Transkript
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Alte und neue Medikamente immer wieder ein Thema
Interview mit Prof. Dr. Jörg Leuppi, Liestal
Das diesjährige Jahrestreffen der Pneumologen in Interlaken bot Neuigkeiten und Updates zu verschiedensten Themen in Vorträgen und Workshops. Wir unterhielten uns mit Prof. Dr. Jörg Leuppi, Kantonsspital Baselland, Liestal, über aktuelle Entwicklungen und persönliche Highlights am Kongress.
C ongress Selection: Herr Prof. Leuppi, welche Highlights sind Ihnen vom SGP-Kongress in Erinnerung geblieben? Prof. Dr. Jörg Leuppi: Was mir sehr gut gefallen hat, war die Zusammenstellung von Prof. Dr. Philippe Camus von der Universität Dijon über Medikamentennebenwirkungen, eine umfangreiche Auflistung über Medikamente, die der Lunge schaden können. Er stellte auch eine sehr nützliche Website vor (www.pneumotox.com). Eine Übersicht über die Differenzialdiagnose des Pleuraergusses präsentierte Prof. Dr. Thierry Rochat aus Genf; die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten wie auch die medizinische Thorakoskopie oder Pleuraverweilkatheter wurden von Prof. Dr. Martin Brutsche aus St. Gallen vorgestellt. Gut angekommen ist das Quiz, das Prof. Dr. Konrad Bloch und Kollegen veranstaltet haben und bei dem Pneumologinnen und Pneumologen ihr Wissen testen konnten. Und das Symposium zur interstitiellen Pneumopathie muss man hier ebenfalls erwähnen.
Was genau darf man sich darunter vorstellen? Die interstitiellen Pneumopathien sind ein Riesentopf mit verschiedenen Krankheiten. Vor allem aber geht es dabei um die idiopathische Lungenfibrose, abgekürzt IPF, beziehungsweise sprechen die Pathologen von UIP – usual interstitial lung disease. Das ist eine von der Ätiologie her völlig unbekannte
Krankheit, die vor allem bei Älteren zu einer Lungenfibrose in den unteren Lungenabschnitten führt. Die Fibrose stellt sich als Bienenwabe dar, es kommt zu Traktionsbronchiektasen, alles in allem eine Erkrankung mit ganz schlechter Prognose. Bis anhin haben wir hier keine Therapie gehabt. Aber jetzt kommt Pirfenidon*, eine alte Substanz, die eine Renaissance erlebt. Boehringer Ingelheim hat einen Antikörper entwickelt, der diesem Prozess entgegenwirken soll. Die IPF wird sicher auch am Kongress der American Thoracic Society ein Thema sein, denn auf diesem Gebiet bewegt sich etwas.
Gibt es weitere Krankheitsbilder, bei denen sich etwas verändert? Auch im Bereich der pulmonalen arteriellen Hypertonie tut sich etwas, da gibt es ebenfalls neue Substanzen. So sind beziehungsweise kommen neue Prostazyklinanaloga, Endothelinrezeptorantagonisten wie auch Phosphodiesterasehemmer 5 auf den Markt. Die COPD darf man auch erwähnen, hier kommen ganz verschiedene neue Medikamente. Es kommen mehr lang wirksame Beta-2-Mimetika, neue Anticholinergika sowie die ersten Kombinationen von lang wirksamen Beta-2-Mimetika mit lang wirksamen Anticholinergika auf den Markt.
Stichwort duale Bronchodilatation, ein neuer Ansatz? Wir behandeln schon länger mit einem lang wirksamen Anti-
1. Swiss Challenge in Respiratory Medicine
Anlässlich der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie am 8. Mai 2014, in Interlaken, fand der 1. Swiss Challenge in Respiratory Medicine statt. Bei diesem spannenden geistigen Wettkampf hatten die 4 Teams aus verschiedenen Kliniken unter Leitung der Quizmaster Prof. K. Bloch und PD T. Brack insgesamt 20 Fragen aus dem Gebiet der Pneumologie unter Zeitdruck zu lösen. Als Sieger ging das smarte und flinke «Team Lémanique» (mit Dres. Angela Koutsokera, Nicolas Petitpierre, Samir Lahstsami) aus dem Rennen hervor und gewann den Pokal der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie. Auch die Teams aus dem Kantonsspital Münsterlingen Dres. Frank Dusemund, Jean-Luc Kurzen, Yvonne Nussbaumer), dem Universitätsspital Zürich («The Ambuzzious»: Dres. Urs Bürgi, Lars Huber, Stefan Keusch) und dem Kantonsspital St. Gallen («AsBest»: Gabriel Benz, Matthias Frasnelli, Rebekka Kleiner) schlugen sich tapfer. Die Teams können nun auf die European Championships trainieren, die im September in München abgehalten werden. Die lehrreiche und unterhaltsame Veranstaltung stiess im gut besetzten Auditorium auf grossen Anklang.
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cholinergikum und lang wirksamen Beta-2-Mimetika. Neu ist jetzt, dass zwei langwirksame Substanzen, LAMA und LABA, in einer Kapsel beziehungsweise einer Inhalation zur Verfügung stehen. Diese Kombination ist grundsätzlich ab Stadium 2 indiziert, man beginnt hier sinnvollerweise mit einer Substanz – in Anlehnung an die Vogel-Meyer-Studien eher mit Anticholinergika. Haben diese keinen genügenden Effekt, gibt man die zweite Substanz dazu beziehungsweise ist eine Kombination sinnvoll.
Was ändert das kurz- oder langfristig? Diejenigen, die kein inhalatives Steroid brauchen, müssen dann nur noch einen Inhaler benutzen, nicht mehr zwei. Diejenigen, die schon alles bekommen, haben weiterhin zwei Inhaler, LABA plus ICS sowie das Anticholinergikum. Auch hier ist es wahrscheinlich nur eine Frage von Monaten oder Jahren, bis die Tripeltherapie in einem Inhaler kommt, dann wird es auch für fortgeschrittene Stadien einfach. Trotzdem, wie Prof. Russi schön dargestellt hat, gibt es Patienten, die lieber zweimal am Tag inhalieren wollen. Daher wird jedes Produkt seinen Platz haben. Es ist unsere Aufgabe, individuell abzuschätzen, welches Produkt für welchen Patienten am besten ist. Leider haben wir keine Tests oder Prädiktoren, die uns dabei helfen.
Kann sich durch die einfachere oder zuverlässigere Einnahme etwas an den Symptomen oder der Prognose ändern? Das wissen wir nicht, wir haben bis anhin kein Medikament, das erwiesenermassen die Prognose verbessert. Aber die Therapie wird einfacher – und wahrscheinlich ist die Compliance besser.
Wie sieht es mit Exazerbationen aus? Jede Gruppe hat für sich gezeigt, dass sie Exazerbationen vermindert. Die Kombination aus inhalativem Steroid und Beta-
Im Rahmen der Jahrestagung wurde Dr. med. Martin Frey (Mitte), Barmelweid, als neuer Präsident der SGP gewählt. Frey tritt die Nachfolge von Prof. Dr. med. Thomas Geiser (links) an, welcher das Amt seit 2013 innehatte. Rechts: Der frühere Präsident Dr. med. Werner Karrer.
2-Mimetikum reduziert die Exazerbationshäufigkeit zusätzlich. Ob die neuen Kombinationen einer alten Kombination überlegen sind, darüber wissen wir noch zu wenig.
Welchen Stellenwert hat die spezifische Immuntherapie bei Asthma? Eine Desensibilisierung sollte immer – vor allem beim saisonalen Asthma − als Therapieoption diskutiert werden. Speziell bei Patienten, bei welchen wenige Allergien für die Asthmasymptomatik verantwortlich sind, kann die Desensibilisierung einen guten therapeutischen Nutzen haben.
Das Gespräch führte Christine Mücke.
*Pirfenidon ist in der EU in Form von Kapseln im Handel (Esbriet®). Es wurde von der EMA im Jahr 2011 als «orphan drug» zugelassen. In der Schweiz ist die Substanz nicht registriert.
Preiswürdige Forschungsarbeiten ausgezeichnet
Während der SGP-Jahresversammlung wurden im Rahmen des Gesellschaftsabends sieben Preise für die besten Abstracts vergeben. Die Auswahl erfolgte durch die wissenschaftliche Kommission der SGP. Die Preise wurden von den Firmen GlaxoSmithKline und Pangas unterstützt. Die Gewinnerinnen und Gewinner sind: Dr. med. Dan Adler, Genf, für die Arbeit: «Inspiratory muscle dysfunction at ICU discharge in COPD and obese patients is highly prevalent and associated with early hospital readmission.» Dr. med. Florent Baty, St. Gallen, für die Arbeit: «High-throughput alternative splicing detection in patients with non-small cell lung cancer treated by bevacizumab/ erlotinib.» Dr. med. Michael Furian, Zürich, für die Arbeit: «Cerebral oxygenation in highlanders with and without high altitude pulmonary hypertension.» Dr. med. Tsogyal Latshang, Zürich, für die Arbeit: «Effect of travelling to 2590 m on 6-minute walk distance, pulmonary function and symptoms of acute mountain sickness in COPD patients.» Dr. med. Christian Schlatzer, Zürich, für die Arbeit: «The effect of simulated obstructive apnoea and hypopnoea on heart rhythm in patients with paroxysmal atrial fibrillation.» Dr. med. Anne Schmidt, Basel, für die Arbeit: «Lung growth in healthy children from infancy to early childhood – longitudinal data from a Swiss birth cohort study (BILD Study).» Dr. med. Esther Schwarz, Zürich, für die Arbeit: «The effect of short-term CPAP withdrawl on blood pressure and its clinical predictors: data from three randomisedcontrolled trials.»
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