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ACOS: Wenn Asthma und COPD zusammenkommen
Die Frage, ob es sich bei Asthma und COPD um zwei völlig unterschiedliche Erkrankungen oder zwei Seiten der gleichen Atemwegspathologie handelt, ist nicht vollständig geklärt. Im klinischen Alltag hat man es bei Patienten häufig mit Anzeichen beider Erkrankungen zu tun.
A sthma und COPD schliessen einander keineswegs aus. Im Gegenteil. Das Asthma-COPD-Overlap-Syndrome (ACOS) ist, so Prof. Dr. med. Dr. Eric D. Bateman, Direktor des University of Capetown Lung Institute, häufig und stellt ein erhebliches Problem im klinischen Alltag dar. Bateman: «Das Overlap-Syndrom stiftet Verwirrung bei den Patienten und diagnostische Unsicherheit bei den Ärzten. In seiner schweren Form spricht es schlecht auf Therapie an, was zu erheblichem Verbrauch von Ressourcen führt. Es kommt in den Guidelines nicht oder kaum vor, und es wird in den klinischen Studien nicht untersucht.» In der GEIRD-Studie erwiesen sich höheres Alter und weibliches Geschlecht als Risikofaktoren für ACOS. Die Betroffenen hatten im Vergleich zu Patienten mit Asthma oder COPD mehr Symptome, mehr Exazerbationen und mehr Hospitalisierungen. In der COPD-GeneStudie wurde bei ACOS-Patienten auch ein erhöhter Bedarf oraler Steroide gefunden (1). Worum es sich bei ACOS tatsächlich handelt – das zufällige Zusammentreffen zweier Erkrankungen oder eine eigene pathologische Entität – steht in Diskussion. Dies reflektieren nicht zuletzt die vielen für ACOS vorgeschlagenen Namen wie «eosinophiler COPD-Phänotyp» oder «asthma with fixed airflow obstruction». Bateman weist in diesem Zusammenhang auf die bereits in den Sechzigerjahren als «dutch hypothesis» bekannt gewordene Theorie hin, gemäss der es sich bei Asthma und der (damals noch «chronische Bronchitis» genannten) COPD um zwei Seiten derselben Medaille handle. Nach einer 2011 publizierten Definition liegt ein Overlap-Syndrom vor bei Asthma mit teilweise reversibler Obstruktion des Atemflusses mit oder ohne Emphysem oder einer Diffusionskapazität (DLCO) unter 80 Prozent beziehungsweise bei einer COPD, die von einer zumindest teilweise reversiblen Atemflussobstruktion (mit oder ohne Allergie oder reduzierte DLCO) begleitet wird (2).
Auf adäquate Controllertherapie achten In ihrem aktuellen Report versucht die Global Initiative for Asthma (GINA) gemeinsam mit der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), zumindest die Diagnostik des ACOS auf ein evidenzbasiertes Fundament zu stellen. Vorgeschlagen wird eine schrittweise Diagnose, die in jedem Fall durch ein spezialisiertes Zentrum bestätigt werden sollte. Die Einbeziehung von Spezialisten wird mit Hinblick auf die ungünstige Prognose des ACOS empfohlen. In der initialen Therapie ist darauf zu achten, dass COPD-Patienten mit Asthmasymptomen eine adäquate Controllertherapie erhalten, die ein inhalatives Kortikosteroid enthält. Die Monotherapie mit einem
lang wirksamen Bronchodilatator ist bei diesen Patienten zu vermeiden. Desgleichen sollten Asthmapatienten mit Anzeichen einer COPD keine Monotherapie mit Kortikosteroiden erhalten, sondern immer mit einem Bronchodilatator oder einer Kombinationstherapie behandelt werden.
Anamnese von grosser Bedeutung Eine grosse Bedeutung schreiben GINA und GOLD der Anamnese zu. Alter und Symptome des Patienten, Risikofaktoren, Ansprechen auf die Therapie, saisonale Variabilität der Symptome und so weiter liefern wertvolle Hinweise, ob im Einzelfall mehr Asthma- oder COPD-Anteil vorhanden ist beziehugnsweise. überhaupt ein Overlap vorliegt. Anhand eines Vergleichs der Anzahl der Symptome, die jeweils für Asthma oder COPD sprechen, lässt sich eine verlässliche Diagnose stellen. Mindestens drei typische Symptome von entweder Asthma oder COPD und kein Symptom der jeweils anderen Erkrankung schliessen ein ACOS mit hoher Wahrscheinlichkeit aus (3). GINA und GOLD betonen, dass das Fehlen einzelner Symptome nur geringen prädiktiven Wert hat. So spricht das Vorhandensein von Allergien stark für Asthma, während das Fehlen von Allergien nicht geeignet ist, Asthma auszuschliessen. Da eine Atopie in der gesunden Normalbevölkerung häufig ist, erlaubt sie keinen Ausschluss einer COPD, zumal auch Atopiker im fortgeschrittenen Alter eine nicht allergische Lungenerkrankung entwickeln können. Werden ungefähr gleich viele Asthma- und COPD-Eigenschaften gefunden, so spricht das stark für ein ACOS. Ein normales FEV1/FVC in der Spirometrie schliesst die Diagnose einer COPD und damit weitgehend auch ein ACOS aus. Laut GINA/GOLD kann jedoch ein ACOS vorhanden sein wenn es «andere Evidenz einer chronischen Atemflusslimitation» gibt.
Reno Barth
Quelle: «Global Initiative for Asthma (GINA) 2014: new aspects of asthma diagnosis and management», 6. bis 9. September 2014 in München.
Therapie: Was tun bei Verdacht auf ACOS?
Bei Verdacht auf ACOS wird empfohlen, zunächst eine Asthmatherapie mit einem inhalativen Kortikosteroid zu beginnen, um die Gefahr akuter, lebensbedrohlicher Komplikationen zu reduzieren. Die Empfehlungen samt Checklisten für die Diagnose des ACOS können auf der Website von GINA heruntergeladen werden: www.ginasthma.org
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Literatur: 1. Hardin M et al. The clinical features of the overlap between COPD and asthma. Respir Res. 2011; 12: 127. 2. Zeki AA et al. The Asthma-COPD Overlap Syndrome: A Common Clinical Problem in the Elderly. J Allergy (Cairo). 2011; 2011: 861–926. 3. Van Schayck CP et al. Detecting patients at a high risk of developing chronic obstructive pulmonary disease in general practice: cross sectional case finding study. BMJ 2002; 324: 1370.
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