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Invasive Pneumokokkenerkrankung: Mortalität senken
Ernüchternde Daten: Trotz aller Fortschritte in Diagnostik und Therapie liegt die Mortalität bei stationär aufgenommenen Patienten mit invasiver Pneumokokkenerkrankung nach wie vor bei etwa 12 Prozent – das entspricht etwa den Zahlen von 1957. Neue, effektive Behandlungsoptionen sind in naher Zukunft nicht zu erwarten; die einzige Erfolg versprechende Option sehen Experten in der Prävention mittels Impfung.
Das Problem werde sich angesichts der alternden Weltbevölkerung eher noch verschärfen, prognostiziert Prof. Dr. Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover. Derzeit liegt die Inzidenz der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) bei 4 bis 10/1000 Erwachsene pro Jahr, die Mortalität hängt stark von der Patientengruppe ab (1): Kommen ambulante Patienten mit 1 bis 2 Prozent noch relativ glimpflich davon, sehen sich stationäre Patienten schon einer Mortalität von 10 bis 20 Prozent gegenüber, und auf Intensivstationen sterben bis zu 50 Prozent an einer invasiven Pneumokokkenerkrankung (2). Auch die Kosten sind enorm, «Schätzungen gehen von jährlich 10,1 Milliarden Euro (12,3 Milliarden Fr.) für die Behandlung von CAP-Patienten in Europa aus», berichtet Welte (3).
Hochpathogene S. pneumoniae Wichtigstes Pathogen ist eindeutig Streptococcus pneumoniae. «Laut einer aktuellen schwedischen Studie ist bei 38 Prozent der CAP-Patienten dieser Keim nachweisbar, doch bei noch verfeinerter Diagnostik stellen sich wahrscheinlich mehr als 70 Prozent der Pneumonien als S.-pneumoniae-induziert heraus.» (4). Die Mortalität lässt sich auf die hohe Anzahl der Pathogenitätsfaktoren zurückführen: Mit einer Infektion ist die «dramatische Erhöhung» der proinflammatorischen Belastung sowie der Mediatorantwort assoziiert. Bei Komorbiditäten wie Tumorerkrankung, chronischen Erkrankungen von Herz, Lunge, Leber oder Nieren sowie Diabetes mellitus ist ein schwererer Krankheitsverlauf zu beobachten (5, 6). «Diese Krankheiten sind bei Älteren dominanter, ein Grund für die zu erwartende erhöhte Inzidenz in den nächsten Jahren und Jahrzehnten», kommentiert der Fachmann.
Kombinationstherapie überlegen, unabhängig von Resistenz In der Standardtherapie der Pneumokokkenerkrankung führt die Kombination aus Beta-Laktam-Antibiotikum und
Makrolid zu einer 20- bis 30-prozentigen Verbesserung des Überlebens gegenüber der Beta-Laktam-Monotherapie, wie Welte entsprechende Studiendaten vorstellt (7). Diese Überlegenheit wurde in einer deutschen Studie bestätigt (8): Die Kombinationstherapie war hier mit niedrigerer 14Tages-Gesamtmortalität und niedrigerem Risiko eines therapeutischen Versagens zu Tag 14 beziehungsweise 30 assoziiert. Auch bakteriämische Patienten haben einen Nutzen: Bei ihnen führt die Kombinationstherapie zu einer 70-prozentigen Verminderung der Mortalität (9). «Die Analyse der Resistenzmuster ergab ausserdem, dass der Nutzen gleichermassen bei Patienten mit Makrolidresistenzen wie auch bei Patienten mit Suszeptibilität auftrat. Das bedeutet, der antibiotische Effekt der Makrolide ist nicht die Ursache der besseren Outcomes», erklärt Welte. Andere Wirkmechanismen der Makrolide könnten ebenfalls relevant sein, unter anderem die Il-8-Hemmung (wichtiger Chemotaxisfaktor für Granulozyten) sowie die Verminderung des gastroösophagealen Refluxes: «Speziell der letzte Punkt ist bei älteren und multimorbiden Patienten von Bedeutung, da der Reflux bei der Prolongierung von Pneumokokkeninfektionen eine zentrale Rolle einnimmt.»
Mortalität senken: Impfung «einzig machbarer Weg» Doch trotz der therapeutischen Fortschritte liegt die Mortalität stationär aufgenommener Patienten mit invasiver Pneumokokkenerkrankung bei 12 bis 13 Prozent, «im Vergleich zu den Fünfzigerjahren eine nur marginale Veränderung», wie Welte kommentiert. Resistenzen sind diesbezüglich «kein Problem», neue Antibiotika würden daher keine Abhilfe schaffen. Die Immunmodulation der Verteidigungsmechanismen des Wirtes mittels Antikörper und Ähnlichem «stellt sicher eine interessante Alternative dar, doch diese therapeutische Option wird kaum in den nächsten 10 Jahren zur Verfügung stehen». Die Impfung sei daher der einzig machbare Weg, um die Krankheits-
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belastung zu verbessern, so der Experte. Die Impfung sollten ältere (über 50 Jahre) sowie multimorbide Patienten und Immunsupprimierte erhalten. Die Ähnlichkeiten mit der Zielgruppe der Influenza-Impfung ist dabei kein Zufall. «Eine Arbeit hat kürzlich bestätigt, dass Patienten mit viraler Erkrankung eine mehr als 10-fach erhöhte Suszeptibilität für schwere bakterielle Erkrankungen haben, vor allem für grampositive Keime wie Streptococcus pneumoniae oder Staphylococcus aureus», führt Welte aus (10). «Während eines starken InfluenzaWinters ist dementsprechend eine dramatische Erhöhung der Pneumokokkenerkrankungen zu beobachten.» Die Influenza-Impfung sei daher ebenfalls immer zu empfehlen, und zwar nicht nur für Schwangere, Ältere, Multimorbide oder Immunsupprimierte, sondern auch und vor allem für Gesundheitsfachleute, betont der Pneumologe abschliessend.
Lydia Unger-Hunt
Quelle: «How can we reduce the mortality of invasive pneumococcal disease?», ERS Annual Congress, 8. September 2013, Barcelona.
Literatur: 1. Welte T, Köhnlein T: Global and local epidemiology of communityacquired pneumonia: the experience of the CAPNETZ Network; Semin Respir Crit Care Med 2009; 30: 127–135. 2. Welte T Thorax 2010 – nicht gefunden. 3. Welte T, Torres A, Nathwani D: Clinical and economic burden of community-acquired pneumonia among adults in Europe; Thorax 2012; 67: 71–79. 4. Johansson N et al.: Etiology of community-acquired pneumonia: increased microbiological yield with new diagnostic methods; Clin Infect Dis 2010 15; 50: 202–209. 5. Butler JC et al.: Epidemiology of pnemococcal infections in the elderly; Drugs Aging 1999; 15: Suppl 1; 11–19. 6. (no authors listed) 23-valent pneumococcal polysaccharide vaccine. WHO position paper; Wkly Epidemiol Rec. 2008; 83: 373–384. 7. Rodríguez A, Mendia A, Sirvent JM et al.; CAPUCI Study Group.: Combination antibiotic therapy improves survival in patients with community-acquired pneumonia and shock; Crit Care Med. 2007; 35: 1493–1498. 8. Tessmer A, Welte T, Martus P et al.: Impact of intravenous betalactam/macrolide versus beta-lactam monotherapy on mortality in hospitalized patients with community-acquired pneumonia. J Antimicrob Chemother. 2009; 63: 1025–1033. 9. Restrepo MI, Mortensen EM, Waterer GW et al.: Impact of macrolide therapy on mortality for patients with severe sepsis due to pneumonia. ERJ 2009; 33: 153–159. 10. Wu P, Goldstein E, Ho LM et al.: Excess mortality associated with influenza A and B virus in Hong Kong, 1998–2009; J Infect Dis. 2012; 206: 1862–1871.
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