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Neue Medikamente in der Hepatitis-C-Behandlung
Das Spektrum an Medikamenten zur Hepatitis-C-Behandlung wird sich in den nächsten Jahren erheblich erweitern. Zunehmend rückt auch eine interferonfreie Behandlung in Reichweite.
Mit Einführung der Proteaseinhibitoren hat eine neue Ära der Hepatitis-C-(HCV-)Behandlung begonnen. Die beiden ersten Proteaseinhibitoren (PI) Telaprevir (Incivo®) und Boceprevir (Victrelis®) haben in Studien mit bislang unbehandelten Patienten HCV Genotyp 1 (GT 1) zu Heilungsraten (Sustained Virological Response, SVR) von 70 respektive > 60 Prozent geführt, gegenüber zirka 40 Prozent mit der Dualtherapie aus pegyliertem Interferon (PEG) plus Ribavirin (RBV) (1, 2). Bei vorbehandelten Patienten HCV GT1 wurde mit beiden Wirkstoffen eine SVR > 60 Prozent erzielt (3, 4). An der United European Gastroenterology-Week in Berlin bezeichnete Prof. Dr. Mario Reis Alvares-da-Silva, University of São Paulo, die Triple-Therapie (PEG + RBV + einen PI) als neue Standardtherapie bei Betroffenen mit HCV GT 1. Trotz der Heilungsraten ist man von einer optimalen HCVBehandlung weit entfernt. Die ungenügende pangenotypische Wirkung und das im Vergleich zur dualen Therapie vermehrte Auftreten von unerwünschten Wirkungen verhindern die breite Anwendung der Tripletherapie. Mit Simepravir und Faldaprevir erhält im nächsten Jahr voraussichtlich die 2. Generation von Proteaseinhibitoren die Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). Die Substanzen wurden für die Behandlung bei HCV GT 1 untersucht und werden – wie bereits die erste Generation – voraussichtlich für die Kombinationsbehandlung mit Interferon zugelassen. Die neuen PI weisen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil auf, eine Lead-inStrategie ist obsolet. Einen Vorteil sieht Dr. Philip Bruggmann, Chefarzt Innere Medizin, Arud-Zentren für Suchtmedizin, Zürich und Chairman Swiss Experts in Viral Hepatitis (SEVHep) vor allem in der Erweiterung des Medikamentenspektrums. «Die breitere Auswahl erlaubt uns, die Therapie besser an die Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen», sagt er. Dies sei besonders wichtig für Patienten, die beispielsweise aufgrund einer fortgeschrittenen Lebererkrankung schwierig zu behandeln sind. Die Risiken einer Tripletherapie bei Patienten mit HCV-bedingter Leberzirrhose waren Gegenstand der französischen CUPIC-Studie, deren Ergebnisse an der UEG-Week diskutiert wurden (5). Wie die Analyse zeigte, waren in der
16. Behandlungswoche bei 40 Prozent der Patienten, die eine Tripletherapie mit Telaprevir oder Boceprevir erhalten hatten, ernsthafte Nebenwirkungen aufgetreten. Das Risiko für schwere Komplikationen und Tod betrug 44,1 Prozent, wenn die Thrombozytenzahl vor der Behandlung unter 100 000/mm3 und das Serumalbumin unter 35 g/dl gelegen Philip Bruggmann hatte. Aufgrund der Ergebnisse rieten die Investigatoren davon ab, Patienten mit diesen Laborwerten mit einer Tripletherapie zu behandeln.
Interferonfreie HCV-Behandlung Die Forschung in der Hepatitis-C-Behandlung konzentriert sich wie im Fall der Ribavirin- und Interferonanaloga auf die Optimierung vorhandener Wirkstoffe, die Modifikation der Immunantwort (Vakzine, Immunmodulatoren) oder den Einsatz von Medikamenten, beispielsweise Lipidsenker, mit dem Ziel, die antivirale Aktivität aktueller Therapien zu erhöhen. Mit der Entwicklung von neuen Directacting Antiviral Agents (DAA), die miteinander kombiniert werden, rücken zwei Hauptziele der Hepatitis-C-Behandlung zunehmend in Reichweite: die Behandlung von NonRespondern und der Verzicht auf Interferon. Verschiedene interferonfreie DAA-Kombinationen befinden sich zurzeit in klinischen Studien (Kasten). «Die höheren Heilungsraten, die bessere Verträglichkeit und die Anwendung bei Betroffenen, bei denen eine HCV-Behandlung aufgrund des Interferonzusatzes bisher nicht möglich war, werden dazu führen, dass viele Patienten von diesen Therapien profitieren», so Bruggmann. Ob und welche Rolle die Kombination mit Ribavirin zukünftig spielen wird, ist noch nicht abschliessend geklärt. «Es gibt Studien mit Ribavirin und potente Zweierkombinationen ohne Ribavirinzusatz», erklärte der Experte. Vermutlich werden aber auch in Zukunft beide Strategien verfolgt: «Je komplexer das Krankheitsbild, desto mehr Medikamente müssen kombiniert werden.» Bis es soweit ist, muss man sich noch ein bisschen gedulden. «Im nächsten Jahr werden die interferonfreien
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DAA-Kombinationen voraussichtlich noch nicht zugelassen», so der Spezialist. Ein interferonfreies Therapieregime sei jedoch bereits mit Sofosbuvir, zum Beispiel in Kombination mit dem Polymerase-Inhibitor Simeprevir vorstellbar. Die beiden Wirkstoffe Sofosbuvir (Gilead) und Simeprevir (Janssen) wurden zwischen Ende November und Anfang Dezember im Abstand von 2 Wochen von der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) als Bestandteil einer HCV-Kombinationsbehandlung mit Interferon zugelassen. Eine Zulassung der direkten Kombination existiert noch nicht. Wie sich am 64. Jahreskongress der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) Anfang November letzten Jahres in Washington DC zeigte, existieren aber bereits Untersuchungen dazu. Die dort vorgestellte COSMOS-Studie, eine randomisierte Open-LabelPhase-IIb-Studie, untersuchte die Kombination Sofosbuvir plus Simeprevir mit oder ohne RBV über einen Behandlungszeitraum von 12 oder 24 Wochen bei bislang unbehandelten Patienten oder Non-Respondern in verschiedenen Krankheitsstadien (6). Vollständige Ergebnisse der Studie konnten nur für die Gruppe der Null-Responder mit fehlender bis moderater Leberfibrose (n = 80) präsentiert werden. Diese zeigte für das duale Therapieregime eine SVR12 von 93 Prozent (12 und 24 Wochen) und für die Dreifachkombination eine SVR12 von 96 (12 Wochen) und 79 Prozent (24 Wochen). «Eine Schwierigkeit dieser Therapie wird die Finanzierung sein», so Bruggmann. Angesichts der zu erwartenden Preise sind die Chancen einer Rückvergütung durch die Krankenversicherung ungünstig, so lange es sich um eine Off-label-Behandlung handelt.
Regina Scharf
Quelle: Mario Reis Alvares-da-Silva: «Treatment of Hepatitis C: Standard of care for 2013»; Christophe Hézode: «The new drugs for HCV: Can we achieve interferon-free HCV treatment?» Syllabus Contributions, UEG-Week, 12. bis 16. Oktober 2013 in Berlin.
Literatur: 1. Jacobson IM, et al. Telaprevir for previously untreated chronic hepatitis C virus infection. N Engl J Med. 2011; 364 (25): 2405–2416. 2. Poordad F et al. Boceprevir for untreated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med. 2011; 364 (13): 1195–1206. 3. Bacon BR et al. Boceprevir for previously treated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med. 2011; 364 (13): 1207–1217. 4. Zeuzem Set al. Telaprevir for retreatment of HCV infection. N Engl J Med. 2011; 364 (25): 2417–2428. 5. Hézode C et al. Triple therapy in treatment-experienced patients with HCV-cirrhosis in a multicentre cohort of the French Early Access Programme (ANRS CO20-CUPIC) NCT01514890. J Hepatol. 2013 Sep; 59 (3): 434–441. 6. Jacobson IM et al. SVR results of a once-daily regimen of simeprevir (TMC435) plus sofosbuvir (GS-7977) with or without ribavirin in cirrhotic and non-cirrhotic HCV genotype 1 treatment-naive and prior null responder patients: the COSMOS study. 64th Annual Meeting of the American Association for the Study of Liver Diseases, Washington DC, abstract LB-3, 2013. 7. Kowdley KV et al. A 12-week interferon-free treatment regimen with ABT-450/r, ABT-267, ABT-333 and ribavirin achieves SVR rates of 99% in treatmen-naïve patients and 93% in prior null responders with HCV genotype 1 infection. Hepatology 2012; 56 (Suppl): LB1. 8. Gane EJ et al. Once daily sofosbuvir (GS-7977) plus ribavirin in patients with HCV genotypes 1, 2 and 3: the ELECTRON trial. Hepatology 2012; 56 (Suppl): 306A. 9. Sulkowski MS et al. High rate of sustained virologic response with the all-oral combination of daclatasvir (NS5A inhibitor) plus sofosbuvir (nucleotide NS5B inhibitor), with or without ribavirin in treatmentnaïve patients chronically infected with HCV genotypes 1, 2 or 3. Hepatology 2012; 56 (Suppl): LB2. 10. Everson GT et al. An interferon-free, ribavirin-free 12-week regimen of daclatasvir (DCV), asunaprevir (ASV), and BMS-791325 yielded SVR4 of 94% in treatment-naive patients with genotype (GT) 1 chronic hepatitis C virus (HCV) infection. Hepatology 2012; 56 (Suppl): LB3.
Interferonfreie DAA-Kombinationen in klinischen Studien*
Name Aviator7
Phase 3
Electron8
2
2
Substanzen
ABT-450/r + ABT-267 und/oder ABT-333 ± RBV
Patientenprofil
HCV GT 1 unbehandelt/ Null Responder
Sofosbuvir + Ledispavir + RBV
Daclatasvir + Sofosbuvir ± RBV9
HCV GT 1 Unbehandelt/ Null Responder
HCV GT 1, 2, 3 unbehandelt
Daclatasvir + Asunaprevir + BMS-79132510
HCV GT 1 unbehandelt
Dauer (Wochen) 8, 12, 24
12
12/24
12 24
Outcome
Vorher unbehandelt: SVR4 = 98,7% (12 Wo), 96,2% (24 Wo) Vorher Null-Responder: SVR4 = 93,3% (12 Wo), 97,7% (24 Wo) Vorher unbehandelt: RVR 100% (25/25) Vorher Null-Responder: RVR 88% (8/9) GT 2, 3: SVR12 = 86% (24 Wo ± RBV) GT 1: SVR12 = 100% (24 Wo ± RBV) SVR12: 94% SVR4: 94%
SVR4,12 = Sustained Virological Response 4, 12 Wochen nach Therapieabschluss, RVR = Rapid Virological Response, GT = Genotyp, RBV=Ribavirin. *Die Tabelle erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Die Auswahl beruht auf dem Beitrag von Christophe Hézode.
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