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Eisenmangel bei Herzinsuffizienz
Ausgleich verbessert Leistung und Lebensqualität
Anämie und Eisenmangel sind wichtige Komorbiditäten bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Mehrere aktuelle Studien haben gezeigt, dass diese Patienten signifikant von der intravenösen Eisensubstitution profitieren.
W ie Prof. Dr. Dr. Stefan D. Anker von der Universitätsmedizin Göttingen betonte, wird der Eisenmangel als Ursache sowohl einer Anämie als auch einer Komorbidität bei Herzinsuffizienz oft unterschätzt. In einer entsprechenden Untersuchung von Patienten mit Anämie und fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA IV) wurde bei 73 Prozent ein Eisenmangel als Ursache ihrer Anämie ermittelt. Definiert ist ein Eisenmangel als ein Serum-Ferritin < 100 µg/l oder ein Serum-Ferritin im Bereich von 11 bis 299 µg/l zusammen mit einer Transferrinsättigung (TSAT) < 20 Prozent. Liegt bei einem Herzinsuffizienzpatienten ein Eisenmangel vor, wird das bei etwa 60 Prozent der Betroffenen im Kontext einer Anämie beobachtet, aber bei den restlichen etwa 40 Prozent ohne Anämie als reiner Laborbefund erhoben. In beiden Fällen ist der Eisenmangel bei den Betroffenen mit einer schlechteren Prognose assoziiert, so Anker, und gilt daher als wichtiger unabhängiger Risikofaktor. Eisen spielt im Körper nicht nur als Bestandteil von Hämoglobin eine Rolle, sondern besitzt weitreichendere Funktionen. Im Normalfall hat jeder Mensch etwa 2 bis 3 g Eisen im Körper, das sich zum überwiegenden Teil im Blutkreislauf, aber auch in anderen Kompartimenten befindet. Dazu gehören die Leber, das retikuloendotheliale System und auch die Skelettmuskulatur. Das Eisen ist nicht nur an der Versorgung mit Sauerstoff, sondern auch an dessen Verwertung beteiligt. Orale Substitution stösst an Grenzen Pro Tag verliert der Körper etwa 1 bis 2 mg Eisen, was mit der Nahrung wieder ersetzt werden muss. Wenn das nicht in ausreichendem Masse geschieht, kommt es zum Eisenmangel, der sich allerdings erst ab Defiziten von 1000 bis 1500 mg klinisch manifestiert. Die maximale Wiederaufnahme ist durch die Transportmechanismen im Darm begrenzt und liegt bei etwa 6 mg. Das bedeutet: Bei einem Patienten mit einem manifesten Eisenmangel würde man über eine Nahrungsumstellung oder eine orale Eisensubstitution etwa sechs bis zwölf Monate benötigen, um wieder physiologische Eisenmengen zu erreichen. Die orale Substitution dauert also nicht nur lange, sondern wird oft auch an der Compliance scheitern. Eine gute Möglichkeit zur schnellen und zuverlässigen Eisensubstitution bietet die intravenöse Gabe. Dabei gilt es zu be- achten: Intravenöses Eisen ist an Zuckermoleküle gebunden. Hierbei werden verschiedene Zucker wie Gluconat, Dextran, Sucrose und Carboxymaltose eingesetzt, die sich in ihren Eigenschaften und ihrer Therapiesicherheit unterscheiden. Wegen des Risikos von anaphylaktischen Reaktionen sollte man dextranhaltige Präparate heute vermeiden, so Anker. Ansonsten könne die intravenöse Eisentherapie mit modernen Eisenpräparaten als sicher angesehen werden. Mit oder ohne Anämie – alle profitieren Zu den Studien, in denen die Effektivität und die Sicherheit der intravenösen Substitution mit Eisencarboxymaltose gezeigt wurden, zählte die von Anker als Erstautor publizierte FAIR-HF-Studie, in der Patienten mit symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz und Eisenmangel (mit oder ohne Anä- mie) entweder einmal wöchentlich mit dem intravenösen Eisenpräparat oder mit Plazebo behandelt wurden (1). Bereits nach vier Wochen war ein Vorteil für die Verumgruppe nachweisbar, und in der Auswertung nach 24 Wochen wurde ein signifikanter Vorteil der intravenösen Eisensubstitution für beide primären Endpunkte – Symptomreduktion und Verbesserung der Lebensqualität – bestätigt. In der CONFIRM-HF-Studie, einer weiteren Studie zur Substitution mit Eisencarboxymaltose, konnte zudem gezeigt werden, dass auch die körperliche Leistungsfähigkeit, die hier mittels 6-Minuten-Gehtest erfasst wurde, langfristig gebessert werden konnte (2). Diese Effekte wurden in den Subgruppen mit und ohne Anämie gleichermassen beobachtet, wie Anker hervorhob: «Für die Diagnose eines Eisenmangels braucht man kein Hämoglobin, auch nicht für das Follow-up.» Die Therapie funktioniert, weil sie die leeren Speicher auffüllt. Unabhängig von der Existenz einer Anämie und dem Hämoglobinwert wirkt sich das auf viele andere energieintensive Prozesse aus. Das gelte nicht nur für die Funktion der Skelettmuskulatur, sondern auch für die Nierenfunktion, so Anker weiter. Eine aktuelle Auswertung der FAIR-HF-Studie hat denn auch eine Verbesserung der Nierenfunktion unter der intravenösen Eisensubstitution bestätigt (3). Letztlich wurde auch die Langzeitprognose der Patienten gebessert, wie beispielsweise in der CONFIRM-HF-Studie anhand der im Vergleich zu Plazebo reduzierten Hospitalisierungsrate gezeigt werden konnte (2). 16 Kardiologie • Mai 2015 CongressSelection Für Patienten mit Herzinsuffizienz zählen Eisenparameter zur Standarddiagnostik Auch in der europäischen Leitlinie zum Management der Herzinsuffizienz wird den aktuellen Erkenntnissen zur Bedeutung des Eisenmangels Rechnung getragen. So wird die Messung von Eisenparametern wie Ferritin als Standard für die Diagnostik bei Patienten mit Verdacht auf Herzinsuffizienz empfohlen (4). Bei entsprechendem Nachweis eines Eisenmangels sollte eine Eisensubstitution erwogen werden, so die Leitlinie weiter. Damit die Eisensubstitution in der Praxis eine sichere Massnahme bleibe, sei auch ein entsprechendes Monitoring der Eisenwerte sinnvoll, betonte Anker: In der Initialphase wird der Eisenmangel korrigiert. Nach 3 bis 6 Monaten sollten die Eisenwerte kontrolliert werden. Nur dann, wenn immer noch ein Eisenmangel nachweisbar sei, werde auch die Substitution fortgesetzt, sagte Anker: «Das ist eine biomarkergesteuerte Therapie.» Eine Eisengabe auf ewig ist also ebenso nicht mehr zeitgemäss wie die Nichtbeachtung vorhandener Eisendefizite. Adela Žatecky Quelle: Vortrag «Comorbidities in heart failure: what a clinician should know» beim Cardiology Update, 8. bis 12. Februar 2015 in Davos. Referenzen Seite 18 Teetrinkende Vegetarier – eine Risikogruppe für Eisenmangel An der Entwicklung eines Eisenmangels sind sowohl Nahrungsaufnahme als auch Lifestylefaktoren wesentlich beteiligt. Besonderes Augenmerk sollte man auf die Teetrinker richten, so Anker. Wirklich problematisch ist die Tasse Schwarztee zum Dessert. Denn bereits 150 ml dieses Getränks, in- nerhalb einer Stunde nach dem Essen konsumiert, reduzieren die Eisenre- sorption um 75 bis 80 Prozent. Als Empfehlung an die notorischen Teetrinker unter den Eisenmangel- patienten hilft nicht nur eine längere Pause zwischen Nahrungs- und Tee- aufnahme, sondern auch der Wechsel auf andere, weniger resorptions- bremsende Teesorten. Nur halb so hemmend wie Schwarztee wirken grüner Tee und Pfefferminztee auf die Eisenaufnahme, und Kräutertees haben nur ein Drittel der Hemmwirkung. Noch besser wäre unter diesem Blickwinkel der Wechsel auf Orangensaft, denn der verbessert die Eisenresorption. Natürlich gibt es auch Unterschiede beim Eisengehalt der Nahrungsmittel. Doch dass diese Unterschiede nicht nur quantitativ, sondern auch qualita- tiv sind, wissen wiederum viele Konsumenten nicht. So liegt das Eisen in Fleisch als Hämeisen vor, in pflanzlichen Nahrungsquellen dagegen als Non- Hämeisen. Für diese unterschiedlichen Eisenverbindungen gibt es im menschlichen Darm auch unterschiedliche Rezeptoren. Die Aufnahme von Hämeisen, also von Eisen aus tierischen Nahrungsmitteln, erfolgt etwa drei- mal effektiver als die Aufnahme von Non-Hämeisen, so Anker: «Das be- deutet, wenn Sie ein teetrinkender Vegetarier sind, dann haben Sie ein ech- tes Problem.» Das ist auch der Grund, warum der Eisenmangel in Indien so weit verbreitet ist. Doch da auch in Europa die Zahl der Teetrinker, der Ve- getarier und der teetrinkenden Vegetarier wächst, gewinnt die alimentäre Problematik der Eisenversorgung auch in unseren Breiten an Bedeutung, so Anker. az Herzinsuffizienz: Herzen von Dicken schlagen länger V ergessen Sie alles, was Sie über gesunde und junge Menschen gelernt haben. Mit solchen Menschen haben Sie es nicht zu tun, wenn Sie chronisch kranke, ältere Patienten mit Herzinsuffizienz vor sich haben», betonte Prof. Dr. Dr. Stefan D. Anker von der Universitätsmedizin Göttingen. Nach seiner Erfahrung muss der Ernährungszustand bei solchen Patienten – und damit auch ihr Body-Mass-Index (BMI) – völlig anders bewertet werden. Nach den vorliegenden Studiendaten haben hier keinesfalls die Schlanken die beste Prognose; vielmehr gilt das Prinzip «bigger lives longer». Zu den Studien, die zu diesem überraschenden Ergebnis kamen, gehört die PROactive-Studie: Es wurde die Mortalität BMI und Prognose nach Schlaganfall 80 70 Gesamtmortalität Weiterer Schlaganfall oder Tod Heimeinweisung oder Tod Hohe Pflegebedürftigkeit oder Tod 60 50 p < 0,01 40 30 20 10 0 BMI kg/m2 von Typ-2-Diabetikern mit kardiovaskulärer Komorbidität in Abhängigkeit von ihrem BMI untersucht. Die niedrigste Gesamtmortalität wiesen hier Patienten mit einem BMI im Bereich von 30 bis 35 kg/m2 auf (1). Ein ähnliches Ergebnis fand sich in der Studie TEMPiS bei Patienten nach Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke: Die besten Überlebensraten, die niedrigsten Wahrscheinlichkeiten für einen weiteren Schlaganfall oder eine Heimeinweisung fanden sich bei Patienten mit einem BMI oberhalb von 35 kg/m2 (2). Um die Angelegenheit in Zukunft etwas differenzierter zu betrachten, empfiehlt Anker für diese Patienten die folgenden Faustregeln: Muskelmasse entspricht Fitness und Lebensqualität. Aber: Muskel- und Fettmasse entsprechen einem verbesserten Überleben. «Wenn ich mich festlegen sollte, dann würde ich sagen: Fett ist für das Überleben wichtiger als Muskelmasse», so Anker weiter. Dafür gibt es heute, wie er betonte, eine klare epidemiologische Evidenzlage. Adela Žatecky Referenzen: 1. Doehner W et al. Inverse relation of body weight and weight change with mortality and morbidity in patients with type 2 diabetes and cardiovascular co-morbidity: an analysis of the PROactive study population. Int J Cardiol. 2012; 162 (1): 20–26. 2. Doehner W et al. Overweight and obesity are associated with improved survival, functional outcome, and stroke recurrence after acute stroke or transient ischaemic attack: observations from the TEMPiS trial. Eur Heart J 2013; 34: 268–277. Quelle: Vortrag «Comorbidities in heart failure: what a clinician should know» beim Cardiology Update, 8. bis 12. Februar 2015 in Davos. Ereignisrate (%) < 18,5 18,5–25 25–30 30–35 > 35 < 18,5 18,5–25 25–30 30–35 > 35 < 18,5 18,5–25 25–30 30–35 > 35 < 18,5 18,5–25 25–30 30–35 > 35 nach Doehner W. et al. EHJ 2013
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Referenzen: 1. Anker SD et al. Ferric carboxymaltose in patients with heart failure and iron deficiency. N Engl J Med 2009; 361: 2436–2448. 2. Ponikowski P et al. Beneficial effects of long-term intravenous iron therapy with ferric carboxymaltose in patients with symptomatic heart failure and iron deficiency. Eur Heart J 2014, online first, doi: 10.1093/eurheartj/ehu385. 3. Ponikowski P et al. The impact of intravenous ferric carboxymaltose on renal function: an analysis of the FAIR-HF study. Eur J Heart Fail 2015, online first, doi: 10.1002/ejhf.229. 4. McMurray JJ et al. ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. Eur Heart J 2012; 33: 1787–1847
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