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Schwere atopische Dermatitis bei Kindern
Wenn nur noch Systemtherapien helfen
In Europa leiden 10 bis 13 Prozent aller Kinder unter 6 Jahren zumindest zeitweilig unter einer atopischen Dermatitis (AD). Während die überwiegende Zahl der Fälle eher mild verläuft und mit topischen Medikamenten behandelt werden kann, zeigen manche Kinder so schwere Symptome, dass an eine systemische Behandlung gedacht werden muss. Ein Überblick.
B is anhin besteht noch kein Konsensus über die Behandlung von Kleinkindern mit AD. Zudem hätten viele Dermatologen mit systemischen Antisuppressiva kaum Erfahrung, gab am EADV in Istanbul Dr. Mette Deleuran vom Aarhus University Hospital in Dänemark zu bedenken. In einer grossen Umfrage unter Dermatologen und Pädiatern in acht europäischen Ländern wollte man nun wissen, wie immunsuppresive Substanzen bei kindlichen schweren atopischen Ekzemen tatsächlich eingesetzt werden (1).
Grosse Unterschiede beim Einsatz von Immunsuppressiva in Europa Dabei zeigte sich, dass rund 43 Prozent der Befragten Cyclosporin, 30 Prozent Kortikosteroide und 22 Prozent Azathioprin als First-Line-Therapeutika verwenden. Als Second-Line-Substanzen waren wiederum Cyclosporin und Azathioprin, aber auch Methotrexat beliebt. Gleichzeitig wurden gewaltige Unterschiede zwischen den Ländern festgestellt. So ist Azathioprin in Dänemark (über 60%) und Grossbritannien (40%) mit Abstand am häufigsten die «erste Wahl», während es im benachbarten Deutschland, aber auch in Italien und Frankreich überhaupt nicht oder nur marginal als First-Line-Medikament zum Einsatz kommt.
Gründe für eine Systemtherapie Wann ist eine Systemtherapie bei Kindern indiziert? Prinzipiell sollte vor allem dann an systemische Medikamente gedacht werden, wenn Kinder mit schwerer und schwerster atopischer Dermatitis nicht oder nicht mehr ausreichend auf Topika reagieren. Auch schwere physische oder psychische Beeinträchtigungen, eine stark abnehmende Lebensqualität sowie kortikoidinduzierte Atrophien der Haut sind Gründe für eine Systemtherapie. Dabei seien das Verständnis der Eltern für einen solchen Schritt, die Adherence der Beteiligten, eine regelmässige Laborkontrolle und die enge Zusammenarbeit mit dem Hausarzt
entscheidende Voraussetzungen. Obwohl für Kinder keine kontrollierten Untersuchungen verfügbar sind, sind systemische Glukokortikoide weitverbreitet. Tatsächlich seien kurzzeitige Behandlungen eine Option für schwere Flares, sagte Deleuran, zumal klinische Erfahrung zur Effektivität mittlerweile vorliege. Allerdings werde eine Langzeitbehandlung mit Steroiden aufgrund der vielen Nebenwirkungen nicht empfohlen, betonte die dänische Dermatologin (2).
Cyclosporin A und Azathioprin Am besten untersucht für eine Systemtherapie bei Kindern ist bislang Cyclosporin A. In einem systematischen Review von 15 Arbeiten, in das sowohl Erwachsene als auch Kinder einbezogen wurden (n = 602), konnte nach 6 bis 8 Wochen eine Verbesserung um durchschnittlich 55 Prozent verzeichnet werden (3). Dabei sei zur Prävention möglicher Rückfälle ein kontinuierlicher Einsatz des Medikaments notwendig. Die Metaanalyse habe zudem gezeigt, dass Cyclosporin A von Kindern besser vertragen werde als von Erwachsenen. Für die Verwendung von Azathioprin liegt eine 12 Jahre alte retrospektive Studie mit 48 Kindern vor (4). 28 von ihnen zeigten auf die Azathioprinbehandlung eine exzellente, 13 eine gute und 7 eine nur geringe Response. Keiner der kleinen Patienten hatte dabei eine Neutropenie entwickelt. Auch in einer aktuellen amerikanischen Untersuchung wurden 12 Kinder mit schwerer, hartnäckiger, atopischer Dermatitis mit Azathioprin (1,25–3,4 mg/kg/ Tag) über 7 bis 11 Monate behandelt (5). Dabei sei eine bemerkenswerte Verbesserung der Symptome bei 11 der 12 Kinder beobachtet worden, sagte Deleuran. Die mittlere Reduktion des SCORAD (Scoring Atopic Dermatitis = der im europäischen Raum gebräuchlichste Score zur Bewertung des Schweregrads) betrug 27,7; die registrierten unerwünschten Nebenwirkungen waren gering. Beim Einsatz von Azathioprin sollte bei Kindern mit einer niedrigen Testdosierung (1 mg/kg/Tag) begonnen werden
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beziehungsweise die Aktivität der Thiopurinmetaboliten gemessen werden. «Denken Sie immer daran, dass es sich hierbei um eine langsam wirksame Substanz handelt, seien Sie deshalb geduldig», erklärte Deleuran. Und noch eines sollte man wissen: 10 bis 20 Prozent der Patienten würden die Azathioprintherapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen. Auch das Immunsuppressivum Mycofenolat-Mofetil wurde in einer kleinen Studie mit 14 Kindern zwischen 2 und 16 Jahren getestet (6). Nach der 2 bis 24 Monate andauernden Behandlung waren 4 Kinder komplett symptomlos, 9 zeigten eine exzellente Response, bei einem war die Therapie gescheitert. In einer weiteren Studie brachte die Mycofenolat-Mofetil-Therapie 8 von 12 Kindern eine signifikante Verbesserung (7). Dieses Immunsuppressivum, so die dänische Expertin, könne als systemische Behandlungsalternative eingesetzt werden. Allerdings sei die Therapie mit gastrointestinalen Nebenwirkungen beziehungsweise Zytopenie verbunden, zudem sei sie relativ teuer.
Viel Erfahrung mit Methotrexat Und Methotrexat? Der Folsäureantagonist ist den meisten Dermatologen wohlbekannt, da es schon seit mehr als 50 Jahren im Einsatz ist. Auch für die Behandlung von Kindern besteht vor allem in anderen Indikationen (z.B. Kinderrheumatologie) reichlich Erfahrung mit dem Medikament. In einer neueren australischen Untersuchung wurden 25 Kinder zwischen 3 und 16 Jahren mit schweren diskoiden Ekzemen mit Methotrexat behandelt (8). Die Patienten litten im Durchschnitt seit 4 Jahren an den Ekzemen. Mit einer initialen Dosierung von 10 mg/Woche und einer Erhaltungsdosis von 5 bis 15 mg/Woche (plus 5 mg Folsäure) zeigten 16 Kinder (64%) eine vollständige Clearence und 3 Kinder eine Beinaheclearence. Die Resultate von 3 Kindern waren nach 23 Monaten immer noch nicht befriedigend, und die Behandlung eines Patienten scheiterte komplett. In einer neuen ägyptischen Studie wurde schliesslich die Wirksamkeit von Methotrexat gegen die von Cyclosporin bei 40 Kindern (7–14 Jahre) mit schwerer atopischer Dermatitis verglichen (9). Es zeigte sich nach 12 Wochen eine nahezu identische Wirksamkeit. Interessant sei die im Vergleich zu Erwachsenen schnellere initiale Response auf Methotrexat nach 3 bis 5 Wochen bei Kindern, so Deleuran. Gerade bei AD-Patienten mit schwerem chronischem Verlauf habe sich eine Langzeitbehandlung mit Methotrexat bewährt. So müssten manche Betroffene 1, 2, 3 Jahre oder sogar noch länger behandelt werden, und das Medikament würde von Kindern relativ gut vertragen.
Neue Wege in der Behandlung Auch intravenöse Immunglobuline (IVIG) könnten zur Behandlung von atopischen Ekzemen in speziellen Fällen eine Therapieoption sein. In einer australischen Studie mit 10 Kindern (2–16 Jahre), die schon viele andere systemische Behandlungen vergeblich hinter sich hatten, führten Im-
munglobuline (Octagam oder Sandoglobulin) zu einer signifikanten Symptomverbesserung, zu weniger Infektionen und Hospitalisationen (10). Zudem wurde eine 3-monatige, randomisierte Untersuchung mit 40 Kindern durchgeführt, wovon monatlich 30 IVIG und 10 Plazebo erhielten. Nach 3 und 6 Monaten war in der Verum- im Vergleich zur Plazebogruppe der SCORAD signifikant reduziert (11). Schliesslich könnten auch Biologika in Zukunft eine vielversprechende Option werden. Tatsächlich habe man einen dringenden Bedarf nach neuen Strategien für die Behandlung der schweren atopischen Dermatitis, betonte die dänische Spezialistin. Zwar würden derzeit nur Studien mit Erwachsenen durchgeführt werden (Phase 1 und 2), aber möglicherweise könnten Substanzen wie Ustekinumab oder Dupilumab neue Wege öffnen. Letztere ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der die Signale von Interleukin-4 als auch Interleukin-13 stört. Beides sind Schlüsselzytokine bei der Entstehung der atopischen Dermatitis. Erste Ergebnisse zeigen signifikante Hautverbesserungen bei Patienten mit moderater bis schwerer AD (12). Als Nebenwirkungen traten vor allem Nasopharyngitis und Kopfschmerzen auf.
Klaus Duffner
Literatur: 1. Proudfoot LE. Br J Fermatol 2013; eingereicht. 2. www.pharmaca-and-drugs.com 3. Schmitt J et al. Cyclosporin in the treatment of patients with atopic eczema – a systematic review and meta-analysis. JEADV 2007; 21: 606– 619. 4. Murphy LA et al. A retrospective evaluation of azathioprine in severe childhood atopic eczema, using thiopurine methyltransferase levels to exclude patients at high risk of myelosuppression. Br J Dermatol 2002; 147 (2): 308–315 . 5. Caufield M et al. Oral azathioprine for recalcitrant pediatric atopic dermatitis: clinical response and thiopurine monitoring. J Am Acad Dermatol. 2013; 68 (1): 29–35. 6. Heller M et al. Mycofenolat-mofetil for severe childhood atopic dermatitis: experience in 14 children. Br J Dermatol 2007; 157 (1): 127–132. 7. Waxveiler WT et al. Systemic treatment of pediatric atopic dermatitis with azathioprine and mycophenolate mofetil. Pediatr Dermatol 2011; 28 (6): 689–694. 8. Roberts H et al. Methotrexate is a safe and effective treatment for paediatric discoid (nummular) eczema: A case series of 25 children. Aus J Dermatol 2010; 51: 128–130. 9. El-Khalawany MA et al. Methotrexate versus cyclosporine in the treatment of severe atopic dermatitis in children: a multicenter experience from Egypt. Eur J Pediatr 2013; 172 (3): 351–356. 10. Turner PJ et al. Intravenous immunoglobulin to treat severe atopic dermatitis in children: a case series. Pediatric Dermatol 2012; 29 (2): 177–181. 11. Jee S et al. Long-term efficacy of intravenous immunoglobulin therapy for moderate to severe childhood atopic dermatitis. Allergy Asthma Immunol Res 2011; 3: 89–95. 12. Simpson E et al: Treatment of patients with moderate-to-severe atopic dermatitis with dupilumab (REGN668/SAR231893; IL-4Rα mAb): Analysis of pooled phase Ib studies shows significant improvement in skin disease severity and pruritus. 2013; Abstract AAD Meeting, Miami.
Quelle: «Atopic eczema in childhood.» Session am 22. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 4. Oktober 2013 in Istanbul.
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