Transkript
CongressSelection
Kongressnotizen
Preise der SGIM-Jahresversammlung
D er mit 10 000 Franken dotierte Preis für die beste wissenschaftliche Originalarbeit ging an Dr. med. Anja Frei, Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich, fur die Publikation «Implementation of the Chronic Care Model in Small Medical Practices Improves Cardiovascular Risk but Not Glycemic Control».
Viollier-Förderpreis Der Viollier-Förderpreis 2014 für die beste Originalarbeit, ebenfalls dotiert mit 10 000 Franken, ging an PD Dr. med. Jens Kuhle, Universität Basel, für seine Arbeit «Increased Neurofilament Light Chain Blood Levels in Neurodegenerative Neurological Diseases».
Abbildung 1: Anja Frei
Abbildung 2: Jens Kuhle (Mitte)
Beste freie Mitteilungen Bei den SGIM-Preisen für die besten freien Mitteilungen (Abbildungen 3 bis 6) wurden zwei erste Preise vergeben, und zwar an ein internationales Team unter der Leitung von Prof. Dr. med. Nicolas Rodondi, Bern, für «TSH and fractures – what is the risk?» und an ein Schweizer Infektiologenteam für den Wirksamkeitsvergleich einer BetalaktamMonotherapie und einer Betalaktam-Makrolid-Kombination bei Pneumonie. Der zweite Preis ging an ein schweizerisch-italienisches Team für eine Arbeit zu Clostridium-difficileInfektionen, und der dritte Preis an ein Team aus Lausanne, das der Frage nachging, was Pfleger und Ärzte von Fallbesprechungen bei der Visite im Spital halten.
Abbildung 3: Manuel Raphael Blum
Abbildung 4: Nicolas Garin
Preis der SGIM-Foundation Mit dem SGIM-Foundation-Preis 2013/2014 zum Thema «Choosing Wisely» beziehungsweise «Smarter Medicine» (Meldung Seite 4) werden zwei Projekte gefördert. Über die jeweils volle Preissumme von 50 000 Franken für ihre Projekte durften sich freuen: Dr. med. Claudia Scheuter, Inselspital Bern, für ihr Projekt «Variations in preference-sensitive care in Switzerland» sowie Dr. med. Nicolas Senn, Policlinique médicale universitaire, Lausanne, für sein Projekt «Acceptability and current practices of a ‹do not do› list of recommendations in primary care».
Abbildung 5: Gualberto Gussoni Abbildung 7: Claudia Scheuter
Abbildung 6: David Gachoud (re.) Abbildung 8: Nicolas Senn
Novartis-Preis für die besten Poster Des Weiteren wurde der Novartis-Preis für die besten Poster verliehen (Abbildung 9). Die Arbeit «Population pharmacokinetics of tamoxifen and three of its metabolites in breast cancer patients» einer Gruppe aus Genf, Lausanne und Morges erhielt den mit 3000 Franken dotierten 1. Preis. Der 2. Preis ging mit 2000 Franken nach Zürich für die Ausein-andersetzung mit der «Diagnostic accuracy of reproducible chest wall tenderness as a bedsidetest to rule out suspected
myocardial infarction in patients presenting
with acute chest pain». Mit dem 3. Preis von
1000 Franken wurde ein Team aus Genf für
die «Adverse drug events’ detection in a ge-
neral internal medicine division» ausge-
zeichnet.
RBO/Mü
Fotos: Mirjam Wicki, SGIM
Abbildung 9: Novartis-Preisträger: Gaelle Dessard, Chantal Csajka und Christoph Graeni (v.l.n.r.)
2 Hausarztmedizin • September 2014
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Kongressnotizen
Smarter Medicine: Zurückhaltung mit unnützen Untersuchungen und Therapien
Auch die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGIM) folgt einem neuen Trend in der Medizin. Gemäss dem Motto «Weniger kann mehr sein», dem sich die amerikanische Initiative Choosing Wisely seit etwa zwei Jahren verschrieben hat, hat nun anlässlich der diesjährigen Jahresversammlung mit Smarter Medicine auch die SGIM eine entsprechende Initiative vorgestellt und eine Negativliste präsentiert: Diese beinhaltet Abklärungen und Therapien, die entweder keinen messbaren Nutzen für den Patienten erkennen lassen und/oder aber bei denen das Risiko dieser Interventionen den potenziellen Nutzen übersteigt. Gleichzeitig spiegelt diese Liste «reflexartige» Vorgehensweisen in der Praxis, die jedoch nicht evidenzbasiert sind. Die wichtigsten Konsensusempfehlungen beziehen sich auf die Verschreibung von Antibiotika, die bei unkomplizierten Atemwegsinfekten im Hinblick auf mögliche Resistenzentwicklungen unterbleiben soll, sowie auf
die Titration auf die niedrigste wirksame Dosis bei der langfristigen Anwendung von Protonenpumpenhemmern. Eine routinemässige präoperative Lungenaufnahme ist nach Expertenmeinung genauso unnötig wie die sofortige radiologische Abklärung unspezifischer Rückenschmerzen ohne Alarmzeichen. Und last but not least: Die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens setzt eine vorausgegangene Besprechung der Konsequenzen mit dem Patienten voraus. Die Kampagne basiert auf nationalen und internationalen Studien sowie auf Erfahrungen aus ähnlichen Initiativen im Ausland. Zentraler Baustein ist die Top-5-Liste, die im Auftrag der SGIM von einem Expertenteam um Prof. Dr. med. Jacques Cornuz, Poliklinik des Universitätsspitals CHUV in Lausanne, erarbeitet wurde.
Anka Stegmeier-Petroianu
Quelle: European and Swiss Conference of Internal Medicine, ESCIM, 14. bis 16. Mai 2014 in Genf.
Smarter Medicine Top-5-Not-To-Do-Liste
• Bei unspezifischem Rückenschmerz innerhalb der ersten sechs Wochen eine Röntgenaufnahme veranlassen.
• Einen PSA-Wert als Screening für Prostatakarzinom ohne vorherige Aufklärung bestimmen.
• Bei unkomplizierten Infekten der oberen Atemwege Antibiotika verschreiben.
• Eine Röntgenthoraxaufnahme im Rahmen einer präoperativen Routineuntersuchung veranlassen.
• Langfristig Protonenpumpenhemmer ver-
schreiben, ohne auf die niedrigste wirksame
Dosis zu reduzieren.
ASP
Mehr zur Kampagne «Smarter Medicine» finden Sie unter: www.smartermedicine.ch
Eisensubstitution bei chronischer Müdigkeit
P atientinnen, die in der Hausarztpraxis über chronische Müdigkeit klagen, profitieren möglicherweise von einer einmaligen intravenösen Eisensubstitution – und das sogar wenn keine Anämie vorliegt, so das Ergebnis einer gerade veröffentlichten Studie (1). Von einem Paradigmenwechsel in der Beurteilung des Eisenmangels spricht Erstautor Dr. med. Bernard Favrat, Lausanne. Ein Umdenken sei nötig, denn Eisenmangel ohne Anämie ist eine relativ häufige Ursache von Fatigue bei Patientinnen im gebärfähigen Alter. Weitere Symptome, die mit einem isolierten Eisenmangel einhergehen können, sind Konzentrations- und Schlafstörungen, das Restless-legs-Syndrom sowie Depressionen und Libidoverlust, so Favrat. Denn Eisen wird für zahlreiche Stoffwechselvorgänge benötigt. Im Hämoglobin und im Myoglobin spielt Eisen eine wichtige Rolle beim Sauerstofftransport und bei der intrazellulären Sauerstoffbereitstellung. Darüber hinaus übernimmt Eisen eine essenzielle Funktion im mitochondrialen Energiestoffwechsel. In den Speicher- und Transportformen liegt Eisen an Ferritin respektive
Transferrin gebunden vor. Bei Verdacht auf Eisenmangel sollte nicht nur der Hämoglobinwert beurteilt werden. Bis zu einem Drittel aller menstruierenden Frauen weisen einen Eisenmangel ohne Anämie auf, ein Viertel der Patientinnen mit Fatigue weisen einen Eisenmangel mit normalem Hb-Wert auf, berichtete der Experte. Daher sollte immer eine Bestimmung des Ferritins sowie der Transferrinsättigung erfolgen. Ein symptomatischer Eisenmangel sei auch ohne Anämie behandlungswürdig, so der Experte weiter.
Eisensubstitution trotz Hämoglobinwert im Normbereich
In der plazebokontrollierten Doppelblindstudie mit 294 menstruierenden Frauen besserte schon eine einmalige intravenöse Gabe von 1000 mg Eisencarboxymaltose Fatiguesymptome, und zwar unabhängig vom Ausgangshämoglobinwert. Eingeschlossen waren nicht anämische Patientinnen (Hb ≥ 115 g/l) mit einem Serumferritinwert < 50 ng/ml und einer gleichzeitigen Transferrinsättigung < 20 Prozent, oder einem Serumferritinwert von < 15 ng/ml mit Fatiguesymptomen ge-
mäss Piper Fatigue Score (PFS). Bei 65 Prozent der Frauen in der Verumgruppe verbesserte sich der Fatiguescore um mindestens einen Punkt. In der Plazebogruppe wurde diese Verbesserung bei 53 Prozent verzeichnet. Der Grad der symptomatischen Besserung durch die Eisensupplementierung korreliert nicht mit dem Hämoglobinwert, so der Experte. Leeren sich die Eisenspeicher, kann zunächst der Eisenbedarf für die Erythropoese noch gedeckt werden, andere eisenabhängige Stoffwechselprozesse, darunter dopaminerge Prozesse im zentralen Nervensystem, leiden bereits, so Favrat. Daher habe Hämoglobin seine Rolle als perfekter Surrogatmarker eingebüsst.
Anka Stegmeier-Petroianu
Referenz: Favrat B. et al. Evaluation of a single dose of ferric carboxymaltose in fatigued, iron-deficient women. PREFER a randomized, placebo-controlled study. PLoS One. 2014; 9 (4): e94217.
Quelle: European and Swiss Conference of Internal Medicine, ESCIM, 14. bis 16. Mai 2014 in Genf.
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