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Tätowierungen: Vorsicht vor kontaminierten Farben
Infektionen und Allergien als mögliche Komplikationen unterschätzt
Tätowierungen sind in Mode: Rund 100 Millionen Europäer besitzen einen solchen Körperschmuck. Dass die dafür verwendeten Tinten immer wieder mit Bakterien verseucht sind und dadurch böse Infektionen ausgelöst werden können, ist vielen nicht bewusst. Prof. Dr. med. Jörgen Serup aus Kopenhagen machte am EADV auf diese Gefahren aufmerksam.
S chon 1869 wurde in einem Fachbuch über Amputationen darauf aufmerksam gemacht, dass es französischen Matrosen verboten war, sich Tätowierungen stechen zu lassen. Dies aus gutem Grund, denn die Seeleute liessen sich gerne noch kurz vor der Ausfahrt von entsprechenden «Fachleuten» in den Häfen einen Anker oder eine leicht bekleidete Seejungfrau auf den Oberarm ritzen. Wenn
sich solche Wunden dann auf hoher See infizierten, wartete nicht selten das tiefe Seemannsgrab.
100 Millionen Europäer mit Tätowierung
Tatsächlich seien heute rund 100 Millionen
Europäer und 1 Milliarde Menschen welt-
weit tätowiert, berichtete am EADV Prof. Dr.
Jörgen Serup vom Bispebjerk-Universitäts-
Hospital in Kopenhagen. In den industriali-
Jörgen Serup
sierten Ländern sind das 15 bis 17 Prozent,
bei den Jüngeren sogar etwa ein Drittel der
Bevölkerung. «Sie sollten die Öffentlichkeit darüber informie-
ren, dass Tätowierungen nicht nur Glamour und Träume be-
deuten, sondern dass sie mit einigen Problemen verbunden
sein können», appellierte der Dermatologe an seine Kollegen.
Denn: «Wenn ich mir bei diesen Zahlen anschaue, wie viele
gegen Antibiotika resistente Keime heute existieren, ist es
Bakterieninfektion nach einer Tätowierung in London. Die Tinte war zuvor mit Leitungswasser verdünnt worden.
fast ein Wunder, dass wir noch keine epidemischen Ausmasse der Komplikationen haben.» Tatsächlich bestehen die Hauptrisiken beim Sich-Tätowieren-Lassen in bakteriellen Infektionen mit Sepsis oder aggressiven allergischen Reaktionen mit Anaphylaxie. Beides kann schnell zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Natürlich sind auch virale Infektionen durch unsauberes Arbeiten – vor allem Hepatitis B/C oder HIV – möglich. Wenn dann nach vielen Jahren die Erkrankungen ausbrechen und zum Tod führen, sind die eigentlichen Infektionsquellen oft kaum mehr zuzuordnen. Seltener, aber durchaus möglich, sind Infektionen mit Erregern wie Lepra, TB oder Syphilis. Serup berichtete von einem jungen Mann, der sich in London bei einem bekannten Tätowierer eine kleine lustige Walt-Disney-Figur auf den Arm hatte machen lassen. Innerhalb weniger Tage entzündete sich die Wunde, zusätzlich stellte sich eine allergische Reaktion ein. Aus dem lustigen Disney-Kerlchen wurde ein hässlicher Gesell auf dem Arm. Erst nach einem halben Jahr war die schmerzende Wunde vollständig abgeheilt. Weniger Glück hatte dagegen eine junge Mutter aus Mailand die drei Tage nachdem sie sich über ihr neues Tattoo gefreut hatte, an einer Sepsis verstarb.
Farben mit Staphylokokken kontaminiert Einige dieser Infektionen sind auf verunreinigte Farbstoffe zurückzuführen. In diesem Zusammenhang wurden in Kopenhagen in einer Studie 58 neue Tätowierungsfarben untersucht. Davon waren 10 Prozent (6 von 58) mit Bakterien – hauptsächlich Streptokokken – kontaminiert. «Das sind Bakterien, die Krankheiten und Tod hervorrufen können», warnte Serup. 42 Prozent der Farben (24 von 58) wurden offiziell als «steril» deklariert. Aber auch unter ihnen erwiesen sich 3 als kontaminiert. Rund die Hälfte der Produzenten gab ein Haltbarkeitsdatum von 2 bis 3 Jahren an. Bei einem Drittel der Farbstoffe waren überhaupt keine Angabe zu Inhalt, Sterilität oder Haltbarkeit zu finden, obwohl nach der Tätowiermittel-Verordnung von 2008 die Hersteller der Tinten verpflichtet sind, bestimmte Angaben zu machen. Neben den Bestandteilen der Farben müssen ein Mindesthaltbarkeitsdatum und die Verwendungsdauer nach dem Öffnen angegeben werden. Die dänischen Wissenschaftler wollten nun direkt von den Produzenten der Farbpigmente wissen, wie die Sterilität gewährleistet wird. Von 13 befragten Tintenherstellern reagierten nur 2 auf die Anfrage. Sie erklärten, dass die Flüssigkeiten mit Gammastrahlung sterilisiert würden.
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Infektion mit Krustenbildung auf dem Rücken dieser «Eidechse».
Durch eine Tätowierung verursachte pseudoepitheliomatöse epidermale Hyperplasie.
In der Realität beziehen Amateure solche Tinten häufig über das Internet. Die Fläschchen werden in Asien, speziell in China, produziert und über skrupellose Händler weiter vertrieben.
Starke allergische Reaktionen Es können sowohl Bakterieninfektionen als auch starke allergische Reaktionen gegen die Farbpigmente hervorgerufen werden. Die Entzündungen reichen mitunter tief in die Haut, nicht selten kommt es dann zu groben Ulzerationen, epidermalen Hyperplasien oder Nekrosen. Nachdem bei einem Patienten eine dieser sehr tiefen Wunden operativ ausgeschabt worden war, dauerte es noch ein volles Jahr bis zur definitiven Heilung. Auch eine Ausbreitung der immunologischen Prozesse ist möglich, sodass von Tätowierungen gar nicht betroffene gesunde Hautareale plötzlich allergisch reagieren. In einem Fall musste einem Mann ein Bein amputiert werden, weil seine Wunde nicht heilen wollte und sich die allergischen autoimmunologischen Prozesse auf das angrenzende Gewebe und die Gliedmassen ausgebreitet hatten. So musste der Mann seinen Wunsch nach einer Tätowierung mit einer kompletten Invalidität bezahlen.
Kein erhöhtes Hautkrebsrisiko Allerdings sind solche extremen Fälle selten. Obwohl viele Farben mit Bakterien verseucht sind, kommt es zu weniger als 1 Infektion auf 1000 Tätowierungen. Trotzdem seien gerade die Internetprodukte und die resistenten Staphylokokken ein permanentes Risiko, so das Fazit von Serup. Dagegen scheint das Karzinomrisiko nach heutigem Kenntnisstand nicht erhöht zu sein. Weder unter den Melanoma noch den Basalzellkarzinomen ist eine überdurchschnittliche Zunahme nach Tätowierungen zu beobachten. Derzeit werden neue Regularien für Tätowierungen erarbeitet. Sie werden bei der kommenden Tagung der European Society of Tattoo and Pigment Research (ESTP) im April 2015 in Brügge vorgestellt.
Klaus Duffner
Quelle: «Tattooing and life-threatening hazards», Vortrag im Rahmen des Symposiums «Emergency dermatology». 23. EADV-Kongress, 10. Oktober 2014 in Amsterdam.
Allergische Prozesse gegen die Farbpigmente können Wunden verursachen, die nur schwer abheilen. (Alle Abbildungen: Serup)
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