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Was tun bei schweren Entzündungsschüben?
Systemische Behandlung der atopischen Dermatitis
Kommt es bei der atopischen Dermatitis (AD) zu schweren Entzündungsschüben, hilft häufig nur noch eine systemische Therapie. Jede der zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten habe ihre Vor- und Nachteile, betonte Prof. Dr. med. Andreas Wollenberg vom Klinikum Grosshadern in München bei seinem kurzen Überblick.
K ortikosteroide: Systemische Kortikosteroide haben ein sehr ungünstiges Verhältnis von Risiko und Benefit. Er selbst habe seit 7 Jahren wegen potenzieller Nebenwirkungen keinen AD-Patienten mehr mit systemischen Kortikosteroiden behandelt. Allerdings kann in Ausnahmefällen eine Kurzzeitbehandlung (bis zu 1 Woche) eine Option für akute und schwere Entzündungsschübe bei Erwachsenen sein.
Ciclosporine: Die einzigen in der EU zugelassenen systemischen Medikamente zur Behandlung der AD sind Ciclosporine. «Wenn es keine guten Gründe gibt, sie nicht zu nehmen, sind diese Medikamente erste Wahl», so Wollenberg. Tatsächlich besitzen Ciclosporine einen schnellen Wirkeintritt. Allerdings sind langfristig Nierenschädigungen möglich, sodass der langfristige Einsatz Limitationen zeigt. Deshalb sollten die Serumkreatininwerte beziehungsweise eine potenzielle Mikroproteinuire im Auge behalten werden. Bei Schwangerschaft ist die Einnahme von Ciclosporin sicher und «schon tausendfach geschehen», betonte Wollenberg, es seien keine relevanten CyA-Levels im fötalen Blut nachzuweisen. Auch Kinder können behandelt werden. Empfohlen wird eine tägliche Dosierung von 2,5 bis 3,5 mg/ kg, die bis auf maximal 5 mg/kg erhöht werden kann. Eine Kombination mit UV-Therapie
ist dagegen kontrainduziert. Auch sollten mögliche Interaktionen mit zahlreichen Substanzen bedacht werden. So senken folgende Stoffe die Blutkonzentration von Ciclosporin: Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, Metamizol, Rifampicin, Nafcillin, Octreotid, Proburcol, Ticlopidin, Terbinafin, Troglitazon, Sulfinpyrazon, Sulfadiamidin, Trimethoprim oder Johanniskrautpräparate. Folgende Substanzen erhöhen die Blutspiegel von Ciclosporin: Ketoconazol, Fluconazol, Itraconazol, Doxycyclin, hormonelle Verhütungsmittel, Propafenon, Methylprednisolon, Metoclopramid, Danazol, Allopurinol, Amiodaron, Cholsäurederivate und Imatinib sowie Makrolidantibiotika, Proteaseinhibitoren und Kalziumkanalblocker.
Methotrexat: Methotrexat besitzt einen langsamen Wirkungseintritt, ist jedoch – im Off-label-use – als orales Langzeitmedikament einsetzbar. Allerdings sollten eine mögliche Lebertoxizität beachtet und die Transaminasen kontrolliert werden. Zudem ist eine Schwangerschaft wegen teratogener Effekte strikt kontrainduziert. Ist eine Behandlung mit Ciclosporin nicht möglich, sei Methotrexat eine Second-Line-Option.
Mycophenolat: Für den Off-label-Einsatz von Mycophenolat zur Behandlung der AD bestehen geringere klinische Studien und Erfahrungen. Das Immunsuppressivum ist weniger effektiv als Ciclosporin, wird aber besser toleriert als zum Beispiel Azathioprin. Gastrointestinale Nebenwirkungen (Nausea, Diarrhö) sowie Leukopenie und Thrombopenie sind möglich (Laborkontrolle). Wird Mycophenolsäure (MPA) nicht vertragen, kann auf Mycophenolat-Mofetil (MMF) gewechselt werden; wird umgekehrt MMF nicht toleriert, kann MPA getestet werden. Bei Schwangerschaft darf Mycophenolat-Mofetil (MMF) nicht eingesetzt werden.
Alitretinoin: Das antiinflammatorisch und antiproliferativ wirkende Alitretinoin kombiniert die Eigenschaften von Retinoiden (Isotretinoin, Acitretin) und Rexinoiden (Bexaro-
tene) und werde von ihm hauptsächlich bei Patienten mit starken Handekzemen eingesetzt, erklärte Wollenberg. Es seien die sehr kurze Halbwertszeit von nur 2 bis 10 Stunden sowie die Teratogenität der Substanz zu beachten, weshalb es niemals bei einer Schwangerschaft verwendet werden dürfe.
Biologika: Bei Patienten mit sehr schwerer AD und erfolgloser topischer und konventioneller systemischer Behandlung könne eine Therapie mit Biologika in Erwägung gezogen werden (Omalizumab, Rituximab, Alefacept). Allerdings steckten solche Therapien noch «in den Kinderschuhen» und würden derzeit noch nicht empfohlen, so Wollenberg. Am weitesten fortgeschritten unter den vielen neuen Biologika (Phase III kurz vor Start) sei der gegen IL 4 gerichtete monoklonale Antikörper Dupilumab, der bei der Reduktion der Entzündungen bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis sehr gute Ergebnisse zeige. Interessanterweise wiesen in einer Studie die Teilnehmer der Plazebogruppe signifikant mehr Hautinfektionen auf als die der Verumgruppe. Zudem konnte gemäss einer kleineren Untersuchung die Wirksamkeit von Dupilumab in Kombination mit topischen Steroiden noch erhöht werden. Einen anderen Wirkmechanismus besitzen monoklonale IL-31 Antikörper, die ebenfalls derzeit intensiv beforscht werden. Es scheint, dass sie die Fähigkeit besitzen, speziell gegen den extremen Juckreiz bei atopischer Dermatitis zu wirken. Tatsächlich bestätigen neue Studien diese antipruritiven Eigenschaften. Insgesamt sei gerade in Hinblick auf die neuen Biologika für die Zukunft noch einiges zu erwarten, betonte Wollenberg.
Klaus Duffner
Quelle: Session: «Current and emerging treatment options for atopic dermatitis», Vortrag: «Clinically proven and emerging systemic treatment options for AD». 23. Kongress der European Academy of Allergology and Venereology (EADV), Amsterdam, 8. bis 12. Oktober 2014.
Dermatologie • Januar 2015
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