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Neue Empfehlungen zur Therapie der Gicht
Trotz hoher Prävalenz und einer ganzen Reihe von effektiven Behandlungsmöglichkeiten weisen aktuelle Untersuchungen darauf hin, dass das Management von Gichtpatienten immer noch häufig mangelhaft ist. In Paris wurden nun neue EULAR-Empfehlungen zur Gichtbehandlung vorgelegt.
S eit den letzten EULAR-Empfehlungen zur Behandlung von Gicht im Jahr 2006 sind sowohl ganz neue Medikamente als auch neue Erkenntnisse zu etablierten Substanzen hinzugekommen. Ein Grund, diese Empfehlungen in einem aktuellen Update aufzufrischen. Dazu durchforstete eine EULAR-Task Force, bestehend aus 15 Rheumatologen, zwei Hausärzten sowie vier weiteren Experten, eine Reihe von Datenbanken (z.B. Medline, Cochrane Library), auf neue Evidenzen zum Management der Gicht. Die Fachleute berieten sich sowohl in mehren «Delphi-Consensus-Runden» als auch in einer mehrtägigen Tagung. Am EULAR stellte der Leiter dieser TaskForce, Professor Dr. med. Thomas Bardin vom Lariboisiere Hospital Paris, nun 14 Schlüsselempfehlungen vor:
14 Punkte zur Behandlung der Gicht 1. Patienteninformation: Jeder Patient mit Gicht sollte ausreichend über die Pathophysiologie der Erkrankung, die Existenz verschiedener wirksamer Therapien, assoziierte Komorbiditäten, die Prinzipien der Behandlung akuter Attacken und Eliminierung von Harnsäurekristallen durch eine Reduktion der Serumharnsäure (SUA) unter eine bestimmte Schwelle informiert sein. 2. Lebensstil: Jeder Gichtpatient sollte hinsichtlich seines Lebensstils beraten werden. Dazu zählen folgende Aspekte: Gewichtsreduktion (falls nötig), Vermeidung von Alkohol (speziell Bier und Spirituosen) und Süssgetränken, Vermeidung von schwerem Essen sowie der exzessiven Aufnahme von Fleisch und Meeresfrüchten.
Gicht früh behandeln
Michael Doherty
Gicht ist mit einer ganzen Reihe von schweren
Komorbiditäten verbunden. So haben die Be-
troffenen erhöhte Risiken für Hypertonie
(Odds ratio 2,1), Hirnschlag (1,5), kongestive
Herzinsuffizienz (4,0), Myokardinfarkt (1,8),
Hyperlipidämie (1,7), Nierenerkrankungen
(5,5), Hypothyroidismus (1,4). Auch Depres-
sion treten unter Gichtpatienten häufiger auf.
Da einige dieser Komorbiditäten direkt mit
dem erhöhten Harnsäurespiegel assoziiert
seien, erscheine eine frühe Behandlung ange-
bracht, sagte Professor Dr. Michael Doherty
vom City Hospital in Nottingham.
KD
3. Komorbiditäten: Jeder Gichtbetroffene sollte systematisch hinsichtlich Komorbiditäten und kardiovaskulären Erkrankungen gescreent werden. Dazu gehören: renale Störungen, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Schlaganfall, pAVK, Adipositas, Hyperlipidämie, Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen. 4. Management der Komorbiditäten: Tritt Gicht in Zusammenhang mit der Einnahme von Schleifendiuretika oder Thiaziddiuretika auf, sollte das Diuretikum wenn möglich ersetzt werden. Bei Bluthochdruck sollten Losartan oder Kalziumkanalblocker als Behandlungsoption in Betracht gezogen werden und bei Hyperlipidämie ein Statin oder Fenofibrat. 5. Akute Gichtattacken A: Akute Attacken sollten so schnell wie möglich behandelt werden. Die Patienten sollten so weit informiert sein, dass sie bei den ersten Warnsymptomen in der Lage sind, sich selbst zu behandeln. Die Wahl der Medikation sollte auf der Basis möglicher Kontraindikationen, vorheriger Erfahrungen, Wirkungseintritt nach Beginn der Attacke und der Anzahl der betroffenen Gelenke erfolgen. 6. Akute Gichtattacken B: Empfohlene First-Line-Optionen für akute Gichtschübe sind: • Colchicin (innerhalb von 12 Stunden nach Attackenbeginn)
mit einer Startdosierung von 1 mg, darauf folgend (1 Stunde später) 0,5 mg an Tag 1 und/oder ein NSAR (plus PPI falls notwendig) • orales Kortikosteroid (30–35 mg/Tag Prednisolonäquivalent für drei bis fünf Tage) oder artikuläre Aspiration und Injektion eines Kortikosteroids • Colchicin und NSAR sollten nicht bei Patienten mit renalen Störungen eingesetzt werden • Colchicin nicht bei Patienten einsetzen, die starke P-Glykoprotein- und/oder CYP3A4-Inhibitoren wie beispielsweise Cyclosporin oder Clarithromycin erhalten. 7. IL-1-Blocker: Bei Patienten mit häufigen Gichtschüben, bei denen Colchicin, NSAR und Kortikosteroide (oral oder injiziert) kontraindiziert sind, sollten IL-1-Blocker für die Behandlung der Flares erwogen werden. 8. Gichtschubprophylaxe: Eine Prophylaxe gegen die Gichtschübe sollte ausführlich erklärt und mit den Patienten diskutiert werden. Eine solche wird während der ersten 6 Monate einer Urat-reduzierenden medikamentösen Therapie (ULT) angeraten. Für eine prophylaktische Therapie wird Colchicin in einer Dosierung von 0,5 bis 1 mg/Tag empfohlen. Diese Dosierung sollte bei Patienten mit renalen Störungen reduziert werden.
18 Rheumatologie • August 2014
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Wenn renale Störungen vorhanden sind oder eine Statinbehandlung durchgeführt wird, sollten Patienten und Ärzte auf mögliche neuro- und/oder muskuläre Toxizität während der Colchicin-Prophylaxe achten. Eine gleichzeitige Therapie mit Colchicin mit starken P-Glykoprotein- und/oder CYP3A4-Inhibitoren ist auch hier zu vermeiden. Wenn Colchicin nicht toleriert wird oder kontraindiziert ist, sollte eine Prophylaxe mit NSAR in geringer Dosierung (wenn nicht kontraindiziert) in Betracht gezogen werden. 9. Indikation der ULT: Eine Urat-reduzierende medikamentöse Therapie (ULT) sollte für jeden Patienten mit der definitiven Diagnose Gicht erwogen und mit dem Patienten diskutiert werden. Sie ist indiziert für alle Patienten mit wiederholten Gichtanfällen, Gichttophi, Urat-Arthropathie und/oder Nierensteinen. Eine ULT wird bei jungen Patienten (unter 40 Jahren), bei sehr hohem Harnsäurewert (über 8,0 mg/Tag; 480 µmol/l) und/oder Komorbiditäten (renale Störungen, Hypertonie, Ischämische Herzkrankheit, Herzinsuffizienz) bereits rasch nach der Erstdiagnose empfohlen. 10. Serumharnsäureziel: Während einer Urat-reduzierenden medikamentösen Therapie sollten die Serumharnsäurewerte bestimmt und unter 6 mg/dl (360 µmol/l) gehalten werden. Ein niedrigerer Zielwert (unter 5 mg/dl; 300 µmol/l) wird für Patienten mit schwerer Gicht empfohlen (Tophi, chronische Arthropathie, häufige Attacken), um eine schnellere Auflösung der Kristalle zu erleichtern. Diese Empfehlung gilt, bis die Ziele erreicht sind. Harnsäurewerte unter 3 mg/dl werden langfristig nicht empfohlen. 11. ULT: Alle Urat-reduzierenden medikamentösen Therapien sollten mit geringen Dosierungen begonnen und langsam hoch titriert werden, bis der Harnsäurezielwert erreicht ist. Dieser sollte lebenslang unter 6 mg/dl (360 µmol/l) gehalten werden. 12. ULT bei Patienten mit normaler Nierenfunktion: Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion wird als Firstline-ULT-Medikament Allopurinol empfohlen. Dabei sollte mit einer niedrigen Startdosierung begonnen und diese dann angepasst
Erektile Dysfunktion unter Gichtpatienten häufiger
Männer mit Gicht sind einer aktuellen Unter-
suchung zufolge häufig von erektiler Dys-
funktion (ED) betroffen. «Diese Resultate
machen deutlich, dass alle Männer mit Gicht
auf eine mögliche ED untersucht werden soll-
ten», erklärte die Leiterin der Studie Dr.
Naomi Schlesinger, Robert Wood Johnson Me-
dical School, in New Jersey/US. In die Studie
wurden 201 männliche Patienten einer Rheu-
maklinik zwischen 18 und 89 Jahre einge-
Naomi Schlesinger
schlossen, von denen 83 an Gicht litten. Die Gichtpatienten hatten signifikant häufiger
eine erektile Dysfunktion als Patienten ohne
diese Erkrankung (73% vs. 52%). Auch die schwere Form einer ED war
unter den Männern mit Gicht signifikant häufiger. Zurückzuführen seien
diese überraschend verbreiteten Dysfunktionen auf die kardiovaskulären
Schäden, die bei Gichtpatienten häufiger auftreten, meinte Schlesinger.
Ärzte sollten daher die Patienten auf eine mögliche ED ansprechen. KD
werden, bis das Behandlungsziel erreicht ist. Ist das mit einer angemessenen Allopurinol-Dosierung nicht möglich, sollte Allopurinol durch Febuxostat oder ein anderes Harnsäureausscheidung förderndes Mittel (Urikosurikum) ersetzt oder mit einem Urikosurikum kombiniert werden. Febuxostat oder ein Urikosurikum sind ebenfalls dann indiziert, wenn Allopurinol nicht toleriert wird. 13. ULT und renale Störungen: Bei Patienten mit renalen Störungen sollte die maximale Allopurinoldosierung adjustiert werden. Wenn der Zielwert mit der entsprechenden Dosierung nicht erreicht werden kann, sollten Patienten zu Febuxostat oder zu Benzbromaron mit oder ohne Allopurinol wechseln. Ausnahme sind Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate (eGFR) weniger als 30ml/Minute. 14. Pegloticase: Bei Patienten mit schwerer chronischer tophischer Gicht und geringer Lebensqualität, die mit keiner anderen Therapie in maximaler Dosierung (inklusive Kombination) ihren Harnsäurezielwert erreichen, ist Pegloticase* indiziert.
Fazit Mit diesem Update seien neue Medikamente wie IL1-Blocker, Febuxostat und Pegloticase eingeführt, sagte Bardin. Zudem wurde mehr Wert auf die Information der Patienten und mögliche kardiovaskuläre Komorbiditäten gelegt. Bei akuten Flares sei eine sofortige Behandlung auch in Selbstmedikation möglich. Zudem sei die Indikation für eine Urat-reduzierende medikamentöse Therapie nun weiter gefasst. Auch die Harnsäurezielwerte für eine schwere Ausprägung der Gicht wurden niedriger definiert.
Klaus Duffner
Typische (Haupt-)Lokalisation der Gicht am Grosszehengrundgelenk mit lateraler Weichteilschwellung. Quelle: Wikimedia Commons (Hellerhoff )
*Pegloticase ist in den USA zur Behandlung der chronischen Gicht zugelassen, aber in der Schweiz bisher nicht erhältlich.
Literatur: Richette P et al. Updated EULAR Evidence-Based Recommendations For The Management Of Gout. EULAR 2014. Abstract. SAT 0531
Quelle: Clinical session: Changing concepts of gout. EULAR-Kongress 12. Juni 2014 in Paris.
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