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Der von der Firma Mepha Pharma AG gestiftete KHM-Forschungspreis wurde 2013 an eine Forschungsarbeit zu Prävalenz und Symptomatik des Vitamin-D-Mangels in der Hausarztpraxis verliehen.
Im Sommer und Winter zu oft zu wenig Vitamin D
Studie bei Luzerner Hausarztpatienten
A ls Gastreferentin sprach Frau Prof. Dr. Heike Bischoff-Ferrari, Geriatrie Universitätsspital Zürich, über «Alt werden, ohne alt zu sein», das Motto der modernen Alternsforschung. Diese zielt als Endpunkt auf die Funktionalität ab – und nicht auf eine Erkrankung oder ein einzelnes Organ. Eine Verlängerung der Lebenserwartung um sieben Jahre würde alle chronischen altersassoziierten Erkrankungen – Krebs, Herz-Kreislauf-Leiden, Osteoporose, Demenz – im Risiko halbieren. Die Europäische Union will in den kommenden 20 Jahren die Lebenserwartung immerhin um zwei gesunde Jahre verlängern. Dabei kann sie auf das in Europa bessere Gesundheitsniveau der Bevölkerung bauen, beispielsweise lag die gesunde Lebenserwartung 2002 in den USA bei 69,2 Jahren, in der Schweiz aber bei 73,4 Jahren. Im Rahmen der Gesundheitsförderung im Alter verbinden sich heute grosse Hoffnungen mit der ausreichenden Versorgung mit Vitamin D, wie die rasant gestiegene Zahl von Publikationen zeigt.
Zu tiefe Vitamin-D-Spiegel sind sehr häufig
An der preisgekrönten Studie beteiligten sich Dr. Christoph Marco Merlo und Dr. Constance Ross, Hausarztverein LuzernReuss, sowie Hausarztpraxen in Luzern und Agglomeration. Das Vorhaben wurde in Kooperation mit Dr. Michael Trummler vom Labor Bioanalytica Luzern und mit Dr. Andreas Zeller vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Basel durchgeführt. Als Ziele der Studie nannte Merlo die Erfassung der Prävalenz von VitaminD-Mangel bei unselektionierten Patienten in der Hausarztpraxis sowie der Assoziation von Vitamin-D-Mangel mit ausgewählten muskuloskelettalen Symptomen und Müdigkeit. Insgesamt 19 Hausärztinnen und Hausärzte in 16 Praxen aus der
Die Preisträger des KHM-Forschungspreises 2013: PD Dr. med. Andreas Zeller (Basel), Dr. med. Christoph Merlo (Luzern) und Dr. med. Michael Trummler (Luzern) (von links).
Region Luzern beteiligten sich an der Querschnittuntersuchung und rekrutierten 776 Patienten (39% Männer) im mittleren Alter von 55 Jahren für eine Blutentnahme und Fragebogenerhebung. Die Vitaminversorgung wurde mittels Bestimmung der 25-OH-Vitamin-D3-(25-OHD3-)Spiegel durch einen ELISA erfasst und ein Mangel als 25-OH-D3 < 50 nmol/l definiert. Bei 45,1 Prozent der Patienten ergab die Messung im September einen 25-OH-D3Spiegel < 50 nmol/l. Im März stieg dieser Anteil sogar auf 71,1 Prozent. Eine als insuffizient definierte Vitamin-DVersorgung < 75 nmol/l fanden die Autoren im September bei 89,9 Prozent und im März bei 93,8 Prozent. Die mittleren 25-OH-D3-Spiegel waren mit 53,4 nmol/l im Sommer und 41,6 nmol/l im Winter signifikant verschieden (p < 0,0001). Beim Symptom muskuläre Schwäche ergab sich eine signifikante Korrelation mit dem Vitamin-D-Wert, bei den Fragen nach Müdigkeit und Schmerzen war dies nicht nachweisbar. Patienten mit Vitamin-DMangel gaben im Vergleich zu solchen ohne Mangelsituation signifikant häufiger muskuläre Schwäche (p = o,o2) und Müdigkeit (p = 0,009) an, bei der Frage nach Schmerzen war der Unterschied hingegen nicht signifikant.
Von den unselektionierten Hausarztpatienten erhielten 13,4 Prozent Vitamin-D-Präparate. Diese bewirkten nachweisbar höhere mittlere 25-OH-D3-Spiegel (63 nmol/l vs. 51,7 nmol/l), die freilich immer noch unter dem bei Osteoporose oder bei Osteopenie angestrebten optimalen Niveau von 75 nnmol/l blieben. Als Schlussfolgerungen hob Merlo hervor, dass die untersuchten Luzerner Hausarztpatienten selbst am Ende des Sommers rund zur Hälfte einen nachweisbaren Vitamin-D-Mangel aufwiesen und dass diese Mangelsituation am Ende des Winters bei über 70 Prozent vorlag. Eine Vitamin-D-Insuffizienz mit einem 25-OHD3-Spiegel < 75 nmol/l war bei diesen unselektionierten Hausarztpatienten mit 89 Prozent im Sommer und 94 Prozent im Winter extrem häufig. Ausserdem beklagten sich Patienten mit Vitamin-D-Mangel signifikant häufiger über Müdigkeit und Muskelschwäche. «Ob wir gemäss den Schweizer Empfehlungen allen unseren Hausarztpatienten Vitamin-D-Präparate verschreiben sollen, bleibt eine individuelle Entscheidung in Abhängigkeit von Komorbiditäten, Komedikationen und Compliance. Die Häufigkeit des VitaminD-Mangels spricht dafür», schloss Merlo.
Halid Bas
Quelle: «Präsidiales KHM-Forschungspreis-Symposium» an der 15. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM), 20. Juni 2013 in Luzern.
Vitamin D
Vitamin D ist kein Vitamin im engeren Sinn, da der Körper in der Lage ist, das Molekül zu produzieren, allerdings unter Bedingungen einer UV-Exposition, die realistischerweise schon in jüngeren Jahren und erst recht im Alter nicht zu erreichen ist. Heute wird Vitamin D als Hormon betrachtet, das über entsprechende Rezeptoren in verschiedene Organsysteme eingreift und deren Funktionalität grundlegend verändert.
28 SGIM/KHM 2013 Hausarztmedizin