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Pulmonale Arterielle Hypertonie
Initiale Kombinationstherapie verbessert Symptomatik und Belastbarkeit
Verbesserte Diagnose- und Therapieoptionen tragen dazu bei, dass Patienten mit Pulmonaler Arterieller Hypertonie (PAH) heute bessere Überlebenschancen haben. Doch wie sind die neuen Strategien am besten umzusetzen? Diesem Thema widmeten sich mehrere PAH-Experten auf dem Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) in einer Hot-Topic-Session.
Die Pulmonale Arterielle Hypertonie ist eine seltene Lungenerkrankung, die in erster Linie durch eine Erhöhung des pulmonal-arteriellen Mitteldrucks (PAPm) auf Werte über 25 mmHg in Ruhe charakterisiert ist. Sie wird derzeit in idiopathische, familiäre und assoziierte Formen unterteilt, wobei die idiopathischen Formen mit bis dato unbekannter Ursache am häufigsten sind. Die funktionelle Klassifikation unterscheidet 4 Klassen (Kasten). In der Vergangenheit war die Diagnose einem Todesurteil gleichzusetzen, denn die durchschnittliche Lebenserwartung nach Dia-gnosestellung lag bei 2,8 Jahren. Doch in den letzten Jahren wurden einige neue Therapieoptionen eingeführt, und so konnten durch verbesserte Diagnose- und Behandlungsraten die Überlebenschancen verbessert werden: In einer Auswertung aus dem Jahr 2012 wurde eine 3-Jahres-Überlebensrate von 68 Prozent ermittelt, während diese in der Ära vor der Einführung spezifischer Therapieoptionen bei 48 Prozent lag. Wie Prof. Dr. med. Jean-Luc Vachiery aus Brüssel betonte, ist die PAH auch heute noch eine unheilbare Erkrankung, wenn
Kasten:
Stadienklassifikation der PAH
Funktionelle Klassifikation der pulmonalen Hypertonie, modifiziert nach der NYHA- und WHO-Klassifikation Klasse I: Patienten mit pulmonaler Hypertonie, aber ohne Beeinträchtigung der physischen Aktivität. Normale körperliche Aktivität führt nicht zu übermässiger Dyspnoe, Ermüdung, Brustschmerz oder Beinahe-Synkope. Klasse II: Patienten mit pulmonaler Hypertonie, die zu leichter Beeinträchtigung der physischen Aktivität führt, die Betroffenen sind in Ruhe beschwerdefrei. Normale körperliche Aktivität führt zu übermässiger Dyspnoe oder Ermüdung, Brustschmerz oder Beinahe-Synkope. Klasse III: Patienten mit pulmonaler Hypertonie, die zu ausgeprägter Beeinträchtigung der physischen Aktivität führt, die Betroffenen sind in Ruhe beschwerdefrei. Bereits geringe Aktivität führt zu übermässiger Dyspnoe oder Ermüdung, Brustschmerz oder Beinahe-Synkope. Klasse IV: Patienten mit pulmonaler Hypertonie, die nicht mehr in der Lage sind, jegliche physische Aktivität ohne Symptome auszuführen. Diese Patienten zeigen Zeichen des Rechtsherzversagens. Dyspnoe und/oder Ermüdung können bereits bei Ruhe bestehen. Jegliche physische Aktivität führt zur Steigerung der Beschwerden.
Quelle: ESC/ERS Guidelines zur Pulmonalen Hypertonie, Eur Respir. J 2009; 34: 1219–1263
auch mit etwas verbesserter Prognose. Die verschiedenen therapeutischen Optionen greifen in 3 verschiedene Signaltransduktionswege ein: den Endothelin-Signalweg, den NO-cGMP-Signalweg und den Prostacyclin-Signalweg (Tabelle). Während noch vor wenigen Jahren eine Strategie angegangen wurde und erst dann – bei Nichtansprechen – auf eine andere Strategie gewechselt wurde, gibt es zunehmend Evidenz für den Nutzen von Kombinationsstrategien. Solche Kombinationen wurden in erster Linie als Add-on-Therapien umgesetzt. Ihre Ergebnisse bestätigten überwiegend den Nutzen dieses Vorgehens, so das Fazit von Vachiery.
AMBITION: Klarer Vorteil für die Sofortdualtherapie Doch nun kommt als neuer und viel versprechender Weg die sofortige Kombinationstherapie von Anfang an, berichtete Prof. Dr. med. Nazzareno Galié aus Bologna: «Ein hartes und frühes Eingreifen ist die beste Strategie bei dieser Erkrankung.» Dazu präsentierte er, erstmals auf dem ERS, die Ergebnisse der Studie AMBITION – der ersten randomisierten und kontrollierten Studie, in der bei bisher unbehandelten PAH-Patienten der Sofortstart mit einer Kombinationstherapie gegenüber Monotherapien verglichen wurde. Insgesamt 500 PAH-Patienten in den WHO-Stadien II und III der Erkrankung wurden in 3 Therapiegruppen eingeteilt: Sie erhielten entweder eine Monotherapie mit Ambrisentan (1-mal täglich 10 mg, n = 126), eine Monotherapie mit Tadalafil (1-mal täglich 40 mg, n = 121) oder die sofortige Kombinationstherapie mit beiden Medikamenten in der gleichen Dosierung (n = 253). Als primärer Endpunkt wurde die Zeit bis zum ersten klinischen Versagen bestimmt, wobei folgende Ereignisse als klinisches Versagen gewertet wurden: Tod, Hospitalisierung, Verschlechterung der PAH, Krankheitsprogression oder ungenügendes Langzeit-Ansprechen. Die Häufigkeit für ein solches Ereignis wurde durch die sofortige Kombinationstherapie um 50 Prozent im Vergleich zu den Monotherapien reduziert (p = 0,0002). Doch auch alle anderen Endpunkte fielen zugunsten der Sofort-Kombinationstherapie aus. So wurde beispielsweise das Risiko für eine klinische Verschlechterung um 49 Prozent reduziert (p = 0,0013). Die 6-Minuten-Gehstrecke wurde nach 24 Wochen Therapie um 23 m verlängert (p < 0,0001). All diese hochsignifikanten Vorteile der Kombination wurden, wie Galié ausdrücklich betonte, nicht im Vergleich zu Plazebo, sondern im Vergleich zu Verum-Therapien erzielt. Im Nebenwirkungsprofil ergaben sich keine Überra-
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schungen, sondern die bereits von den beiden Monotherapien bekannten Effekte.
Kombinationstherapie als zukünftiger Standard Aufgrund der heute vorliegenden Daten erscheint die Monotherapie mit PDE5-Inhibitoren nicht mehr angebracht, so Prof. Dr. med. Marius M. Hoeper aus Hannover: Die sofortige Kombinationstherapie aus einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA) und einem PDE5-Inhibitor (PDE5i) wird nach seiner Einschätzung die Standardtherapie für Patienten mit neudiagnostizierter PAH in den funktionellen Klassen II oder III werden. In AMBITION waren es der ERA Ambrisentan und der PDE5-Inhibitor Tadalafil, die kombiniert wurden, aber es sind auch andere Substanzen denkbar. Unter den ERA ist neben Ambrisentan auch Macitentan eine Substanz, für die Langzeitdaten vorliegen und die sich daher durchaus als Kombinationspartner für den PDE5i anbietet. Bosentan, der dritte Vertreter aus dieser Gruppe, sollte bei Bosentan-vorbehandelten Patienten mit einer zufriedenstellenden Therapieantwort aber beibehalten werden. Ähnliches gelte bei den PDE5-Inhibitoren: Hier wurde für Tadalafil, ob mit oder ohne Ambrisentan, die Langzeiteffektivität gezeigt, dagegen nicht für Sildenafil und Riociguat. Daher sollte dort, wo die Substanz verfügbar und verschreibungsfähig ist, Tadalafil als der bevorzugte PDE5i bei unvorbehandelten Patienten eingesetzt werden, betonte Hoeper. Das weiter verbreitete Sildenafil solle dort, wo die Verfügbarkeit oder Verschreibungsfähigkeit von Tadalafil nicht gegeben ist, in Betracht gezogen werden, sowie bei Sildenafil-vorbehandelten Patienten mit zufriedenstellenden Therapieresultaten. Bei Patienten, die nicht auf die PDE5i-Therapie ansprechen, kann noch als neue Option Riociguat eingesetzt werden, da es denselben Signalweg wie die PDE5-Inhibitoren hemmt – hier sollte man sich allerdings der bislang fehlenden Langzeit-Evidenz bewusst sein.
Tripeltherapie bewährt sich in Pilotstudie Wenn man selbst bei der Sofortstart-Dualtherapie kein zufriedenstellendes Therapieansprechen erreicht, dann bietet sich als weitere Therapieeskalation die Tripeltherapie an – darauf deuten zumindest die Ergebnisse einer entsprechenden Pilotstudie hin. «Die Idee dabei ist, verschiedene Signalwege ins Visier zu nehmen, um die Effektivität der Therapie und damit auch den klinischen Zustand des Patienten zu verbessern», betonte Prof. Dr. med. Olivier Sitbon aus Le KremlinBicêtre/Frankreich. Er behandelte insgesamt 19 Patienten, die sich bereits bei der Erstdiagnose im Stadium III (n = 8) oder IV (n = 11) befanden, von Anfang an mit der Dreifachkombi-
Tabelle:
Kombinationstherapie bei PAH
3 Hauptsignalwege
Endothelin(ET-)
Stickstoffmonoxid
Prostacyclin
Signalweg
(NO-)cGMP-Signalweg (PGI2-)Signalweg
Endothelin-Rezeptor- PDE5-Inhibitoren
Prostanoide
Antagonisten (ERA)
Ambrisentan
Sildenafil
Beraprost
(Volibris®)
(Revatio®)
(in CH nicht registriert)
Macitentan
Tadalafil
Epoprostenol i.v.
(Opsumit®)
(Adcirca®)
(Flolan®, Veletri®)
Bosentan (Tracleer®) sGC-Stimulatoren* Iloprost i.v., inhalativ
(Ilomedin®, Ventavis®)
Riociguat (Adempas®) Treprostinil i.v., s.c.,
inhalativ (Remodulin®)
*sGC = lösliche Guanylatzyklase
modifiziert nach Galie N et al., J Am Coll Cardiol 2013; 62: D60–72
nation aus intravenösem Epoprostenol sowie oralem Bosentan und Sildenafil. In der Auswertung nach 4 Monaten ergab sich, dass nur der am schwersten erkrankte Patient nicht angesprochen hatte und der notfallmässigen Herz-LungenTransplantation zugeführt worden war. Bei den übrigen 18 Patienten dieser insgesamt schwer erkrankten Gruppe kam es allesamt zu einer dramatischen Verbesserung der Symptomatik wie auch der 6-Minuten-Gehstrecke. In der Langzeit-Nachbeobachtung über 3 Jahre geht es allen 18 Patienten immer noch gut, und sie befinden sich mittlerweile alle im Stadium I–II. Die beobachteten Nebenwirkungen waren vor allem auf Epoprostenol zurückzuführen. Bei 2 Patienten musste wegen starker Erhöhungen der Leberwerte Bosentan abgesetzt werden, wobei beide unter der verbliebenen Dualtherapie stabil blieben. Wenn es sich auch um eine kleine und nichtplazebokontrollierte Studie handelt, so sprechen doch ihre überdeutlichen Ergebnisse für eine weitere klinische Prüfung dieser Therapiestrategie, betonte hierzu auch Hoeper in seinem Resümee. Nach seiner Einschätzung ist bei der gegenwärtigen Studienlage ein Consensus für die Monotherapie ab dem Stadium II nicht mehr länger haltbar.
Carola Weiss
Quelle: Hot-Topic-Session 311 «Combination therapy in pulmonary arterial hypertension (PAH): the evidence grows», anlässlich der Jahrestagung der European Respiratory Society am 8. September 2014 in München.
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