Transkript
CongressSelection
Gliptine gute Alternative zu Sulfonylharnstoffen
Neue Daten zum Einsatz bei Niereninsuffizienz
Zur mittlerweile gut etablierten Substanzgruppe der DPP4-Inhibitoren wurden auf dem diesjährigen EASD in erster Linie neue Sicherheitsdaten präsentiert. Sie zeigen, dass diese Inkretin-basierte Therapie vor allem eine gute und sichere Alternative zu den Sulfonylharnstoffen darstellt.
Gebräuchlichste Kombinationspartner von Metformin sind nach wie vor die Sulfonylharnstoffe. Allerdings können das Hypoglykämierisiko und die mit dieser Substanzgruppe assoziierte Gewichtszunahme den Einsatz limitieren beziehungsweise als wenig wünschenswert erscheinen lassen. Gliptine bieten sich als Alternative an. Tatsächlich wurde in Vergleichsstudien unter Sulfonylharnstoffen ein substanziell höheres Risiko von Hypoglykämien beobachtet als unter DPP4-Inhibitoren. Dies wurde beispielsweise für Vildagliptin im Vergleich zu Glimepirid gezeigt (1). Allerdings wurde diese Studie mit Hinweis auf die eingesetzten, relativ hohen Dosierungen von Glimepirid kritisiert. Der Sulfonylharnstoff wurde in dieser Studie mit 2 mg/Tag begonnen und konnte auf 6 mg gesteigert werden. Um die Frage zu klären, wie weit es sich bei den Ergebnissen um die Folgen zu ehrgeiziger Dosiseskalation gehandelt hatte, wurde nun eine Analyse für jene Zeit erstellt, welche die Patienten auf der Anfangsdosis geblieben waren (2). Auch hier zeigte sich, dass das Hypoglykämierisiko unter 50 mg bid Vildagliptin hochsignifikant niedriger war als unter Glimepirid 2 mg/Tag – bei gleicher Wirkung auf das HbA1c. Im Gliptin-Arm traten fast keine Hypoglykämien auf. Im Vergleich zu Glimepirid war das Risiko, eine Hypoglykämie zu erleiden, bei den Vildagliptin-Patienten um rund den Faktor 20 niedriger. Damit ergab sich im Vergleich zur niedrigeren Dosis des Sulfonylharnstoffs eine noch deutlichere Risikoreduktion als im Vergleich zu 6 mg Glimepirid. Das ist nur auf den ersten Blick paradox: Eine gute glykämische Kontrolle (also ein niedrigeres HbA1c) erwies sich nämlich in allen Gruppen als assoziiert mit Hypoglykämien. Nur war diese Assoziation für die Sulfonylharnstoffe deutlich ausgeprägter.
Vildagliptin und Sitagliptin sicher bei Niereninsuffizienz Neue Daten aus Analysen älterer Studien gibt es auch bei schwer niereninsuffizienten Patienten. Der Einsatz eines DPP4-Inhibitors in dieser schwierig zu behandelnden Patientengruppe ist insofern naheliegend, als die glukosesenkende Wirkung der Inkretinhormone glukoseabhängig ist und damit zumindest theoretisch nur ein geringes Risiko von Hypoglykämien infolge erhöhter Plasmaspiegel eines DPP4-Inhibitors besteht. Allerdings war bislang nicht geklärt, ob es in Abhängigkeit von der renalen Elimination Unterschiede zwischen den verschiedenen Vertretern dieser Gruppe gibt. Diese Frage wurde nun für Vildagliptin und Sitagliptin auf Basis einer
grossen gepoolten Analyse beantwortet (3). Während die Elimination von Vildagliptin vor allem hydrolysiert über die Niere erfolgt, wird Sitagliptin grossteils unverändert renal ausgeschieden. Für die Analyse standen Daten von 368 Patienten mit Typ-2Diabetes und schwerer Niereninsuffizienz (definiert durch eine eGFR < 30 ml/min/1,73 m ) zur Verfügung. Ein Teil der Patienten war dialysepflichtig. Analysiert wurden die Inzidenz aller unerwünschten Ereignisse, schwerer unerwünschter Ereignisse, Abbrüche wegen unerwünschter Ereignisse, Todesfälle und Laborwerte. Auch Daten zu Plazebopatienten wurden einbezogen. Dabei erwies sich die Inzidenz aller Endpunkte als vergleichbar zwischen den Gruppen, inklusive der Plazebogruppe. In keiner der Gruppen traten Fälle von Pankreatitis auf, und es kam unter den DPP4-Inhibitoren im Vergleich zu Plazebo auch nicht zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion. Auch bei Patienten an der Hämodialyse scheinen Vildagliptin und Sitagliptin sicher zu sein. Allerdings lässt hier die extrem geringe Zahl an Patienten (Vildagliptin = 8 und Sitagliptin = 6) allenfalls vorsichtige Schlüsse zu. Schliesslich zeigt eine aktuelle Metaanalyse von 40 Studien, dass Vildagliptin auch ein beruhigendes kardiovaskuläres Sicherheitspotenzial hat (4). Die grosse Zahl von randomisierten, kontrollierten Studien, die mit dem Gliptin in den letzten Jahren in Hochrisikopopulationen durchgeführt wurden, erlaubt einen breiten Überblick. Die Analyse der Daten von knapp 10 000 Patienten zeigt, dass es das kardiovaskuläre Risiko zumindest nicht erhöht. Die Inzidenz von MACE (major adverse CV events) betrug unter Vildagliptin bei diesen zum Teil erheblich kranken Patienten 1,16 Prozent im Vergleich zu 1,52 Prozent unter den diversen Vergleichssubstanzen (jeweils gerechnet auf die gesamte Dauer der verblindeten Studie). Therapie mit DPP4-Inhibitor wird länger durchgehalten Eine aktuelle japanische Arbeit mit dem DPP4-Inhibitor Sitagliptin zeigte, dass sich die Therapie mit Gliptinen bei älteren Patienten günstig auf die renale Prognose auswirken könnte (5). Die 70 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 74 Jahren, 14 ± 10 Jahren Diabetesdauer und einem durchschnittlichen HbA1c von 8,3 zeigten zum Teil bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion und wurden über zwei Jahre mit entweder 25 oder 50 mg Sitagliptin behandelt. In diesen zwei Jahren sank das HbA1c auf durchschnittlich 7,3 Prozent. In dieser Zeit wurde auch eine graduelle Abnahme der eGFR beob- 10 Diabetes • Dezember 2014 CongressSelection achtet, wie in einer Population dieses Alters zu erwarten war. Allerdings zeigte eine Subgruppenanalyse, dass bei Patienten, deren eGFR bei Beginn der Studie bereits unter 60 ml/min/1,73 m2 lag, keine ausgeprägte Verschlechterung der Nierenfunktion mehr gesehen wurde. Die durchschnittliche eGFR dieser Gruppe sank von 47,6 bei Behandlungsbeginn lediglich auf 45,5 nach zwei Jahren. Bei Patienten mit Mikro- oder Makroalbuminurie verbesserte sich in den zwei Jahren der Therapie das Albumin-Kreatinin-Verhältnis signifikant. Gliptine: Inkretinspiegel durch Abbauhemmung erhöhen Gliptine oder DPP4-Inhibitoren sind selektive, reversible und kompetitive Hemmer der Serinprotease Dipeptidylpeptidase-4 (DPP4). Aufgabe von DPP4 ist der Abbau der Inkretine GLP1 und GIP. Wird DPP4 medikamentös gehemmt, bleiben die Inkretin-Hormone, die sonst sehr schnell abgebaut werden, länger wirksam. Die Gliptine bieten also einen Weg, die in der Diabetestherapie günstigen Effekte der Inkretine zu nützen, ohne synthetische Analoga zuführen zu müssen. Inkretine bewirken eine bedarfsabhängige Insulinsekretion, Hemmung der postprandialen Glucagon-Freisetzung und eine Verlangsamung der Magenentleerung. Der Vorteil der Gliptine im Vergleich zu den GLP1-Analoga ist die orale Einnahme. Allerdings ist die Voraussetzung für ihren Einsatz, dass der Patient selbst noch genügend Inkretine produziert. Vom Behandlungsalgorithmus kommen sie daher früher, in der Regel kombiniert mit Metformin, zum Einsatz. Auch Fixkombinationen sind verfügbar. Gliptine Dipeptidylpeptidase-4 Nahrungsaufnahme Inkretine GLP, GIP Abbauprodukte Inkretinmimetika Insulinsekretion ↑ Glucagonsekretion ↓ Betazellen ↑ Insulinempfindlichkeit ↑ Magenentleerung ↓ Sättigung ↑ Quelle: nach (1) Literatur: 1. Pratley RE: Overview of Glucagon-like Peptide-1 Analogs and Dipeptidyl Peptidase-4 Inhibitors for Type 2 Diabetes. Medscape J Med, 2008, 10 (7), 171. Diabetes mellitus Typ 2 hat bekanntlich die Tendenz zu einer kontinuierlichen Progression, die mit medikamentöser Therapie bestenfalls gebremst werden kann. Daher ist im Verlauf der Therapie meist eine mehrfache Umstellung und Eskalation erforderlich. Die französische Beobachtungsstudie Odyssée untersuchte, wie lange es bei Patienten aus allgemeinmedizinischen Praxen, die mit Metformin und Sitagliptin (MetSita) oder Metformin und einem Sulfonylharnstoff (MetSu) gut kontrolliert sind, dauert, bis eine Änderung der Therapie erforderlich wird oder die Patienten die Therapie abbrechen. Insgesamt nahmen 1874 (MetSita) und 733 (MetSu) Patienten an der Studie teil. Obwohl das mittlere HbA1c in den beiden Gruppen praktisch gleich war (7,5 vs. 7,6%), blieben die Patienten aus der MetSita-Gruppe deutlich länger bei diesem Regime. Die Behandlungsdauer mit MetSita betrug im Median 43,2 Monate im Vergleich zu 20,2 Monaten für MetSu. Diese Differenz blieb bestehen, wenn die Daten mit verschiedenen statistischen Methoden hinsichtlich mehrerer möglicher Confounder adjustiert wurden. In beiden Gruppen wurde durch die Behandlung eine HbA1c-Reduktion von 0,6 Prozent erreicht. Erwartungsgemäss war die Inzidenz von Hypoglykämien im MetSita-Arm signifikant geringer als im MetSu-Arm (9,7% vs. 21,0%). Insgesamt traten bei 130 (6,9%) und 58 (7,9%) Patienten in den Armen MetSita und MetSu unerwünschte Ereignisse auf. Von den mehr als 150 beobachteten unerwünschten Ereignissen werden von den Autoren 60 als potenziell in Zusammenhang mit der Therapie stehend eingeschätzt. Von diesen ereigneten sich 52 bei Patienten unter MetSita und 24 unter MetSu. Angesichts der unterschiedlichen Grössen der Gruppen ergibt sich daraus ein fast identisches Risiko, eine unerwünschte Wirkung zu erleiden (2,8 vs. 2,7%). Reno Barth Referenzen: 1. Matthews DR et al. Vildagliptin add-on to metformin produces similar efficacy and reduced hypoglycaemic risk compared with glimepiride, with no weight gain: results from a 2-year study. Diabetes Obes Metab. 2010; 12 (9): 780–789. 2. Ahrén B et al. Lower risk of hypoglycaemia with vildagliptin versus low dose glimepiride in relation to the HbA1c level. EASD 2014, ePoster #886. 3. Lukashevich V et al. Safety profile of the DPP-4 inhibitors vildagliptin and sitagliptin in patients with type 2 diabetes and severe renal impairment. EASD 2014, ePoster #889. 4. McInnes G et al. Cardiovascular safety of vildagliptin: an adjudicated meta-analysis of 40 studies. EASD 2014, Abstract 891. 5. Kurioka S. Effect of two years of sitagliptin treatment on renal function in elderly patients with type 2 diabetes mellitus. EASD 2014, Abstract 869. 6. Valensi P et al. Duration of maintenance of dual therapy with metformin and sitagliptin in type 2 diabetes: the Odyssée observational study. EASD 2014, ePoster #901. 12 Diabetes • Dezember 2014