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Das akute Koronarsyndrom ohne STStreckenhebung darf nicht unterschätzt werden. Sowohl die amerikanischen als auch die europäischen Leitlinien empfehlen für Non-STEMIPatienten eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und einem P2Y12-Rezeptor-Inhibitor. In den Guidelines der ESC nimmt Ticagrelor dabei eine besondere Stellung ein.
S tudiendaten zeigen, dass beim NonSTEMI zwar die Mortalität infolge des Indexereignisses während des Spitalsaufenthalts gering ist, dass sich daraus jedoch keineswegs eine mittelfristig bessere Prognose als nach einem STEMI ableiten lässt (1). Vielmehr trifft das Gegenteil zu: Auf längere Sicht haben Patienten nach Non-STEMI die schlechtere Prognose mit höherer Morbidität und Mortalität. So verstarben in der FAST-MIStudie aus dem Jahr 2005 innerhalb von 5 Jahren nach dem ersten Ereignis 40 Prozent der Non-STEMI-Patienten, während das Outcome bei den STEMI-Patienten deutlich günstiger war. In anderen Arbeiten wie zum Beispiel der britischen GRACE-Studie waren die Folgen des NonSTEMI nicht ganz so katastrophal, doch das Gesamtbild bleibt das gleiche: Der Non-STEMI ist auf längere Sicht mindestens so gefährlich wie der STEMI.
ESC-Empfehlungen Dementsprechend empfehlen die Guidelines der ESC nach Non-STEMI auch ein relativ aggressives Vorgehen: Für 1 Jahr soll eine konsequente Inhibition der Plättchenaggregation vorgenommen werden, wofür eine duale Strategie mit ASS (das danach lebenslang weiter genommen werden soll) und einem P2Y12-Rezeptor-Inhibitor empfohlen wird. Die duale Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) sollen nach Möglichkeit alle Patienten erhalten – unabhängig davon, mit welcher Revaskularisationsstrategie das akute Koronarsyndrom behandelt wird. Nur bei ausgesprochenen Kontraindikationen kann auf die DAPT verzichtet werden.
Konsequente Risikosenkung nach Non-STEMI
Risikoscores werden nicht allen Patienten gerecht Gemäss den Guidelines der verschiedenen kardiologischen Gesellschaften soll das individuelle Risiko von Non-STEMIPatienten anhand von Risikoscores erhoben werden. Dies sei in der Praxis jedoch nicht immer ganz unproblematisch und könne auch zu Ergebnissen führen, die nicht mehr dem gesunden Menschenverstand folgen, wie Prof. Dr. Nicholas Danchin vom Hôpital Européen George Pompidou in Paris ausführt. Das liege vor allem am hohen Stellenwert, den die Scores dem Patientenalter zuschreiben. Daher bestehe die Gefahr, das Risiko jüngerer Patienten mit erheblichen Risikofaktoren zu unterschätzen. Auch liefern die Scores tendenziell falsche Ergebnisse, wenn die Patienten bereits unter erfolgreicher Therapie stehen. Zwischen den europäischen und den amerikanischen Empfehlungen für das Management von Patienten nach Non-STEMI bestehen erhebliche Unterschiede. So muss gemäss der europäischen ESC-Leitlinie der Einsatz des P2Y12-Rezeptor-Inhibitors auf 12 Monate beschränkt werden. Das sieht man in den USA lockerer. Laut ACCF/AHA-Guidelines kann der P2Y12-Rezeptor-Inhibitor bei Patienten mit DrugEluting-Stent auch länger gegeben werden. «Die europäischen Empfehlungen machen genauere Vorgaben, die amerikanischen geben flexiblere Anweisungen», fasst Prof. Dr. Marco Valgimigli vom Universitätsspital Ferrara den Mentalitätsunterschied zusammen. Für beide Denkweisen gibt es Argumente, zumal einige Studien Vorteile durch längere Behandlung andeuten. Die Wahl des verwendeten Stents könnte dabei eine Rolle spielen und Einfluss auf die optimale Dauer der DAPT nehmen. Die Frage nach der idealen Dauer des Einsatzes von P2Y12Rezeptor-Inhibitoren soll nun in mehreren grossen Studien (DAPT, ISAR-SAFE und ITALIC) geklärt werden.
Auch hinsichtlich der Wahl des P2Y12-Rezeptor-Inhibitors sind die europäischen Vorgaben klarer. Empfohlen werden von der ESC die neueren Substanzen Prasugrel oder Ticagrelor. Dabei gilt die Empfehlung für Ticagrelor praktisch uneingeschränkt und umfasst alle Non-STEMIPatienten mit moderatem bis hohem Risiko ischämischer Events. Die primäre Interventionsstrategie oder die initiale Therapie spielen für den Einsatz von Ticagrelor keine Rolle. Prasugrel wird hingegen nur bei P2Y12-Rezeptor-Inhibitornaiven Patienten nach PCI empfohlen (2). Hinsichtlich des Therapiebeginns sind die europäischen Guidelines streng: Der P2Y12-Rezeptor-Inhibitor soll zum ehest möglichen Zeitpunkt gegeben werden. Laut Dr. Peter Clemmensen vom Herzzentrum des Rigshospitalet in Kopenhagen steht hinter den Empfehlungen der ESC solide Evidenz. In der PLATO-Studie konnte gezeigt werden, dass Ticagrelor im Vergleich zu Clopidogrel bei Non-STEMI-Patienten die kardiovaskuläre Ereignisrate reduziert, ohne dass es dadurch vermehrt zu Blutungen kommt (3).
Reno Barth
Referenzen: 1. Fox KA et al. Underestimated and under-recognized: the late consequences of acute coronary syndrome (GRACE UK-Belgian Study). Eur Heart J 2010; 31: 2755–2764. 2. Hamm CW et al. ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute coronary syndromes (ACS) in patients presenting without persistent ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Euro Heart J 2011; 32: 2999–3054. 3. Lindholm D et al. Ticagrelor versus clopidogrel in patients with non-ST-elevation acute coronary syndrome: Results from the PLATO trial. J Am Coll Cardiol 2013; 61(10): E1.
Quelle: «Cases on optimizing oral antiplatelet therapy in the management of Acute Coronary Syndrome». Satellitensymposium von Astra Zeneca im Rahmen des ESC, Amsterdam, 3. September 2013.
12 Kardiologie ESC 2013