Transkript
CongressSelection
Rheumatoide Arthritis
Neue Studien zur Behandlung mit Biologika
Was bringen die neuen Phase-III-Studienergebnisse? Wie stehts mit der Therapie von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) bei sehr starker Krankheitsaktivität? Kann bei Remission die Dosierung gesenkt oder die Biologikatherapie sogar ganz eingestellt werden? Am EULARKongress in Paris wurden wieder eine Vielzahl spannender Studien zum Einsatz von Biologika bei rheumatoider Arthritis vorgestellt. Eine kleine Auswahl.
Zwei Drittel mit Kombinationstherapie in Remission Der T-Zell-Co-Stimulationsmodulator Abatacept (Orencia®) ist seit 2007 in der Schweiz zugelassen. In Paris wurden nun neue Phase-IIIb-Ergebnisse vorgestellt. So wurden in der AVERT-Studie* 351 Biologikum-naive und Methotrexat (MTX)naive Patienten mit früher aktiver RA eingeschlossen, das heisst, sie wiesen seit weniger als 2 Jahren Symptome einer RA auf, waren positiv für anti-CCP-Antikörper und besassen einen DAS28 von > 3,2 (1). Die Teilnehmer wurden randomisiert und über 12 Monate wöchentlich entweder mit Abatacept 125 mg plus MTX oder mit Abatacept 125 mg respektive MTX alleine behandelt. Nach 12 Monaten erreichten signifikant mehr Patienten mit der Abatacept-MTX-Kombinationstherapie eine Remission gemäss DAS28 (CRP < 2,6) als unter Methotrexatmonotherapie (61% vs. 45%). Diese Ergebnisse würden zeigen, so Studienleiter Prof. Dr. Paul Emery aus Leeds, dass der frühe Einsatz von Abatacept effektiv sei. Zudem wollte man mit einem weiteren primären Endpunkt wissen, ob die Remission nach dem Absetzen aller medikamentösen RA-Therapien (einschliesslich Abatacept, MTX und Steroide) gehalten werden kann. Dabei zeigte sich, dass bei 79 Prozent der Patienten die Therapie wieder eingeleitet werden musste, da sich die RA-Symptome nach 1 Jahr verstärkt hatten. Bei einer kleinen Patientengruppe konnte jedoch die Remission über 6 Monate gehalten werden, wobei die ursprünglich mit Kombinationstherapie behandelte Gruppe gegenüber den ehemals mit MTX-Monotherapie Behandelten (ABA bzw. MTX) signifikante Vorteile aufwies. Sowohl die Kombinationstherapie als auch die beiden Monotherapien zeigten vergleichbare Sicherheitsprofile. Im Verlauf der 12-monatigen Behandlung traten bei 6,7 Prozent (Kombination), 12,1 Prozent (Monotherapie) beziehungsweise 7,8 Prozent (MTX-Monotherapie) schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf. Knappe Hälfte in ACR/EULAR (Boolean-)Remission Auch Certolizumab pegol (Cimzia®), ein rekombinantes, humanisiertes Fabfragment, wartete mit neuen Phase-III-Ergebnissen auf (2). In die randomisierte Studie wurden 316 japanische Patienten mit früher RA (weniger als 12 Monate zwischen dem Auftreten der ersten RA-Symptome und deren Persistenz) eingeschlossen. Die Teilnehmer litten mindestens unter einer moderaten Krankheitsaktivität (DAS28 ≥ 3,2), schlechten pro- gnostischen Faktoren und waren MTX-naïv. Sie erhielten entweder Certolizumab pegol plus MTX oder MTX plus Plazebo. Dabei zeigten die mit einer Kombinationstherapie Behandelten nach 52 Wochen eine signifikant stärkere Hemmung der radiografischen Progression als Personen in der MTX-Monotherapiegruppe (p < 0,001). Die klinischen Remissionsraten gemäss der strengeren Boolean-basierten Definition (ACR/EULAR[Boolean]Remission) lagen in der Verumgruppe bei 45 Prozent (MTX-Plazebo: 28%). Es traten keine neuen oder unerwarteten Aspekte zur Sicherheit des Biologikums auf. Grössere Therapietreue bei TNF-Inhibitoren Was bringen gute und teure Therapien, wenn die Patienten ihre Medikamente nicht regelmässig nehmen? In der von der Firma AbbVie initiierten multinationalen ALIGN-Studie* wollte man wissen, was Patienten im Zusammenhang mit TNF-Hemmern und konventionellen Therapien glauben und was sie beschäftigt (3). Die insgesamt 7197 Befragten litten an verschiedenen Erkrankungen aus dem rheumatoiden Formenkreis: rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitis (AS), Psoriasisarthritis (PsA), Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Psoriasis. Dabei war die Adhärenz bei den mit TNF-Inhibitoren Behandelten generell höher als bei den mit konventioneller Therapie Versorgten. Gleichzeitig zeigte sich, dass Patienten, die generell weniger Befürchtungen gegenüber ihrer Medikation hatten, erwartungsgemäss therapietreuer waren als Menschen mit Bedenken gegenüber ihrer Medikation. RTX-Therapiezyklen für hochaktive RA Nachbehandlungen mit dem B-Zell-Antikörper Rituximab (RTX; MabThera®) sind gängige klinische Praxis. Welche Wirksamkeit haben solche Zyklen? Um dieser Frage nachzugehen, wurden in der grossen Beobachtungsstudie CERERRA* die ge- Folgende Studien verbergen sich hinter den Abkürzungen: *AVERT: Assessing Very Early Rheumatoid arthritis Treatment *ALIGN: Multi-country, cross sectionAL study to Determine patient specIfic and General beliefs towards medicatioN *CERERRA: Collaborating European Registries for Rituximab in RA *CAMEO: Canadian Methotrexate and Etanercept Outcome Study. Rheumatologie • August 2014 13 CongressSelection poolten Daten verschiedener europäischer Register analysiert (4). Eingeschlossen wurden dabei 340 Patienten (Durchschnittsalter: 54 Jahre, 83% Frauen) mit einer Krankheitsdauer von 12 Jahren und hochaktiver RA (Baseline-DAS-28: 6,0). Alle hatten bereits mehrere gescheiterte Biologika- beziehungsweise DMARD-Behandlungen hinter sich. Sie wurden mit mindestens 4 Rituximab-(RTX-)Nachbehandlungen über je ein halbes Jahr versorgt. Bei jedem dieser Zyklen kam es zu einer signifikanten Reduktion der Krankheitsaktivität (DAS28-ESR), wobei der deutlichste Effekt nach dem ersten Zyklus zu erkennen war. Vor allem nach der 2. Behandlung erreichte das DAS-Niveau tendenziell einen stabileren Zustand. Zwar wies der DAS mit über 3,6 nach dem 4. Zyklus noch immer auf eine deutliche Krankheitsaktivität hin, im Vergleich zur hochaktiven Ausgangslage mit einem DAS28 von 6 und therapierefraktärer RA führte die RTX-Therapie jedoch zu einer signifikanten Verbesserung. Deutliche Glukokortikoidreduktion Im Februar 2010 startete die prospektive nicht interventionelle ICHIBAN-Studie, in die zukünftig 4000 Patienten mit RA eingeschlossen werden sollten (5). In Paris wurden nun die Zweijahresdaten der ersten 589 Teilnehmer präsentiert. Alle litten unter hochaktiver RA (Baseline DAS28: 5,6). Sie waren grösstenteils mit TNF-alpha-Inhibitoren (75%) beziehungsweise synthetischen DMARD vorbehandelt worden, bevor eine Therapie mit dem Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab (TCZ; Actemra®) folgte. Am Ende der 2-jährigen Praxisbeobachtung erreichten beachtliche 36 Prozent eine DAS28ESR-Remission (< 2,6) and 27,5 Prozent beziehungsweise 53,8 Prozent eine gute beziehungsweise moderate EULAR-Response. Der Anteil der Patienten mit TCZ-Monotherapie wuchs im Laufe der Untersuchung von 43 Prozent auf 64 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die mittlere tägliche Glukokortikoiddosierung von 9,4 (Baseline) auf 5,3 mg/Tag. Knapp jeder 5. Patient konnte seine Glukokortikoid-Einnahme ganz beenden. Damit stieg der Anteil der Teilnehmer, die ganz ohne Steroide auskamen, von anfänglich 11 auf 29 Prozent nach 2 Jahren. Diese unter Real-World-Bedingungen erhobenen Daten zeigen unter dem Einfluss von TCZ klare Verbesserungen der Aktivitätsparameter sowie eine signifikante Reduktion zusätzlicher DMARD und Glukokortikoide. Wieder arbeitsfähig durch anti-TNF-Behandlung Menschen mit rheumatoider Arthritis leiden sehr häufig unter funktionellen Einschränkungen. So waren auch rund 90 Prozent der über 1000 Teilnehmer des GO-Programms (GO-Before, GO-Foward und GO-After) zu Beginn der Studie funktionell beeinträchtigt (HAQ-DI-Score > 0,5). Zwischen 8 und 13 Prozent der Patienten konnten aufgrund ihrer RA-Erkrankung zu diesem Zeitpunkt keiner Arbeit mehr nachgehen (6). Nach der 5-jährigen Behandlung mit dem TNF-alpha-Hemmer Golimumab (GLM; Simponi®) plus gegebenenfalls Methotrexat zeigten von den ursprünglich Beeinträchtigten 47 Prozent (Baseline: MTX-Naive), 38 Prozent (Baseline: Non-Responder auf MTX ) und 28 Prozent (Baseline: Anti-TNF-vorbehandelt) keine Behinderung mehr (HAQ-DI-Score < 0,5). Von den zu Beginn komplett arbeitsunfähigen Teilnehmern hatten 30 Prozent, 29 Prozent beziehungsweise 5 Prozent (anti-TNFvorbehandelt) nach 256 Wochen Golimumabbehandlung wieder ihre Arbeitsfähigkeit erreicht. Diese Daten würden belegen, so die Autoren der internationalen Studie, dass eine effektive RA-Behandlung zu einem frühen Zeitpunkt sowohl die funktionellen Einschränkungen als auch die Arbeitsunfähigkeit über einen langen Zeitraum verbessert. Weniger Kosten durch Reduktion der anti-TNF-Dosis Bereits in vielen Studien konnte die Wirksamkeit des antiTNF-Hemmers Adalimumab (ADA; Humira®) mit einer Erhaltungsdosis von 40 mg alle 2 Wochen gezeigt werden. Da der Einsatz der Biologika mit hohen Kosten verbunden ist, wollte man in einer spanischen Beobachtungsstudie wissen, welchen Einfluss eine Dosisreduktion auf den weiteren Krankheitsverlauf hat (7). Dazu wurden 109 Patienten mit verschiedenen rheumatoiden Erkrankungen (RA, PsA, AS) ausgewählt, die unter dem Einfluss von Adalimumab eine klinische Remission erreicht hatten (DAS28 < 2,6, BASDAI < 2). 18 dieser Patienten (16%) erhielten dann über mindestens ein halbes Jahr (0,6–1,9 Jahre) eine reduzierte Adalimumabdosierung von 40 mg alle 21 Tage (ADA21) oder 40 mg alle 28 Tage (ADA28). Während 16 der 18 Patienten ihre Remission hielten, erfuhr ein Patient eine Reaktivierung seiner RA sowie ein Patient die Reaktivierung seiner AS. Nach neuerlicher Gabe der normalen Dosierung (ADA14) erreichten diese 2 Patienten wieder eine Remission. Die Reduktion der Dosierung führte zu einer Kostenersparnis von 91941 Euro. Damit, so die spanischen Autoren der Untersuchung, könnten rund 7 Rheumapatienten für 1 Jahr ohne zusätzliche Kosten mit einer Adalimumabtherapie versorgt werden. Remission auch bei anti-TNF-Stopp? Remission und niedrige Krankheitsaktivität sind klinische Schlüsselziele bei RA-Patienten. In einer Post-hoc-Analyse der CAMEO*-Studie wollte man die Erreichbarkeit und Nachhaltigkeit von beidem untersuchen (8). Dazu wurden 258 MTXbehandelte Patienten mit aktiver RA (Baseline DAS28: 5,4; Krankheitsdauer 9 Jahre) über 24 Monate mit Etanercept(ETN; Enbrel®)-MTX-Kombinationstherapie oder ETN-Monotherapie behandelt. Patienten, die bereits nach 6 Monaten eine Remission oder eine niedrige Krankheitsaktivität erreicht hatten (DAS28 < 2,6), befanden sich zum grössten Teil auch nach 2 Jahren noch in dieser Situation (37%). Dagegen verlor sich bei Patienten mit einer Remission erst nach 12 Monaten (ETN+MTX: 12%) die Verbesserung nach 2 Jahren häufiger wieder (ETN+MTX: 6%). Und wenn eine nachhaltige Remission dazu genutzt wird, die Anti-TNF-Therapie ganz zu beenden? In einer japanischen Untersuchung erreichten 99 Patienten mit ursprünglich moderater RA-Aktivität (durchschnittliche Krankheitsdauer 5 Jahre) nach ETN/MTX-Behandlung eine stabile Remission (DAS28) (9). Anschliessend wurden sie in 2 Gruppen randomisiert: Anti-TNF-Therapiefortführung oder -einstellung. 6 beziehungsweise 12 Monate nach dieser Randomisierung befanden sich 91 bzw. 88 Prozent der Weiterbehandelten und 64 beziehungsweise 54 Prozent der Abbrecher noch in klinischer Remission. Damit zeigte sich, dass Patienten mit früher RA und nachhaltiger Remission durch eine ETN/MTX-Weiterbehandlung zumeist ihren Status behielten, aber auch Therapieeinsteller zu mehr als die Hälfte in Remission blieben. Klaus Duffner Quellen: Diverse Abstracts sowie Poster vom EULAR-Jahreskongress, 11. bis 14. Juni 2014 in Paris. Detaillierte Literaturangaben online unter www.rosenfluh.ch 14 Rheumatologie • August 2014