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Update zur eosinophilen Ösophagitis
Vermehrt an diese allergieartige Krankheit denken!
Die eosinophile Ösophagitis ist eine chronische, allergieartige Entzündung der Speiseröhre mit eosinophiler Infiltration, die meistens gegenüber Protonenpumpeninhibitoren resistent ist. An einem von Prof. Dr. Alex Straumann, Konsiliarpraxis für Gastroenterologie, Olten, geleiteten Workshop berichtete der pädiatrische Gastroenterologe Dr. Alberto Ravelli, Clinica Pediatrica Università di Brescia, Italien, über Besonderheiten, die bei diesem immer häufigeren Krankheitsbild im Kindesalter zu beachten sind.
V or 20 Jahren wurde die eosinophile Ösophagitis, die neuerdings abgekürzt als EoE bezeichnet wird, als eigenständige Krankheit erkannt. Es handelt sich um eine chronische Entzündung mit Schluckbeschwerden, die ohne Behandlung persistieren. Gefürchtet sind unvorhersehbare Einklemmungen fester Nahrungspartikel und als Spätschaden der chronischen Entzündung das Remodeling des Ösophagus mit Fibrosierung, Strikturen und Funktionseinschränkung (1). Die Diagnose wird histologisch gestellt aufgrund der dicht mit eosinophilen Granulozyten infiltrierten Ösophagusmukosa. Im Gegensatz dazu sind in der gesunden Speiseröhrenschleimhaut keine eosinophilen Granulozyten zu finden. Bei der Endoskopie ist die EoE nicht leicht erkennbar, weil oft nur geringfügige, unspezifische Veränderungen sichtbar sind (z.B. rötliche Längsfurchen und weisse Auflagerungen, die mit einer Soorinfektion verwechselt werden können, aber eosinophile Mikroabszesse darstellen) oder weil die Speiseröhre sogar normal aussehen kann.
Von EoE sind vorwiegend Männer und Knaben betroffen
Meist sind junge Männer betroffen. Anamnestisch berichten Betroffene über Dysphagie für geformte Speisen und Bolusimpaktierungen als Leitsymptome (1). Besonders beim hastigen Essen und bei trockenen oder faserigen Nahrungsmitteln (z.B. Trockenreis, faseriges Fleisch) treten Beschwerden auf, die von leichtem Würgen bei der Passage bis zu kompletten Obstruktionen während Minuten bis Stunden reichen. Bei betroffenen Kindern ist das Spektrum der Beschwerden breiter (retrosternale und abdominale Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Reflux, Regurgitation von Speisen, beeinträchtigtes Gedeihen). Wegen der rasch zunehmenden Prävalenz kommt der EoE eine immer grössere Bedeutung zu. Eine prospektive,
während 20 Jahren durchgeführte Studie zeigte in der Region Olten (ca. 90 000 Einwohner), dass die jährliche EoEInzidenz ab dem Jahr 2003 deutlich zunahm (2). Von 1989 bis 2009 wurde bei 46 Patienten neu eine EoE-Diagnose gestellt, wobei 3 der Betroffenen Kinder unter 16 Jahren waren. Im Jahr 2009 betrug die kumulative EoE-Prävalenz 42,8 pro 100 000 Einwohner, vergleichbar mit der Prävalenz des M. Crohn (2). Die EoE ist eine durch Antigene ausgelöste allergische Erkrankung (3). Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen sind vorbestehende atopische Erkrankungen bekannt (allergische Rhinokonjunktivitis, Asthma, atopische Dermatitis, Nahrungsmittelallergie). Bei den meisten, aber nicht bei allen Patienten mit EoE sind mittels Hauttests (Pricktest) oder durch Serumuntersuchungen (spezifische IgE-Antikörper) Sensibilisierungen auf Nahrungsmittelallergene, inhalative Allergene oder beides nachweisbar. Pathogenetisch handelt es sich um eine Th2-assoziierte Erkrankung, bei der in der Ösophagusmukosa vermehrt eosinophile Granulozyten, Mastzellen, IgE und Mediatoren wie Interleukin 5 und Interleukin 13 zu finden sind. Zur Behandlung kommen in erster Linie topische Kortikosteroide (nicht inhaliert, sondern geschluckt) in Betracht, zum Beispiel Fluticason (Axotide® 250 DosierAerosol) oder Budesonid (Pulmicort® 0,25 mg/ml Respules). Wenn die Beschwerden und die Entzündung nicht ansprechen, können in zweiter Linie systemische Kortikosteroide und in besonderen Fällen in dritter Linie Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin), Biologika (z.B. Mepolizumab) eingesetzt und bei Stenosen oder Strikturen Dilatationen vorgenommen werden (1). Diätetische Therapien (Elimination der Nahrungsmittelallergene) sind besonders bei Kindern Erfolg versprechend. Methoden zur Toleranzinduktion wurden bei Patienten mit EoE noch nicht evaluiert (3).
18 Allergologie/Asthma EAACI/WAO 2013
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Der gegen Interleukin 5 gerichtete monoklonale, humanisierte Antikörper Mepolizumab wurde zunächst zur Asthmabehandlung entwickelt. Das Zytokin IL-5 spielt eine Schlüsselrolle bei der Proliferation, der Reifung und der Überlebensdauer der eosinophilen Granulozyten. In klinischen Studien, die mit EoE-Betroffenen durchgeführt wurden, konnten die Biologika Mepolizumab und Reslizumab (ein weiterer Anti-IL-5-Antikörper) die Eosinophilenzahl im Ösophagus und im peripheren Blut reduzieren. Allerdings wurden damit in Studien bisher keine signifikanten klinischen Besserungen erreicht. In den neu bearbeiteten Empfehlungen zur EoE-Therapie werden Biologika vorläufig nicht zur Routinetherapie empfohlen (3).
Besonderheiten der EoE im Kindesalter
Eine EoE kann in jedem Lebensabschnitt auftreten. Ravelli ging von einer EoE-Prävalenz von insgesamt 1:1000 Personen in der Allgemeinbevölkerung aus, wobei pädiatrische Patienten ein Drittel der Fälle ausmachen. Bei Kindern sind die EoE-Symptome stark altersabhängig. Bei Säuglingen stehen zuerst Erbrechen und Gedeihstörungen im Vordergrund. Danach machen Regurgitation und Bauchschmerzen den kleinen Kindern zu schaffen. Im Kleinkindes- und Vorschulalter sind dann Regurgitation und Sodbrennen Leitsymptome, bei Schulkindern und Adoleszenten schliesslich – ähnlich wie bei Erwachsenen – Dysphagie und wiederholte Bolusimpaktionen. Überlappungen zwischen den 3 Krankheitsbildern der primären gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD), der Kuhmilchallergie mit sekundärer GERD und der EoE erschweren die korrekte Diagnosestellung.
Auslöser, seltener Eier, Weizen oder Soja. Innerhalb des ersten Lebensjahres entwickelt sich bei den betroffenen Säuglingen in der Regel Toleranz gegen Kuhmilch. Auch bei 16 älteren Kindern zwischen 2 und 14 Jahren fand Ravelli eine ähnliche kuhmilchproteininduzierte Proktokolitis mit eosinophiler Infiltration und rektalen Blutungen (7). Wie bei den Säuglingen handelte es sich nicht um IgEvermittelte Reaktionen. Durch Meidung von Kuhmilch konnten die Blutungen rasch gestoppt werden.
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Straumann A et al. Eosinophile Ösophagitis: Eine Krankheit mit schnell wachsender Bedeutung. Schweiz Med Forum 2008; 8: 724–728. 2. Hruz P et al. Escalating incidence of eosinophilic esophagitis: A 20year prospective, population-based study in Olten County, Switzerland. Allergy Clin Immunol 2011; 128: 1349–1350. 3. Liacouras CA et al. Eosinophilic esophagitis: Updated consensus recommendations for children and adults. J Allergy Clin Immunol 2011; 128: 3–20. 4. Stewart MJ et al. The association between celiac disease and eosinophilic esophagitis in children and adults. BMC Gastroenterology 2013; 13: 96. 5. Abonia JP et al. High prevalence of eosinophilic esophagitis in patients with inherited connective tissue disorders. J Allergy Clin Immunol 2013 (Epub ahead of print). 6. Alfadda AA et al. Eosinophilic colitis: epidemiology, clinical features, and current management. Ther Adv Gastroenterol 2010; 4: 301–309. 7. Ravelli A et al. Dietary Protein-Induced Proctocolitis in childhood. Am J Gastroenterol 2008; 103: 2605–2612.
Quelle: Workshop 17: «Gastro-intestinal food allergy». Vortrag von Dr. Alberto Ravelli, Clinica Pediatrica Università di Brescia, Italien: «Eosinophilic esophagitis and proctocolitis: how often do we have to take it into consideration?» EAACI-WAO World Allergy & Asthma Congress, 24. Juni 2013 in Mailand.
Eosinophile Entzündung auch am anderen Ende des Gastrointestinaltrakts
In den letzten 10 Jahren erschienen auch vermehrt Arbeiten über die eosinophile Kolitis, die sowohl Erwachsene als auch Kinder betreffen kann (6). Nahrungsmittelallergien sind aber nicht die einzige mögliche Ursache für eosinophile Infiltrationen im Dickdarm. Auch Parasiteninfestationen (z.B. Helminthen), Medikamente (z.B. Clozapin, Carbamazepin, Rifampicin, Naproxen) und Radiotherapie sind weitere potenzielle Auslöser. Die Diagnose der eosinophilen Kolitis ist auch dadurch erschwert, dass für die normale Zahl von Eosinophilen im Kolon ein proximaldistaler Gradient besteht (zunehmende Anzahl vom Caecum bis zum Rektum). Ravelli machte besonders auf die kuhmilchproteininduzierte eosinophile Proktokolitis im frühen Säuglingsalter aufmerksam. Betroffen sind 1 bis 3 Monate alte, gesunde, glückliche Säuglinge, deren Eltern sich grosse Sorgen machen, weil der Stuhl des Nachwuchses Blut enthält. Mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder wird gestillt, sodass Diätinterventionen oft nicht bei den Säuglingen, sondern bei den Müttern sinnvoll sind. Meist ist Kuhmilch der
Wann sollten Sie an eine EoE denken?
In den folgenden Fällen sollte eine EoE in Betracht gezogen werden, besonders wenn Knaben betroffen sind:
• Säuglinge mit Erbrechen und Ernährungsproblemen, wenn sie nicht auf Antirefluxmedikamente und auf Hydrolysat-Formulanahrung angesprochen haben.
• Kinder und Adoleszente mit Dysphagie bei festen Speisen und mit wiederholten Bolusimpaktionen, besonders wenn anamnestisch eine respiratorische Allergie oder eine Nahrungsmittelallergie besteht.
• Kinder mit GERD, die nicht auf einen Protononenpumpeninhibitor angesprochen haben.
• Kinder mit Zöliakie, denn es besteht eine auffällige Assoziation zwischen Zöliakie und EoE. Bei Kindern mit Zöliakie ist das Risiko, zusätzlich auch an EoE zu erkranken, 50- bis 75-fach erhöht (4).
• Patienten mit vererbten Bindegewebeerkrankungen wie Marfan-Syndrom oder Ehlers-Danlos-Syndrom. Kürzlich berichtete die Arbeitsgruppe von Marc Rothenberg, Cincinnati Children’s Hospital Medical Center, Cincinnati, USA, dass das Risiko einer EoE-Diagnose bei Patienten mit vererbten Bindegewebeerkrankungen 8-fach erhöht sei (5).
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