienten: «Sie sind durch die Hämodialyse potenziell dem Risiko iatrogener HCV-Infektionen ausgesetzt. Wir sollten sie konsequent screenen, denn mit den jetzt verfügbaren neuen Medikamenten ist es möglich, auch Nierenkranke zu behandeln.»
Ansprechen über vier Wochen bei HCV-Patienten mit Niereninsuffizienz In der Late-Breaker-Session des EASL-Kongresses wurden dazu hochaktuelle Daten
präsentiert: Die RUBY-I-Studie schloss 20 therapienaive Patienten mit HCV-Infektion vom Genotyp 1 ein, die keine Leberzirrhose hatten, aber eine schwere Nierenfunktionsstörung. Auch Dialysepatienten durften teilnehmen. Behandelt wurden alle mit dem rein oralen, interferonfreien Therapieregime von AbbVie, das zur Behandlung bei chronischer HCV-Infektion vom Genotyp 1 zugelassen wurde*. Es besteht aus der Fixkombination Ombitasvir/Paritaprevir/ Ritonavir (Viekirax®) sowie Dasabuvir (Exviera®) und wurde mit oder ohne Ribavirin verabreicht. Für 10 der 20 Patienten in der RUBY-I-Studie lagen zum Zeitpunkt der Auswertung bereits Daten für die gesamte Therapiedauer und für 4 Wochen Nachbeobachtung vor. Alle waren noch virenfrei; die Sustained Viral Response über 4 Wochen (SVR-4) betrug somit in dieser Gruppe 100 Prozent (1). «Die antivirale Behandlung sollte noch vor einer Nierentransplantation erfolgen», forderte Buti: «Eine Viruseradikation vor der Transplantation kann die Komplikationsraten mininieren.»
Neue Medikamente nicht «aufsparen» Ob auch «leichte Fälle» mit HCV-Infektion vom Genotyp 1 von der interferonfreien DAATherapie profitieren oder ob hier nicht die konventionelle interferonbasierte Therapie genügt, wurde in den MALACHITE-Studien untersucht. Hintergrund ist, dass weltweit in vielen Regionen aus Kostengründen noch immer eine Behandlung auf Interferonbasis üblich ist. Die Studie MALACHITE-I war fünfarmig und schloss 311 therapienaive Teilnehmer ein. Patienten vom Genotyp 1a wurden 12 Wochen lang mit der DAA-Dreifachkombination von AbbVie plus Ribavirin oder aber mit PegInterferon, Telaprevir und Ribavirin behandelt, letzteres Therapieregime wurde dann noch für weitere 12 bis 36 Wochen gegeben. Die übrigen drei Studienarme von MALACHITE-I umfassten therapienaive Patienten mit dem in Europa häufigeren Genotyp 1b. Für sie gab es neben den beiden genannten Therapieregimen noch ein drittes: die AbbVie-Dreifachkombination ohne Ribavirin über 12 Wochen. Die Studienpopulation von MALACHITE-II umfasste 148 Patienten vom Genotyp 1, die unter Peg-Interferon/Telaprevir/Ribavirin eine
Teilresponse, eine Nullresponse oder ein Rezidiv erfuhren. Das Design war dem von MALACHITE-I ähnlich, allerdings gab es nur zwei Studienarme ohne Einteilung in genetische Subtypen. Der Rückgriff auf die alten Therapien hat sich in beiden Studien nicht bewährt: Während in der MALACHITE-I-Studie 97 bis 99 Prozent der Patienten unter der DAA-Behandlung eine SVR-12 erzielten, waren es unter der interferonhaltigen Behandlung nur 78 bis 82 Prozent. Ähnlich sah es in der MALACHITE-II-Studie aus mit SVR-12-Raten von 99 versus 66 Prozent. Zudem traten in beiden Studien unter der herkömmlichen Therapie mit Interferon deutlich öfter Anämien auf (2, 3).
Behandlung auf asymptomatische Patienten ausdehnen Prof. Massimo Colombo, Mailand, Italien, forderte im Symposium neben der konsequenten Therapie schwer erkrankter HCV-Patienten auch eine breite Diagnose und Behandlung asymptomatischer Patienten in frühen Stadien: «Sie tragen am meisten zur Transmission der HCV-Erkrankung bei.» Die hohe Dunkelziffer asymptomatischer HCV-Patienten ist laut Prof. Dr. Mark Sulkowski, Baltimore, USA, ein Haupthindernis für die Ausrottung des Virus. Er betonte: «Nur durch konsequentes Screening und frühe Therapie können wir die Infektionskette unterbrechen und zur globalen Viruseradikation beitragen.»
Simone Reisdorf
*In der EU ist Viekirax® in Kombination mit Ribavirin auch für Patienten mit Genotyp 4 vorgesehen.
Referenzen: 1. Pockros PJ et al. Abstract # L01, EASL 2015. 2. Conway B et al. Abstract P0842, EASL 2015. 3. Dore G et al. Abstract # P0847, EASL 2015.
Quelle: «Call to action: what will it take to truly eradicate HCV?», Satellitensymposium von AbbVie, 23. April 2015, und Late-Breaker-Session, 25. April 2015, 50. Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL), 22. bis 26. April 2015 in Wien.
Gastroenterologie • Juni 2015 19