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Plötzlicher Herztod im Leistungssport
Oft liegen tödliche Arrhythmien zugrunde
Plötzliche Herztode von Sportlern sind nicht nur schockierende, sondern auch irritierende Ereignisse. Besonders wenn es sich nicht um ältere Freizeitjogger, sondern um professionelle Athleten handelt, bei denen von ausgezeichnetem Trainingszustand und regelmässigen medizinischen Untersuchungen ausgegangen werden kann. Im Rahmen des europäischen Kardiologenkongresses (ESC) war diesem Thema ein eigenes Symposium gewidmet.
Dr. Cristina Basso, Professorin für kardiovaskuläre Pathologie an der Universität Padua, wies dabei auf die vielfältigen und oft nicht einfachen Diagnosen hin, die bei der Autopsie plötzlich verstorbener Sportler gestellt werden. Dabei wird durchaus auch eine koronare Herzkrankheit – auch ohne akute Thrombose – als Todesursache gefunden. Bei gut trainierten Athleten sind in solchen Fällen oft angeborene Anomalien der Koronarien im Spiel. Diese Kombination kann, so Basso, bei Untersuchungen durchaus unerkannt bleiben. Oft sei es jedoch für die Pathologen sehr schwierig, die Todesursache auszumachen und beispielsweise zwischen einem sehr gut entwickelten – weil trainierten – Herzmuskel und einer hypertrophen Kardiomyopathie zu unterscheiden. Hier gebe es durchaus Grauzonen, die nur durch eine homogenere Autopsiepraxis aufgeklärt werden könnten.
Genetisch bedingte Arrhythmien unerkannt Prof. Dr. Peter van Tintelen von der Rijksuniversiteit Groningen betonte, dass zahlreiche Todesfälle infolge genetisch bedingter Arrhythmien nicht erkannt würden und nur eine genaue Familienanamnese Licht in derartige Todesfälle bringen könne. Auch einige bekannte Mutationen führten nicht automatisch zum plötzlichen Herztod, sondern stellten lediglich eine Prädisposition dar, die in Kombination mit Ausdauertraining gefährlich werden könne. Das gelte vor allem für die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD), von der bekannt sei, dass sich Training ungünstig auf die Prognose auswirke.
Weitere Ursache: erworbene Kardiomyopathie Prof. Dr. Hein Heidbüchel von der Universität Leuven, Belgien, bringt noch eine weitere Facette ins Spiel: Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC). Diese Schädigung des rechten Ventrikels ist klinisch der
Auch professionelle Athleten in gutem Trainingszustand und unter regelmässiger medizinischer Kontrolle sind vor einem plötzlichen Herztod nicht gefeit (Bild: Edmonton BGTriathlon World Cup Elite Women).
ARVD ähnlich, soll jedoch keinen genetischen Hintergrund haben, sondern erworben sein. Die ARVC wurde in Fallserien als Ursache für tödliche Arrhythmien bei Sportlern identifiziert, wobei die Angaben zur Inzidenz stark schwanken. Je nach Studie werden zwischen 3,5 und 22 Prozent der Herztodesfälle von Sportlern auf eine ARVC zurückgeführt. Sie ist als familiäre Erkrankung bekannt, bei der genetische Mutationen in der desmosomalen DNA zur rechtsventrikulären Kardiomyopathie führen können. Allerdings nehmen Heidbüchel und einige andere Rhythmologen an, dass bei extremem Ausdauertraining eine ARVC auch ohne die bekannten Anomalien der Mitochondrien auftreten kann. Heidbüchel: «Wir haben gute Daten, die zeigen, dass extreme Ausdauerleistung den rechten Ventrikel so belasten kann, dass er auch Schaden nimmt, wenn keine genetische Prädisposition vorhanden ist.» Mehrere Gruppen konnten zeigen, dass Sport sowohl zu erhöhtem Pre Load als auch erhöhtem After Load des rechten Ventrikels führt.
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Wie hoch die Belastung des rechten Ventrikels ist, zeigen Untersuchungen mit Dopplerultraschall, die auf einen stark erhöhten Druck in den Pulmonalarterien während des Trainings hinweisen. Heidbüchel und seine Gruppe fanden bei Athleten unter Belastung pulmonale Blutdruckwerte jenseits der 80 mmHg. Gesunde Nichtathleten erreichen im Vergleich einen geringeren kardialen Output, dafür aber auch deutlich weniger Druck im Lungenkreislauf. Diese Extrembedingungen führen zu erheblichem Stress auf die Herzmuskelzellen. Mittlerweile wurde auch in Studien gezeigt, dass nach einer Extrembelastung wie einem Triathlon der rechte Ventrikel etwas dilatiert und hypokontraktil ist (1). Von diesem Schaden erholt sich der Herzmuskel in den meisten Fällen schnell. Leider trifft das jedoch nicht immer zu. Bei manchen Sportlern dürfte es zu kumulativen, mikroskopischen Verletzungen des Myokards kommen. Heidbüchel: «Zum Glück ist das selten. Wir schätzen, dass die Prävalenz solcher Schäden bei Athleten, die extreme Sportarten wie Triathlon betreiben, bei 3 bis 5 Prozent liegt.» Der Experte ist überzeugt, dass diese Verletzungen arrhythmogen sein können, und formulierte eine Hypothese der «exercise-induced ARVC» (2). Die Hypothese stützt sich auf Daten aus der Klinik. So publizierte Heidbüchel bereits vor zehn Jahren eine Fallserie von Sportlern, die nach extremer Belastung mit unspezifischen kardialen Beschwerden auffällig wurden. Bei 86 Prozent dieser Patienten lag eine ventrikuläre Arrhythmie mit Ursprung im rechten Ventrikel vor. Eine Nachbeobachtung über mehrere Jahre zeigte, dass 9 der 46 Patienten am plötzlichen Herztod verstarben (3).
Derzeit keine Prognosen zur Verträglichkeit möglich Leider lässt sich nach gegenwärtigem Wissensstand nicht vorhersagen, wer extremes Ausdauertraining vertragen wird und wer nicht. Heidbüchel und seine Gruppe fanden bei Sportlern mit ARVC nur bei einer Minderheit jene Mutationen, die üblicherweise mit dieser Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Es scheint also, dass extremes Training alleine in der Lage ist, den rechten Ventrikel so schwer zu schädigen, dass daraus lebensbedrohliche Rhythmusstörungen resultieren. Daran sollten Ärzte denken, wenn sie mit Leistungssportlern zu tun haben. Denn wenn Anzeichen für die angesprochenen Veränderungen auftreten, muss man dem Sportler empfehlen, den extremen Ausdauersport aufzugeben. Ein generelles Sportverbot bedeutet das jedoch – so Heidbüchel – nicht.
Reno Barth
Referenzen: 1. La Gerche A et al., Exercise-induced right ventricular dysfunction and structural remodelling in endurance athletes. Eur Heart J. 2012; 33 (8): 998–1006. 2. Heidbüchel H, Prior DL, La Gerche A, Ventricular arrhythmias associated with long-term endurance sports: what is the evidence? Br J Sports Med. 2012; 46 Suppl 1: i44–50. 3. Heidbüchel H et al., High prevalence of right ventricular involvement in endurance athletes with ventricular arrhythmias. Role of an electrophysiologic study in risk stratification. Eur Heart J. 2003; 24 (16): 1473–1480.
Quelle: «Sudden death in Athletes», Symposium im Rahmen des ESC, 1. September 2013 in Amsterdam.
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