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CongressSelection
Spezifische Immuntherapie
Neue Wege zur Verbesserung der Adhärenz
Die spezifische Immuntherapie, ob subkutan oder sublingual durchgeführt, wird bis anhin nur wenig verwendet, und viele Patienten brechen die jahrelange Behandlung vorzeitig ab. Gefragt sind nun innovative, weniger zeitaufwändige Formen der Immuntherapie, doch der Weg von der Forschung in den klinischen Alltag ist steinig, so Prof. Dr. Thomas Kündig, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich.
O bschon die Erfolgsrate der spezifischen Immuntherapie (SIT) hoch ist (bei Pollenallergien 70 bis 80 Prozent) und es damit gelingt, die Progression beispielsweise von Heuschnupfen zu Asthma zu stoppen, entscheiden sich nur etwa 4 Prozent der allergischen Patienten für eine SIT. Abschreckend wirken der grosse Zeitaufwand und die potenziellen allergischen Nebenwirkungen. Eine konventionelle subkutane Immuntherapie (SCIT) macht 30 bis 80 Allergeninjektionen während 3 bis 5 Jahren nötig. Mit der neueren sublingualen Immuntherapie (SLIT) konnte die Behandlungsdauer nicht verkürzt werden. Obschon die SLIT eigentlich eine recht bequeme Behandlung ist, liegt die Adhärenz auf einem enttäuschend niedrigen Niveau, denn nur 10 bis 20 Prozent der Patienten beenden tatsächlich die 3-jährige SLIT.
Von der SCIT zur ILIT
Es besteht bei der SIT eine Dosisabhängigkeit, denn höhere Allergendosen erhöhen die Effektivität der SCIT und der SLIT. Sehr hohe Dosen können aber nicht auf konventionellem Weg verabreicht werden, weil durch Mastzellen und Basophile lokale und systemische Nebenwirkungen ausgelöst werden (1). Bei der intralymphatischen Immuntherapie (ILIT) wird das Allergen direkt dem Immunsystem zugeführt, sodass viel weniger Injektionen ausreichen, um wesentlich schneller mit einer viel geringeren kumulativen Allergendosis gute Behandlungserfolge zu erzielen. Die Injektion in den Inguinallymphknoten sei einfach durchführbar und nicht schmerzhaft, da Lymphknoten nicht innerviert seien, so der Referent. Dass lediglich 3 intralymphatische Injektionen innerhalb von 2 Monaten ausreichend sind, macht die ILIT attraktiv für Allergiepatienten. Die positiven Resultate einer in Zürich durchgeführten ILIT-Studie bei graspolleninduzierter Rhinokonjunktivitis konnten kürzlich am Karolinska-Institut in einer plazebo-
kontrollierten Doppelblindstudie bestätigt werden. Durch ILIT mit Graspollen- oder Birkenpollenextrakt (3 inguinale intralymphatische Injektionen von ALK Alutard, 1000 SQU-Pollen enthaltend) konnte eine signifikante Symptombesserung bei allergischer Rhinitis erzielt werden, im Vergleich zu fehlender Symptombesserung bei Plazebo-ILIT (2). Es wäre also möglich, bestehende SCIT-Extrakte zu verdünnen und direkt in Lymphknoten zu injizieren. Doch die Verdünnungen mit neuem Applikationsweg müssten als neue Produkte registriert werden. Wenn schon ein neues Produkt nötig sei, dann könnte mit einem speziell konzipierten, modifizierten rekombinanten Allergen die intralymphatische Verabreichung noch optimiert werden, sagte sich Kündig. Seine Arbeitsgruppe konzipierte mit dem rekombinanten Hauptallergen der Katzenepithelallergie (Fel d 1) eine spezielle Vakzine und testete sie in einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie. Mit 3 Injektionen im Abstand von jeweils 4 Wochen konnten in der Verumgruppe ein starker Anstieg der IgG-4-Antikörper und eine Stimulation der regulatorischen T-Zell-Antwort nachgewiesen werden (1). Die nasale Toleranz als primärer Endpunkt der Studie nahm um das 74-Fache zu (p < 0,001 vs. Plazebo). Die ILIT stellt also eine vielversprechende Weiterentwicklung der SIT dar, weil die nötige Allergendosis und die Anzahl der Injektionen reduziert und zudem die Sicherheit der Behandlung und die Compliance der Patienten erheblich verbessert werden können. Epidermale Immuntherapie: bequem, schmerzlos und rasch wirksam Auf der Suche nach einem noch bequemeren Applikationsweg für die SIT stiess die Arbeitsgruppe von Kündig auf die epikutane Immuntherapie, eine in Form der Skarifikationsmethode schon seit 1957 bekannte Behandlung. EAACI/WAO 2013 Allergologie/Asthma 13 CongressSelection In der Epidermis sind potente antigenpräsentierende Zellen in grosser Zahl vorhanden. Blutgefässe fehlen, was diesen Applikationsweg sicher macht. Bei der von Kündig entwickelten Form der epidermalen Immuntherapie (EPIT) wird das Stratum corneum vor der Allergenapplikation durch 6-maliges Abreissen eines Klebebandes vorbereitet. Das Allergen in Vaseline wird dann als Pflaster auf die vorbereitete Armhaut aufgeklebt. In einer doppelblinden, plazebokontrollierten Dosiseskalationsstudie reichten lediglich 6 in wöchentlichen Abständen vor und während der Pollensaison aufgeklebte Pflaster bei Patienten mit graspolleninduzierter Rhinokonjunktivitis aus, um die Pollenallergiesymptome in der Pollensaison des folgenden Jahres im Vergleich zur Plazebo-EPIT erheblich zu bessern (3). Der Effekt der EPIT erwies sich als dosisabhängig. Mit der höchsten Dosis wurde eine 70-prozentige Besserung der Heuschnupfensymptome erreicht, ein signifikant besseres Resultat als mit der Plazebo-EPIT erzielt wurde (25-prozentige Besserung). Als häufigste unerwünschte Wirkung kam Pruritus unter dem Pflaster vor. Alfred Lienhard Referenzen: 1. Senti G et al. Intralymphatic immunotherapy for cat allergy induces tolerance after only 3 injections. J Allergy Clin Immunol 2012; 129: 1290–1296. 2. Hylander T et al. Intralymphatic allergen-specific immunotherapy: An effective and safe alternative treatment route for pollen-induced allergic rhinitis. J Allergy Clin Immunol 2013; 131: 412–420. 3. Senti G et al. Epicutaneous allergen-specific immunotherapy ameliorates grass pollen-induced rhinoconjunctivitis: A double-blind, placebo-controlled dose escalation study. J Allergy Clin Immunol 2012; 129: 128–135. Quelle: Plenary Symposium 5: «Clinical progress in immunotherapy». Vortrag von Prof. Dr. Thomas Kündig, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich: «Novel immunotherapy modalities». EAACI-WAO World Allergy & Asthma Congress, 25. Juni 2013 in Mailand. 14 Allergologie/Asthma EAACI/WAO 2013