Transkript
CongressSelection
Dem Einfallsreichtum der Erreger Paroli bieten
Therapie rezidivierender bakterieller Hautinfektionen
Seit der Veröffentlichung der ersten kontrollierten Studie zur Wirksamkeit einer antibakteriellen Therapie beim Erysipel (mit dem Sulfonamid Prontosil) sind mehr als 70 Jahre vergangen. Und Gerhard Domagk erhielt dafür 1939 den Nobelpreis. Inzwischen haben gramnegative wie auch grampositive Keime aufgerüstet und unter dem Selektionsdruck vielfältige Resistenzmechanismen entwickelt, sodass es immer wieder zu lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen kommt. Am SGDV-Kongress gab Prof. Dr. med. Stefano Bassetti, Olten, einen Überblick zur Therapie rezidivierender bakterieller Hautinfektionen.
Einleitend erläuterte der Referent, dass in den USA das Erysipel und die Zellulitis «in einen Topf geworfen werden», obwohl erhebliche Unterschiede bestehen:
Beim Erysipel handelt es sich um eine oberflächliche Hautin-
fektion, von der auch das Lymphsystem betroffen ist, aber
ohne Beteiligung des subkutanen Gewe-
bes. Als Erreger stehen b-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (und Gruppe G)
im Vordergrund. Die Zellulitis betrifft eben-
falls die Haut, jedoch unter Mitbeteiligung
des subkutanen Gewebes, mit S. aureus
als dominierendem Auslöser. Erysipele
manifestieren sich in erster Linie am Unter-
schenkel (rund 90%). Als wichtige Risiko-
faktoren für Erysipele haben sich Haut-
areale mit gestörter Barrierefunktion,
Stefano Bassetti
Hautrisse in den Zehenzwischenräumen,
chronische Beinödeme und vorangegan-
gene Erysipele herauskristallisiert. Lymphödeme sind der ent-
scheidende Risikofaktor für die nicht seltenen Rezidive.
Behandlung von Erysipel und Zellulitis
Liegt eine Zellulitis oder ein Erysipel ohne besondere Risikofaktoren oder Expositionen vor, kommt eine empirische Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure 3-mal 625 mg/Tag p.o. infrage. Bei ausgeprägtem Befall und bei Risikopersonen sollte man die intravenöse Therapie wählen (Penicillin G 4-mal 2 Mio. IE i.v. oder Amoxicillin/Clavulansäure 3-mal 1,2 bis 2,2 g/Tag i.v.). Für Patienten mit Penizillinallergie (nur Erythem) stehen Zephalosporine zur Verfügung (Cefuroximanteil 2-mal 500 mg/Tag p.o. oder Cefazolin 3-mal 1 g/Tag i.v.). Bei Penicillin-Allergie mit Anaphylaxie kann man auf Clindamycin (oral oder i.v.) oder Clarithromycin ausweichen. Für den Therapieerfolg ist es entscheidend, dass man eine begleitende Tinea pedia interdigitalis und Ödeme konsequent behandelt und dass man die Haut ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt.
An Kompressionsstrümpfe denken Kompressionsstrümpfe sind bei diesen Patienten unverzichtbar, auch wenn diese Massnahme erfahrungsgemäss nicht auf spontane Gegenliebe seitens der Patienten stösst. Bei venö-
sen Ulzera, auch wenn sie abgeheilt sind, und bei leichten Lymphödemen wählt man Kompressionsklasse III, bei hochgradiger venöser Insuffizienz und stark ausgeprägten Lymphödemen ist Klasse IV indiziert.
Antibiotische Prohylaxe Aufgrund der beachtlichen Rezidivrate nach der Erstmanifestation eines Erysipels wurde in Studien geprüft, wie effizient eine antibiotische Prophylaxe ist. Patienten mit > 2 Beinerysipelen (n= 274) wurden plazebokontrolliert über 12 Monate mit 2-mal täglich 250 mg Penizillin V behandelt (das entspricht ½ Tablette Penizillin V mit 1 Mio. IE). Während der Prophylaxe kam es zu einer Abnahme der Rezidive um 45 Prozent, mit einer NNT von 5; im Follow-up kam es jedoch zu einer Angleichung zwischen Verum- und Plazebogruppe.
Furunkulose – wieder ein Thema? Der Experte verwies auf Zahlen aus den USA, die belegen, dass zwischen 2001 und 2009 die Inzidenz von Haut- und Weichteilinfektionen durch S. aureus (S. aureus-associated skin and soft tissue infections, SA-SSTI) um 100 Prozent zunahm und die SA-SSTI-bedingten Hospitalisationen um 123 Prozent angestiegen sind. Für diese Entwicklung mitverantwortlich ist das PVL (Panton-Valentine-Leucocidin), ein Virulenzfaktor von S. aureus, der zu nekrotisierenden Pneumonien, zu SSTI und nekrotisierender Fasziitis führt. Bereits heute tragen 70 Prozent der ambulant erworbenen MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokken) PVL-Gene. Und PVL-positive MRSA zeichnen für 70 Prozent der rezidivierenden Hautabszesse und Furunkel sowie für > 90 Prozent der nekrotisierenden Pneumonien verantwortlich. Im Unterschied zu den nosokomialen MRSA sprechen die ambulant erworbenen MRSA auf unterschiedliche Antibiotika wie Cotrimoxazol, Clindamycin, Chinolone oder Minozyklin an.
Schon einfache Massnahmen können helfen Heute sind diverse Erkrankungen bekannt, die für eine Furunkulose prädisponieren. Dazu zählen Immundefekte, aber auch der Diabetes mellitus und atopische Erkrankungen. Bei Patienten mit rezidivierender Furunkulose fand man in 61 Prozent eine nasale Kolonisation mit S. aureus (gegenüber Kon-
18 Dermatologie • Januar 2015
CongressSelection
trollen mit 29% Besiedlung). Im Rahmen einer kontrollierten Doppelblindstudie wurden 34 nasale Carrier, die pro Jahr > 3 S.-aureus-Furunkel/Follikulitiden aufwiesen, jeden Monat über 5 Tage – während 1 Jahres – mit 2-mal täglicher nasaler Applikation von Mupirocin oder einem topischen Plazebo behandelt. Mit dieser einfachen Massnahme kam es zu einer signifikanten Abnahme der nasalen S.-aureus-Besiedlung und der Hautinfektionen.
Management rezidivierender Infektionen Abschliessend gab Bassetti folgende Empfehlung zum Management rezidivierender Furunkulosen: Beim kulturellen Nachweis von S. aureus aus dem Nasenabstrich von Patienten (und Familienmitgliedern) erfolgt eine 5-tägige Mupirocintherapie, kombiniert mit einem antimikrobiellen Hautreinigungsmittel wie Hibiscrub®. Bei Verdacht auf eine spezielle Risikokonstellation sind weitere Abklärungen angezeigt.
Renate Weber
Take Home Messages
Beim rezidivierenden Erysipel werden folgende Massnahmen empfohlen: • Die Tinea pedis interdigitalis behandeln. • Durch gezielte Hydrierung verhindern, dass es zu Hauttrockenheit und
Hautrissen kommt. • Ödeme reduzieren durch konsequentes Tragen von Kompressions-
strümpfen. • In ausgewählten Fällen eine antibiotische Prophylaxe etablieren. • Bei geeigneten Patienten eine antibiotische Selbstbehandlung vorordnen,
die bei den ersten Anzeichen eines Rezidivs gestartet wird.
Quelle: «Therapie von chronisch rezidivierenden Pyodermien», Key-Lecture 1, 96. Jahresversammlung der SGDV, 5. September 2014 in Basel.
Erfolgreiche Haarspalterei
Haartransplantation: Aus zwei mach vier
In vielen medizinischen Teilgebieten und Indikationen sind Stammzellen ins Zentrum der medizinischen Forschung gerückt – nun auch bei der Haartransplantation, wie Dr. med. Coen Gho vom Hair Science Institute aus Amsterdam auf einer Pressekonferenz beim EADV in Amsterdam deutlich machte.
Dazu haben aktuelle Studien zwei wichtige Erkenntnisse geliefert: 1. Haarstammzellen befinden sich nicht am Boden, sondern in den Seitenwänden der Haarwurzel. 2. Für die Regeneration und Bildung eines neuen Haarfollikels genügt ein Teil dieser Stammzellen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden neue Transplantationstechniken entwickelt, bei denen nicht, wie bei den konventionellen Verfahren, ganze Haarwurzeln, sondern nur in Längsschnitten gespaltete Teile von Haarwurzeln einschliesslich des Haarschafts transplantiert werden. Bei den von Gho und seinem Team entwickelten Längsspaltungen entwickelt sich dann sowohl aus dem verbliebenen Teil als auch aus dem transplantierten Teil eine neue vollständige Haarwurzel. Das wesentliche Ziel ist hier die Transplantation ausreichender Mengen der in den Seitenwänden gelegenen Stammzellen – daher werde diese neue Technik auch als «Haar-Stammzell-Transplantation» (HST) bezeichnet, betonte Gho. Für die Durchführung ist nur eine oberflächliche Lokalanästhesie erforderlich.
Gho hat diese Technik zunächst in erster Linie bei Patienten mit Haarverlust aufgrund schwerer Verbrennungen im Kopfhaarbereich eingesetzt – gerade bei diesen kann das zur Verfügung stehende Spenderareal im Verhältnis zur zu füllenden Fläche sehr begrenzt sein. Nach seinen Erfahrungen kann er auch in schweren Fällen sehr gute Ergebnisse erzielen, da neben den neu entstehenden behaarten Bereichen der Haarwuchs in den Spenderarealen erhalten bleibt. Es kommt dort weder zu Narben noch zum Dichtigkeitsverlust – es können sogar dieselben Spenderfollikel nach einigen Monaten wieder für die Haar-Stammzell-Transplantation genutzt werden. Gho: «Diese Technik stellt die erste zuverlässige, patientenfreundliche Methode zur Haarvermehrung mit konsistenten Ergebnissen bei gleichzeitigem Erhalt des Spenderareals dar.» CW
Quelle: Gho C: «Hair Transplantation – Highlights», Pressekonferenz beim 23. Kongress der European Academy of Allergology and Venereology (EADV), Amsterdam, 8. bis 12. Oktober 2014.
Dermatologie • Januar 2015 19