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Relapserisiko deutlich senken
Einsatz von topischen Therapeutika bei atopischer Dermatitis
Bei gefährdeten Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) reduziert eine intensive tägliche Behandlung mit Emollienzien die Notwendigkeit von aktiven Therapien erheblich. Aber auch eine proaktive Behandlung mit topischen Kortikosteroiden oder Calcineurininhibitoren kann bei chronischer atopischer Dermatitis die Anzahl der Flares deutlich reduzieren.
B ereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass bei AD durch Gendefekte wichtige Strukturproteine nicht gebildet werden und dadurch die Schutzfunktion der Haut erheblich beeinträchtigt ist. Als ein zentrales Element der epidermalen Hautbarriere wird ein Filaggrinprotein angesehen (1). Die Beeinträchtigung von dessen Funktion sei ein wichtiger prädisponierender Faktor für die Entwicklung der Erkrankung, sagte in Amsterdam Dr. med. Mette Sondergaard Deleuran vom Aarhus University Hospital in Dänemark. So sei auch bei asymptomatischen Kindern mit einer solchen Filaggrinmutation ein höherer transepidermaler Wasserverlust festzustellen. «Und das ist eine sehr wichtige Botschaft», so die Dermatologin, «die Hautbarriere leidet, obwohl noch überhaupt keine Ekzeme aufgetreten sind.» Umgekehrt stellt sich die Frage, warum zwar alle AD-Patienten eine gestörte Hautbarriere besitzen, aber eine Filaggrinmutation längst nicht bei allen vorliegt. Tatsächlich sind nicht nur die Defekte des eigentlichen Filaggringens für die Herunterregulierung von dessen Expression verantwortlich, sondern auch eine Reihe entzündungsfördernder Zytokine, wie zum Beispiel IL22, IL17A, IL25 oder TNF-alpha.
Emollienzien
• reduzieren die Notwendigkeit einer aktiven Behandlung
• sollten jeden Tag eingesetzt werden • beugen Ekzemausbrüchen vor und stärken
die Hautbarriere • sollten keine giftigen oder allergen wirken-
den Substanzen enthalten.
Prävention durch Emollienzien Ist es möglich, mit diesem Wissen gefährdete Menschen präventiv zu schützen? In einer Studie wurden 22 Säuglinge mit sehr hohem AD-Risiko vorbeugend täglich mit Emollienzien behandelt (2). Ergebnis: Nur 3 von 20 Kindern entwickelten während des Behandlungszeitraums von 11/2 Jahren eine atopische Dermatitis. Zwar sei diese Studie ohne Kontrollgruppe durchgeführt worden, aber möglicherweise könne eine sehr frühe präventive Behandlung solcher Babys tatsächlich vor der Entwicklung einer AD bewahren, so die dänische Expertin. Auf jeden Fall sei dies «eine sehr interessante Idee». In einer weiteren Untersuchung wurden 173 an atopischen Ekzemen leidende Kleinkinder unter 12 Monaten nach Bedarf mit topischen Kortikoiden behandelt (3). Die Hälfte der Kleinen erhielt jedoch zusätzlich über 6 Wochen 2-mal pro Tag eine Feuchtigkeitscreme auf die nicht ekzematösen Hautareale. Durch diese zusätzliche Behandlung reduzierte sich die Menge der Kortikosteroide bei ihnen um 42 Prozent, berichtete Deleuran. Allerdings solle man bei der Wahl der Produkte vorsichtig sein, denn manche dieser Emollienzien besitzen ihrerseits ein allergenes Potenzial.
Topische Kortikoidbehandlung Nicht wenige Eltern entwickeln eine regelrechte Phobie gegenüber einer Kortikoidtherapie bei ihren Kindern. Entsprechend nimmt die Adherence mit zunehmender Therapiedauer ab (4). Umso wichtiger sei ein ausführliches Informationsgespräch, bei dem auch die richtige Anwendung der Produkte zur Sprache kommen sollte. So würden viele Patienten zu wenig Kortikoidsalbe verwenden, so Deleuran. Die Einheit «Fingerkuppe» sei nicht nur ein kleiner Punkt, sondern reiche vom distalen Interphalangeal-Gelenk bis zum äussersten Ende des Fingers. Diese Menge entspricht rund 0,5 Gramm und deckt die Fläche einer Erwachsenenhand ab. Wenn mit der richtigen Menge behandelt werde, sei eine topische Kortikoidbehandlung bei chronischen atopischen Ekzemen sehr effektiv. So wurde in einer Studie mit 348 AD-Patienten (231 Kinder, 117 Erwachsene) über knapp 1 Jahr 2-mal die Woche entweder mit dem Glukokortikoid Fluticason oder Plazebo behandelt (5). Ergebnis: Teilnehmer der Verumgruppe besassen ein 7,7-mal geringeres Risiko, einen AD-Relapse zu entwickeln, als
solche unter Plazebo. Gleichzeitig sei keine Hautverdünnung oder Atrophie zu beobachten gewesen, so die dänische Dermatologin. Ähnliche Ergebnisse sind mit Calcineurininhibitoren erzielt worden. So betrug in einer Studie mit 250 Patienten bei den mit Tacrolimus behandelten AD-Betroffenen die mittlere Zeit bis zum ersten Ekzemflare 142 Tage, während in der unbehandelten Kontrollgruppe bereits nach 15 Tagen der erste Rückfall auftrat (p < 0,001) (6). Unlängst wurden in einem systematischen Review noch einmal die Vorteile solcher proaktiven Therapien aufgeführt (7), laut Deleuran eine «starke Message» dafür, durch regelmässige Behandlungen die Menge der Flares deutlich zu reduzieren. Denn eine auf die Remission folgende Erhaltungstherapie sei ein integraler Bestandteil einer nachhaltigen Strategie für die Behandlung der atopischen Dermatitis. Klaus Duffner Referenzen: 1. Palmer CN et al. Common loss-of-function variants of the epidermal barrier protein filaggrin are a major predisposing factor for atopic dermatitis. Nat Genet. 2006; 38: 441–446. 2. Simpson et al. A pilot study of emollient therapy for the primary prevention of atopic dermatitis. JAAD; 2010; 63 (4); 587–593. 3. Grimalt R et al. The steroid-sparing effect of an emollient therapy in infants with atopic dermatitis: a randomized controlled study. Dermatology 2007; 214 (1): 61–67. 4. Carroll et al. Adherence to topical therapy decreases during the course of an 8-week psoriasis clinical trial: commonly used methods of measuring adherence to topical therapy overestimate actual use. J Am Acad Dermatol 2004; 51: 212–216. 5. Hanifin J et al. Intermittent dosing of fluticasone propionate cream for reducing the risk of relapse in atopic dermatitis patients. Br J Dermatol. 2002; 147 (3): 528–537. 6. Wollenberg A et al. Proactive treatment of atopic dermatitis in adults with 0.1% tacrolimus ointment. Allergy 2008; 63 (7): 742–750. 7. Tang TS et al. Are the concepts of induction of remission and treatment of subclinical inflammation in atopic dermatitis clinically useful? J Allergy Clin Immunol. 2014; 133: 1615–1625. Quelle: Session: «Current and emerging treatment options for atopic dermatitis», Vortrag: «Topical treatment options for inflammation and skin barrier dysfunction in AD», 23. Kongress der European Academy of Allergology and Venereology (EADV), Amsterdam, 8. bis 12. Oktober 2014. 8 Dermatologie • Januar 2015