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Refluxkrankheit als diagnostische und therapeutische Herausforderung
Gastroösophagealer Reflux ist sehr häufig und wird in der Regel mit einer antisekretorischen Therapie behandelt. Auch wenn diese bei den meisten Patienten zu einer Besserung der Symptome führt, weist das pathophysiologische Verständnis der Erkrankung doch immer noch Lücken auf.
P ublizierte Algorithmen für die Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit sind kompliziert und in der Praxis oft schwer umsetzbar. «Ich muss gestehen,
Leider hilft auch der diagnostische Einsatz von PPI nicht weiter. Allein das Verschwinden der Symptome nach Einnahme eines PPI sagt nämlich noch nichts über deren Ursache oder
dass ich mir dieses Schema nach der Publikation nie wieder deren Natur. Die Aussagekraft des PPI-Tests wurde in der Dia-
angesehen habe», sagt Dr. med. Pali Hungin von der Durham mond-Studie untersucht und negativ bewertet. Hungin: «An-
University, einer der Autoren einer evidenzbasierten Leitlinie sprechen auf einen PPI bedeutet, dass der Patient auf PPI an-
zu diesem Thema (1). Das zeige, wie schwierig es sei, praxis- spricht – und nicht, dass das Problem GERD heisst.» Da es
taugliche Empfehlungen für diese Erkrankung zu entwickeln. dem Patienten jedoch vorwiegend um seine Symptome geht,
Das Problem beginne mit der Definition der gastroösopha- werden PPI in grosser Menge verwendet. Geschätzte 0,5 bis
gealen Refluxkrankheit (GORD oder GERD). Diese Diagnose 1,5 Prozent der europäischen Bevölkerung nehmen diese
basiere, so Hungin, auf Symptomen, die vermeintlich infolge Medikamente dauerhaft ein. Rechnet man die billigeren
eines Refluxes von Mageninhalt in den Ösophagus entstün- H2-Rezeptor-Antagonisten dazu, kommt man auf bis zu 5 Pro-
den (2). In der Klinik wisse man allerdings in vielen Fällen zent der Gesamtpopulation, die dauerhaft eine Suppression
nicht, wie verlässlich die Angaben zur Symptomatik seien und der Magensäure betreiben. Gleichzeitig klagen jedoch bis zu
ob diese tatsächlich von Reflux verursacht werde, so Hungin. 50 Prozent der Langzeit-PPI-Anwender nach wie vor über
Auch korrelierten mögliche Komplikationen nicht immer mit GERD-Symptome (6). Eine Studie mit 200 Patienten unter PPI
der Symptomatik.
ergab, dass nur 14 Prozent dieser Population symptomfrei
Prävalenz von gastroösophagealem Reflux stark steigend
waren. Allerdings war ein saurer Reflux nur bei einer kleinen Minderheit der Betroffenen der Grund für die Beschwerden. Die meisten hatten mit nicht saurem Reflux zu kämpfen oder
Diese Fragen sind von hoher praktischer Relevanz. Denn die zeigten Symptome, die überhaupt nichts mit Reflux zu tun
Refluxkrankheit oder zumindest die dazu passende Sympto- hatten (7). Hungin: «Wie können wir also von Refluxkrankheit
matik betrifft immer mehr Menschen. In
«den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl
der Betroffenen beispielsweise in Norwe-
Ansprechen auf einen PPI bedeutet, dass der
gen um fast die Hälfte gestiegen. Laut Daten der HUNT-Studie leiden dort mehr als 15 Prozent der Menschen mindestens einmal pro Woche unter Refluxsympto-
Patient auf PPI anspricht – und nicht, dass das
Problem GERD heisst.»
men. Diese Zahlen dürften auch für an-
dere europäische Länder gelten (3). «Kann unser intellektu- sprechen, wenn die Symptomatik in den meisten Fällen über-
elles Verständnis dieser Entwicklung standhalten?», fragt haupt nichts mit Reflux zu tun hat?»
Hungin. Studiendaten der vergangenen Jahre signalisieren eher das Gegenteil. So konnten in der Diamond-Studie nur bei
Empirische Therapie mit PPI
66 Prozent der vom Allgemeinmediziner dia-gnostizierten Hinsichtlich der Wirksamkeit der PPI konnte in Studien ge-
GERD-Patienten die Diagnosen nach fachärztlicher Abklärung zeigt werden, dass sie sehr gut wirken, wenn es um das Ab-
bestätigt werden. Und von jenen Patienten, die tatsächlich heilen einer Ösophagitis geht, dabei aber nicht unbedingt ei-
GERD hatten, gaben nur 49 Prozent Sodbrennen oder Auf- nen ebenso markanten Effekt auf die Symptomatik entwickeln
stossen als markanteste Symptome an (4). Hungin: «Das ist (8). Demnach liege die Domäne der PPI eher bei der erosiven
ein alarmierendes Ergebnis. Es sagt uns, dass die klinische Ösophagitis als beim typischen Sodbrennen, das eher auf
Diagnose GERD nicht verlässlich ist.» Eine im Rahmen der eine funktionelle gastrointestinale Störung zurückgehe (9).
UEG-Week 2014 in Wien vorgestellte Studie dürfte die Dis- Dennoch sei der Therapieversuch mit PPI bei Refluxbe-
kussion weiter anheizen (5). Sie zeigt, dass die Symptome, schwerden sinnvoll. Allerdings müsse man, so Hungin, bei
die Ärzte im Patientengespräch zu hören glauben, nicht die Nichtansprechen weiterführende diagnostische Schritte ma-
Symptome sind, die die Patienten meinen, und es dabei noch chen. Infrage kommen vor allem die pH-Metrie und die intra-
erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern luminale Impedanzmessung, wobei Letztere auch die Quanti-
gibt. «Wir haben uns so in unserer Terminologie verschanzt, fizierung von nicht saurem Reflux erlaubt. Obwohl Hungin
dass wir uns von dem abkoppeln, was die Patienten tatsäch- klarstellt, dass ein einfacher Algorithmus für alle Patienten
lich angeben», sagt Hungin.
mit GERD oder den zugehörigen Symptomen nicht möglich
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Managementalgorithmus bei GERD
Refluxkrankheit/GERD
Lebensstilberatung Antazida/Alginate
Medikamentöse Behandlung (antisekretorische Therapie)
Erfolg
Kein Erfolg Teilerfolg
Langfristiges Management
Dosis erhöhen/aufteilen Zusätzliches antisekretorisches
Medikament Sphinktertonus? Hypersensitiver Ösophagus?
Acid-Pocket? Diagnose überprüfen Weiterführende Untersuchungen
Acid-Pocket: Verborgene Säure in der Cardia
Auf eine besondere Problemregion im Zusammenhang mit dem gastroösophagealen Reflux weist Prof. Dr. med. Kenneth McColl von der University of Glasgow hin: die Acid-Pocket. Dabei handelt es sich um eine Zone in der Cardia, die vom Puffereffekt einer Mahlzeit kaum erreicht wird und daher stark sauer bleibt. Sie enthält rund 70 ml Magensaft, der erhebliche Probleme verursachen kann. McColl: «Das erklärt, warum Refluxbeschwerden oft nach den Mahlzeiten am ausgeprägtesten sind, obwohl der gesamte Mageninhalt zu diesen Zeiten am wenigsten sauer ist.» Probleme bereitet die Acid-Pocket beispielsweise, wenn sie infolge einer Hiatushernie durch das Diaphragma nach oben gleitet und so leichter sauren Reflux verursachen kann. Darüber hinaus habe die Forschung der vergangenen Jahre gezeigt, dass es neben der «Säuretasche» auch einen «Säuremantel» gebe, dass nämlich der pH-Wert nach Mahlzeiten in der Nähe der Mukosa generell niedriger sei als tiefer im Magen – wenn auch nicht so niedrig wie in der AcidPocket. Das habe therapeutische Implikationen. Es stelle sich die Frage, ob es in allen Fällen sinnvoll sei, den pH-Wert im gesamten Magen anzuheben, wenn es beim Reflux um ein eher lokales Problem gehe. Die Konzentration auf die Acid-Pocket eröffne neue Wege in der Behandlung gastroösophagealer Beschwerden. Um das zu erreichen, gibt es zwei Wege: Einer führt über die Erhöhung der Magenmotilität, was zu einer besseren Durchmischung des Mageninhalts führen soll. Diese Strategie wurde in kleinen Studien untersucht, in denen es beispielsweise gelang, durch Azithromycin den Säuregehalt des Refluxes zu reduzieren (15). Ein bereits heute gangbarer Weg ist der Einsatz von Alginaten, die auf der Acid-Pocket wirken. Sie entsprechen diesen Anforderungen, da sie im Gegensatz zu den Antazida auf Aluminium- oder Magnesiumbasis auf dem Mageninhalt schwimmen. Tatsächlich wurde für Alginate gezeigt, dass sie den Reflux hemmen und somit die postprandiale Säureexposition des Oesophagus mindern können (16).
Reb
ist, schlägt er doch ein sehr klares Konzept für das Management unkomplizierter Patienten vor. Dieses beginnt mit Lebensstilberatung und dem Einsatz von Antazida beziehungsweise Alginaten. Bringt das nicht den gewünschten Erfolg, soll eine Reduktion der Säureproduktion erfolgen. Substanz der Wahl wird in der Regel ein PPI sein. Ist das ebenfalls nicht erfolgreich, hat man es nicht mit einem unkomplizierten Patienten zu tun. Eine Variation der PPI-Dosierung und der Einnahmefrequenz kann ebenso indiziert sein wie eine umfangreiche weiterführende Diagnostik. Dabei sei es alles in allem sinnvoll, den Begriff GERD zu verlassen und lieber von Sodbrennen oder Symptomen des oberen Gastrointestinaltrakts zu sprechen, als mit wenig verlässlichen Diagnosen zu hantieren.
Bessere Symptomkontrolle und Schleimhautheilung Prof. Dr. med. Carmelo Scarpignato, Universität Modena, unterstreicht jedoch, dass eine antisekretorische Therapie bei den meisten Patienten mit Refluxsymptomen oder Symptomen des oberen Gastrointestinaltrakts ausreichend ist. Seit den Achtzigerjahren wisse man, dass die Last der gastroösophagealen Beschwerden mit der Säureexposition im Ösophagus direkt korreliere (10). Scarpignato: «Wir haben zwei Klassen von Medikamenten, die die Säureproduktion im Magen reduzieren, die H2-Rezeptor-Antagonisten und die Protonenpumpeninhibitoren. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihres Wirkmechanismus, aber der Effekt ist letztlich der gleiche.» Allerdings haben sich die PPI in mehrfacher Hinsicht als überlegen erwiesen. Sie sind besser in der Symptomkontrolle, ermöglichen eine bessere Abheilung der Schleimhaut und eignen sich auch besser für eine Erhaltungstherapie (11). Sie reduzieren aber nur die Säurebelastung, nicht jedoch den Reflux. Dementsprechend haben sie sich auch in Studien als äusserst effektiv gegen Sodbrennen erwiesen, während die Wirksamkeit gegen Regurgitation zwar vorhanden, aber deutlich weniger ausgeprägt ist (12). Bei der Refluxösophagitis zeigen Studiendaten Heilungsraten von je nach Substanz bis zu 90 Prozent (13).
Wenn die Patienten nicht ansprechen … Eine besondere Patientengruppe stellen Personen mit nicht erosiver Refluxkrankheit (NERD) dar. Allerdings habe NERD, wie Scarpignato betont, keine einheitliche Pathologie. Rund 42 Prozent der Betroffenen leiden unter einer «echten NERD» mit Auffälligkeiten in der pH-Metrie. Der Rest teilt sich auf in Personen mit hypersensitivem Ösophagus (teils auf Säure, teils auch auf nicht sauren Reflux) und und solche mit funktionalem Sodbrennen. Echte NERD und NERD infolge eines säuresensitiven Ösophagus sprechen gut auf PPI an (14). Reagieren Patienten mit gastroösophagealen Symptomen nicht auf eine Therapie mit PPI, kommen mehrere Ursachen infrage: Die antisekretorische Therapie kann zu wenig effektiv sein (was sich durch Dosiserhöhung, häufigere Einnahme oder die Kombination mit einem H2-Blocker korrigieren lässt), oder die Beschwerden haben ihre Ursache nicht im Reflux oder zumindest nicht im sauren Reflux.
Reno Barth
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Quelle: Symposium «Therapy update: GORD» im Rahmen der 22. UEGWeek, vom 18. bis 22. Oktober 2014 in Wien.
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