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Asthma-Update
Lancierung des «Global Atlas of Asthma»
Mit dem «Global Atlas of Asthma» lancierte die European Academy of Allergy and Clinical Immunology am gemeinsamen EAACI-WAO World Allergy & Asthma Congress 2013 eine umfassende, aktuelle Standortbestimmung zu allen Aspekten von Asthma. Im reichhaltig und attraktiv illustrierten Buch mit 179 Seiten Umfang geben 80 renommierte Autoren in 59 Kapiteln in konziser Form Auskunft über den neusten Wissensstand in Sachen Asthma.
M it dem «Global Atlas of Asthma» will die EAACI auf den wichtigen Platz hinweisen, den Asthma in nationalen Gesundheitsstrategien und in der Forschung beansprucht (1). Das Werk ist in vier Teile gegliedert: • Epidemiologie, Risikofaktoren, Pathogenese, Asthma-
phänotypen und Asthmamanagement • mit Asthma assoziierte Krankheiten (z.B. Atopie, gastro-
ösophagealer Reflux, Nahrungsmittelallergien) • wichtige Problemfelder bei Asthma (z.B. Asthmaexazer-
bationen, schweres Asthma, Behandlungsadhärenz) • Asthmaprävention und Asthmakontrolle.
Molekulare Phänotypen: Asthma ist eine heterogene Krankheit
In ihrem Beitrag zum «Global Atlas of Asthma» legt Prof. Dr. Sally Wenzel, Division of Pulmonary Allergy and Critical Care Medicine, University of Pittsburgh, USA, dar, dass Asthma eine heterogene Krankheit ist, die aus zahlreichen unterschiedlichen Subtypen besteht. Aufgrund der Konstellation, die aus der Interaktion zwischen genetischer Anlage und Umwelteinflüssen resultiert, kann man verschiedene Asthmaphänotypen unterscheiden (z.B. früh beginnendes allergisches Asthma, mit Adipositas assoziiertes Asthma). Pathophysiologische Charakteristiken und Biomarker werden zur Unterscheidung von molekularen Phänotypen berücksichtigt. Bei etwa der Hälfte der erwachsenen Patienten mit leichtem bis schwerem Asthma handelt es sich um einen Th2artigen, eosinophilen molekularen Phänotyp. Als Biomarker eignen sich Bluteosinophile, Periostin und Exhaled Nitric Oxide. Die Berücksichtigung dieser Th2-artigen Biomarker erlaube eine bessere Erkennung von Asthmapatienten, die auf Th2-gerichtete Therapien ansprechen. Aber auch der Th2-artige Asthmatyp ist nicht einheitlich, sondern umfasst mehrere Subtypen mit unterschiedlichem Ansprechen auf verschiedene Therapien:
• Leichtes Asthma mit anstrengungsinduziertem Bronchospasmus: mastzellassoziiert, Ansprechen auf Therapien, die sich gegen Interleukin 9 richten.
• Leichtes, früh beginnendes, allergisches Asthma: hereditär, Ansprechen auf Kortikosteroide und auf Therapien, die sich gegen die Interleukine 4 und 13 richten.
• Erst im Erwachsenenalter beginnendes, hochgradig eosinophiles Asthma: mit Nasenpolypen und ASS-Überempfindlichkeit, Ansprechen auf Therapien, die sich gegen Interleukin 5 richten.
• Schweres, früh beginnendes, allergisches Asthma: hereditär, geringes Ansprechen auf Kortikosteroide, aber gutes Ansprechen auf Therapien, die sich gegen die Interleukine 4 und 13 richten.
Beim zweiten Asthmaphänotyp fehlen Zeichen einer Th2Entzündung und die entsprechenden Biomarker. Das Ansprechen auf Kortikosteroide ist in der Regel gering. Zu diesem nicht Th2-assoziierten molekularen Asthmaphänotyp gehören das adipositasassoziierte Asthma, das neutrophile Asthma, das pauzigranulozytäre Asthma und das mit Rauchen assoziierte Asthma.
Nahrungsmittelallergien und Asthma
Oft sind Nahrungsmittelallergien und Asthma miteinander gekoppelt. Die fünf wichtigsten Zusammenhänge werden im Beitrag von Prof. Dr. Ronald van Ree, Department of Experimental Immunology, Academic Medical Center, Amsterdam, dargestellt. Asthma ist eine der Manifestationsformen allergischer Reaktionen auf Nahrungsmittel. Auch Zusatzstoffe (Additiva) wie Sulfite oder Natriumglutamat können Asthma auslösen. Zudem ist bekannt, dass Kochdämpfe von Fisch, Krabben und Eiern asthmatische Symptome provozieren können. Die Inhalation von Weizenmehl kann für Bäckerasthma verantwortlich sein. Ein zweiter wichtiger Aspekt der Asthma-Nahrungsmittelallergie-Connection besteht darin, dass Patienten, die auf Nahrungsmittel allergisch reagieren und zugleich Asthma
EAACI/WAO 2013 Allergologie/Asthma
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haben, ein erhöhtes Risiko aufweisen, beim Kontakt mit dem Nahrungsmittelallergen eine schwere anaphylaktische Reaktion zu erleiden. Beim dritten Zusammenhang geht es um den zeitlichen Ablauf, denn häufig gehen die Sensibilisierungen gegenüber Nahrungsmittelallergenen (mit Bildung spezifischer IgE-Antikörper) und die klinische Allergie der Asthmaentwicklung voraus. Dabei bildet die Nahrungsmittelallergie einen Risikofaktor für das spätere Auftreten von Asthma. Der vierte Aspekt betrifft das gemeinsame Vorhandensein der beiden chronischen Krankheiten. Während Milch- und Eierallergien bei den meisten Kindern bis zum Alter von 5 Jahren wieder verschwinden, bleiben andere Nahrungsmittelallergien (z.B. Erdnussund Nussallergien) auch dann weiter bestehen, wenn das Asthma dazukommt. Kreuzreaktionen sind verantwortlich für den fünften Zusammenhang, denn durch Pollen induzierte IgE-Antikörper können mit Nahrungsmittelantigenen reagieren. Manche Asthmapatienten mit saisonaler allergischer Rhinitis, die durch Baum- oder Graspollen ausgelöst wird, beginnen nach einigen Jahren zusätzlich zur Pollenallergie auch noch Symptome einer Nahrungsmittelallergie zu entwickeln. Meistens handelt es sich dabei nur um leichte, auf die Mundhöhle beschränkte Symptome (orales Allergiesyndrom). Besonders Birkenpollenallergiker sind betroffen. Ihre IgE-Antikörper bewirken Kreuzreaktionen mit Früchten (z.B. Äpfel), Nüssen (z.B. Haselnüsse) und Gemüsearten (z.B. Karotten, Sellerie).
Spezifische Immuntherapie bei Asthma
Die allergenspezifische Immuntherapie (SIT oder AIT) bilde die einzige Möglichkeit, respiratorische Allergien ursächlich zu behandeln und den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen, schreiben Dr. Beatrice Bilò, Allergy Unit, Ospedali Riuniti di Ancona, Italien, und Dr. Moisés Calderón, Section of Allergy and Clinical Immunology, Imperial College, London, UK, sowie Dr. Victòria Cardona, Allergy Section, Hospital Vall d’Hebron, Barcelona, Spanien. Im Zentrum der immunologischen Wirkmechanismen der SIT steht die Induktion einer allergenspezifischen Immuntoleranz durch Bildung von allergenspezifischen regulatorischen T-Zellen (Treg). Aufgrund neuer Forschungen erhielten die früher als Suppressor-T-Zellen bezeichneten Zellen den neuen Namen Treg-Zellen (2). Treg-Zellen können eine allergenspezifische Immuntoleranz induzieren, bei der die allergischen Entzündungsreaktionen unterdrückt sind. Mit zahlreichen Suppressorfaktoren können Treg-Zellen die Zytokinabgabe von Th2-Zellen (z.B. von IL-4, IL-5, IL-13) unterbinden. Auch beeinflussen Treg-Zellen direkt und indirekt die Mastzellen, Basophilen und Eosinophilen, sodass diese Effektorzellen nicht mehr zur allergischen Entzündung beitragen können. Durch eine SIT wird zudem die Bildung von allergenspezifischen Antikörpern des Subtyps IgG4 induziert (2).
Die Wirksamkeit und die Sicherheit der SIT bei der Behandlung des allergischen Asthmas seien in etlichen kontrollierten, klinischen Studien nachgewiesen worden, schreiben die Autoren. Dennoch werde die Rolle der SIT beim allergischen Asthma – anders als bei der allergischen Rhinitis – immer noch kontrovers diskutiert. Die aktuellste Metaanalyse zur subkutanen Immuntherapie (SCIT) des allergischen Asthmas bei Erwachsenen und Kindern ergab insgesamt eine signifikante Abnahme der Asthmasymptome und des Bedarfs an Asthmamedikamenten (3). Auch konnte eine signifikante Verbesserung der allergenspezifischen bronchialen Hyperreaktivität festgestellt werden. Die Reduktion der bronchialen Hyperreaktivität ist ein Mass für die Verminderung des Risikos akuter Asthmaepisoden bei zukünftiger plötzlich stark erhöhter Exposition gegenüber inhalativen Allergenen. Die Metaanalyse randomisierter, kontrollierter Studien umfasste 42 Immuntherapiestudien zu Hausstaubmilbenallergien, 27 Pollenallergiestudien, 10 Tierepithelallergiestudien, 2 Cladosporium-Schimmelpilzallergiestudien, 2 Latexallergiestudien und 6 Studien zu multiplen Allergenen (3). Die Autoren der Metaanalyse berechneten, dass jeweils 3 Patienten mit SCIT behandelt werden müssen, um bei 1 Fall die Verschlechterung der Asthmasymptome zu verhindern. 4 Patienten müssen behandelt werden, um 1 Fall die Intensivierung der medikamentösen Therapie zu ersparen. Die SCIT vermöge nach bronchialer Allergenprovokation nicht nur frühe, sondern auch späte Asthmareaktionen zu reduzieren, was auf einen antiinflammatorischen Effekt der Immuntherapie hinweise, schreiben die Autoren. Obschon einige Studien die Wirksamkeit der sublingualen Immuntherapie (SLIT) bei Asthma belegen, fällt in Metaanalysen eine beträchtliche Heterogenität auf. Im Vergleich zur SCIT wird das Sicherheitsprofil der SLIT sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen als besser beurteilt. Doch die Autoren halten fest, dass die SCIT als sichere Behandlungsform gelten kann, wenn die Kinder oder Erwachsenen gut ausgewählt werden und die Behandlung von gut geschultem Fachpersonal durchgeführt wird.
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Akdis CA et al. Global Atlas of Asthma. Published by the European Academy of Allergy and Clinical Immunology, 2013. www.eaaci.org. 2. Jutel M et al. Immunological mechanisms of allergen-specific immunotherapy. Allergy 2011; 66: 725–732. 3. Abramson MJ et al. Injection allergen immunotherapy for asthma. Cochrane Database Syst Rev 2010: CD001186.
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