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Endometriose bringt oftmals grosse Beeinträchtigung der Lebensqualität
Sexualmedizinische Aspekte nicht verpassen!
Die Endometriose ist eine chronische Schmerzerkrankung, deren Diagnose häufig verzögert erfolgt. Einige Studien haben sich mit Aspekten der Lebensqualität der betroffenen Frauen befasst – mit bemerkenswerten und auch praxisrelevanten Ergebnissen.
M it einer geschätzten Prävalenz von 6 bis 10 Prozent ist die Endometriose eine häufige Erkrankung, die sich durch einen chronischen Verlauf mit potenziell invalidisierenden Symptomen und beschränkten therapeutischen Optionen auszeichnet.
Wie zufrieden sind Endometriosepatientinnen mit der ärztlichen Betreuung? Im Rahmen des Forschungsprojekts «Lebensqualität und Endometriose» unter der Leitung von Prof. Dr. Brigitte Leeners, Klinik fur̈ Reproduktions-Endokrinologie, Universität Zur̈ ich, wurde untersucht, wie zufrieden Endometriosepatientinnen mit der medizinischen Unterstützung sind (1). Mittels Fragebogen wurden 488 Patientinnen mit histologisch gesicherter Diagnose aus der Schweiz und Deutschland befragt. 47 Prozent fanden, dass sich die Ärzte ausreichend Zeit genommen hätten, und 44 Prozent gaben an, dass ihre individuellen Heilungschancen realistisch erklärt worden seien. Ebenfalls die Hälfte berichtete, dass die Schmerztherapie angesprochen worden sei, bei 63 Prozent sei die Sterilitätsproblematik thematisiert worden, aber nur bei 21 Prozent sei die psychologische Unterstützung angesprochen worden. Im Gesamtkollektiv der Patientinnen erklärten sich 54 Prozent mit der medizinischen Unterstützung zufrieden. 35 Prozent hatten den Eindruck, dass sie als ganzer Mensch mit Körper und Psyche wahrgenommen wurden. Deutlich tiefer war die Zufriedenheit bei den Endometriosepatientinnen mit chronischen Schmerzen. Vor allem mit dem psychologischen Support war nur ein Fünftel zufrieden. Auch beim Punkt, die medizinische Betreuung als adäquat einzuschätzen, lagen die Raten bei Patientinnen mit chronischer Erschöpfung (42%) und mit Infertilität (48%) tiefer als bei Vergleichspatientinnen ohne diese Probleme.
Woher kommen die Informationen zur Krankheit? Die Patientinnen wurden auch nach ihren Informationsquellen zur Krankheit befragt. 61 Prozent der Patientinnen hatten die krankheitsbezogenen Informationen von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt erhalten, 27 Prozent nannten das Internet als Informationsquelle. Demgegenüber spielten Bücher oder Kontakte mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder im Internet eine geringe Rolle. Als am meisten hilfreich erachteten 47 Prozent die ärztliche Information, deutlich vor dem Internet mit 33 Prozent. Während ein Teil der von Endometriose betroffenen Frauen mit verschiedenen Aspekten der medizinischen Betreuung sehr zufrieden ist, berichtete doch eine Mehrheit von bedeutsamen Defiziten sowohl hinsichtlich medizinischer als auch menschlicher Gesichtspunkte.
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr Bei Endometriose liegt die Häufigkeit einer Dyspareunie deutlich höher als bei Frauen ohne Endometriose. Die Literaturangaben dazu schwanken zwischen 3 und 43 Prozent. Die Prävalenz ist nicht nur mit dem kulturellen Umfeld variabel, sondern auch mit der Konsequenz, mit der behandelnde Ärzte dieses Thema im Gespräch mit der Patientin aufgreifen. Eine retrospektive Datenanalyse von 470 Patientinnen mit laparoskopisch und/oder histologisch bestätigter Diagnose, die in deutschen und schweizerischen Spitälern und in Privatpraxen rekrutiert wurden, zeigte, dass die Dyspareuniehäufigkeit vom Endometriosestadium unabhängig ist (2). 427 (90,8%) beantworteten die Frage zur Dyspareunie. Von ihnen gaben 20,4 Prozent an, jedes Mal oder fast immer Schmerzen beim Geschlechtsverkehr zu empfinden. Bei diesen Schmerzen spielt die Lokalisation der Endometrioseherde eine Rolle. Dyspareunie ist seltener bei oberflächlichen peritonealen Läsionen (16,7%) und bei Endometriom des Ovars (11,2%), mit jeweils rund 20 Prozent hingegen häufiger bei Läsion in der Vagina, obliteriertem Douglas und Läsionen im uterosakralen Ligament. Bemerkenswert war die Intensität der Schmerzen, die von den Befragten überwiegend mit stark bis sehr stark angegeben wurde. Frauen mit Kinderwunsch haben trotz Dyspareunie oft belastenden Geschlechtsverkehr (immer: 7,6%, oft: 13,9%, manchmal: 12,7%). Frauen mit Endometrioseläsionen nahe der Vagina sollten daher systematisch beraten werden, um mögliche Auswirkungen auf die sexuelle Aktivität zu reduzieren.
Welche Alternativtherapien nutzen Frauen mit Endometriose? Eine weitere Umfrage bei 492 Endometriosepatientinnen in der Schweiz und Deutschland ging der Frage nach, zu welchen die Schulmedizin ergänzenden oder alternativen Vorkehrungen und Therapien Betroffene Zuflucht nehmen (3). Im Durchschnitt dauerte bei diesen Frauen die Erkrankung schon 6,8 Jahre, und eine Mehrzahl zeigte die schweren Stadien III oder IV. Deutlich über 50 Prozent hatten schon mindestens eine alternative Therapie versucht, drei oder mehr solcher Behandlungsansätze hatten vor allem Frauen mit schwereren Emdometriosestadien angewendet. Wärme hatten 46,3 Prozent eingesetzt, und die Erfolgsrate dieser Massnahme erreichte 82,5 Prozent. Auch Entspannungsmethoden waren verbreitet (40,4%) und oft erfolgreich (71,9%). Auch alternative Medikationen hatten recht viele Frauen in Selbstbehandlung eingesetzt (38%) und als erfolgreich erfahren (75,4%). Ein Viertel berichtete von Versuchen mit Anpassungen bei der
4 Gynäkologie • August 2014
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Ernährung, mit angesichts der pathogenetischen Vorstellungen zur Endometriose überraschend häufigen Erfolgen bei rund zwei Dritteln. Seltener und mit deutlich geringeren Erfolgsraten hatten die befragten Endometriosepatientinnen Bewegungstherapien oder Massagen, Homöopathie, Phytotherapie, Akupunktur oder traditionelle chinesische Medizin versucht. Die Studie lässt jedoch den Schluss zu, dass alternative Therapieformen für Frauen mit Endometriose eine wertvolle Ressource sein können.
Halid Bas
Quellen: 1. Freie Mitteilungen IV/42: Wie zufrieden sind Endometriosepatientinnen mit der medizinischen Unterstützung? Krisztina Schnurrenberger (Frauenklinik, Universitätsspital Zürich) et al. Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), 25. bis 27. Juni 2014 in Interlaken. 2. Freie Mitteilungen IV/43: Dyspareunia in women with endometriosis. Alexandra Sabrina Kohl Schwartz (Departement für Geburtshilfe und Gynäkologie, Kantonsspital Winterthur) et al. Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), 25. bis 27. Juni 2014 in Interlaken. 3. Posterpräsentation II: Alternative Behandlungsoptionen und subjektiv erlebte Wirksamkeit bei Frauen mit Endometriose. Krisztina Schnurrenberger (Zürich) et al. Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), 25. bis 27. Juni 2014 in Interlaken.
«Die Frauen sollen in die Lage versetzt werden, mit ihrer Krankheit umzugehen»
Interview mit Prof. Dr. Brigitte Leeners, Klinik für Reproduktions-Endokrinologie, Universitätsspital Zürich
Frau Prof. Leeners, Sie betreuen die Endometriose-
Die Endometriose bringt die betroffenen Frauen in eine
sprechstunde an der Frauenklinik des Universitäts-
Situation einer chronischen Krankheit, mit der sie sich
spitals Zürich, wird diese Erkrankung heute noch oft
auseinandersetzen müssen. Bei wem holen sie sich die
verpasst?
Informationen?
Prof. Dr. Brigitte Leeners: Verpassen, so würde ich das
Nach einer Studie unserer Arbeitsgruppe sind auch im In-
nicht sagen. Die Diagnose zu stellen, ist oft nicht einfach.
ternetzeitalter Ärztinnen und Ärzte die wichtigste Informa-
Frauen mit Endometriose leiden an wiederkehrenden diffu-
tionsquelle, die auch die höchste Akzeptanz findet. Dahin-
sen Unterbrauchschmerzen, die zyklusabhängig, aber auch
ter kommen erst das Internet und andere Quellen.
zyklusunabhängig sein können. Erst seit relativ kurzer Zeit
weiss man beispielsweise, dass eine Endometriose auch bereits bei einer ersten Menstruation, das heisst bei sehr jungen Mädchen auftreten kann.
Brigitte Leeners
Eine weitere Untersuchung, die hier am Kongress vorgestellt wurde, betraf den Stellenwert von alternativen Therapien.
Wie lange dauert es im Durchschnitt bis zur Diagnose?
Eine Befragung von Frauen mit histologisch gesicherter Endometriose, bei welchen die schulmedizinischen Therapien schon über
Nach verschiedenen Untersuchungen sechs bis zehn Jahre – und das nicht Jahre eingesetzt wurden, ergab, dass sie sehr oft – je nach Stadium zwi-
in Drittweltländern, sondern bei uns.
schen 59 und 80 Prozent – auch bei Therapiealternativen Hilfe suchten.
Am häufigsten wurden in Selbstmedikation Wärmeanwendungen, Ent-
Welche Faktoren spielen für die späte Diagnose eine Rolle?
spannungstechniken, alternative Medikamente oder auch Ernährungsum-
Zum einen können die Beschwerden relativ uncharakteristisch sein und kli- stellungen versucht, mit subjektiv bemerkenswert guten Resultaten, die
nisch keine einfache Unterscheidung zu Dysmenorrhöen mit anderer Ursa- sich zum Teil schulmedizinisch schwer nachvollziehen lassen. Ich glaube,
che zulassen. Zum anderen wird die Diagnose gar nicht in Betracht gezo- hier spielt eine wichtige Rolle, dass die Frauen in die Lage versetzt wer-
gen, bei ganz jungen Frauen ist das leider nicht selten. Zu häufig werden den, über ihre Krankheit eine gewisse Kontrolle auszuüben, denn das hilft
die starken Menstruationsschmerzen als «normal» dargestellt mit der Auf- ihnen bei der Bewältigung der chronischen Schmerzen. Ich bin da sehr of-
forderung, die Schmerzen durchzustehen. Aber zur definitiven Diagnose- fen und interessiert, wenn die Patientinnen von ihren Erfolgen mit alter-
stellung mit histologischer Sicherung braucht es eine Laparoskopie, und bei nativen Methoden berichten.
sehr jungen Frauen zögert man, die Indikation zum Eingriff zu stellen.
Zu den vielfältigen Auswirkungen der Endometriose gehören auch
Was kann man in dieser Situation bei noch sehr jungen Frauen tun? Probleme bei der Erfüllung eines Kinderwunsches.
Hier kann eine medikamentöse Therapie – auch ohne vorherige laparo- Wir wissen, dass viele Frauen mit Endometriose und Kinderwunsch trotz
skopische Diagnose mit Biopsie – erwogen werden. Eine Behandlung mit starker Schmerzen Geschlechtsverkehr haben und darunter leiden. Mo-
Gestagenen kann für gewisse Frauen ein gut gangbarer Weg sein. Wich- derne Kinderwunschbehandlungen sind heute auch bei Paaren, bei denen
tig ist aber, individuell vorzugehen und je nach Beschwerdebild und Ver- der Kinderwunsch durch die Endometriose schwerer zu realisieren
lauf alle Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Dazu ist ein interdis- ist, sehr erfolgreich.
ziplinäres Vorgehen notwendig, das die chirurgischen und die
medikamentösen Möglichkeiten einbezieht.
Wie häufig ist die Dyspareunie bei Frauen mit Endometriose?
Sie ist häufig und unabhängig vom Stadium. Sehr wichtig ist die Beratung,
Gehören zu einer umfassenden Betreuung auch psychosomatische die noch nicht bei allen Gynäkologen optimal ist, da Sexualmedizin nicht
Ansätze?
zu ihrem Ausbildungsweg gehört. Oft wird das Problem spontan nicht ge-
Die Frauen sollen unterstützt werden, auch mit Endometriose ein mög- äussert. Es ist daher wichtig, immer nach Schmerzen beim Geschlechts-
lichst zufriedenes Leben zu führen. Für dieses Ziel braucht es keine for- verkehr zu fragen. Oft sprechen auch die betroffenen Paare miteinander
melle Psychotherapie, aber Anleitungen zur Selbsthilfe, etwa um der Ten- nicht darüber. Sie können und sollen ermuntert werden, das zu tun und ge-
denz zum schmerzbedingten sozialen Rückzug und zur Konzentration auf meinsam Wege zu suchen, um der Dyspareunie entgegenzuwirken, indem
das Schmerzgeschehen entgegenzuwirken. Auch Entspannungsübungen sie nach Stellungen suchen, die weniger Schmerzen verursachen.
können helfen, da muskuläre Verspannungen den Schmerz verstärken.
Frau Prof. Leeners, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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