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Auch ohne Anfälle köchelt die Gicht in den Gelenken und im Gewebe weiter. Verantwortlich dafür sind chronische Entzündungen. Um an die Wurzel des Problems zu gelangen, sollte früh und konsequent behandelt werden.
Nicht nur die Spitze des Eisbergs behandeln
Zwar ist die Gicht eine schubförmig verlaufende Erkrankung, trotz-
Entzündungen zwischen den akuten Attacken immer weiter, obwohl sich viele Patien-
dem ist sie alles andere als
ten währenddessen gut füh-
intermittierend. Vielmehr
len, erklärte in Madrid Prof.
sind drei chronisch verlau-
Dr. Michael Pillinger von der
fende Komplexe zu beobach-
New York University School of
ten: Erstens die Hyperurik-
Medicine. «Deshalb sind
ämie, die als metabolische
akute Gichtanfälle die Spitze
Krankheit hauptsächlich auf einer genetisch bedingten
Michael Pillinger
eines Eisbergs. Das Problem dabei: Wir behandeln nur die
Überproduktion von Harnsäure oder einer an der Oberfläche sichtbaren Symptome,
erblichen beziehungsweise erworbenen aber nicht den darunterliegenden viel
renalen Insuffizienz basiert, zweitens die grösseren Block.»
Bildung und Ablagerung von Harnsäurekristallen und drittens eine Entzündung, Komorbiditäten beachten
die sich als Antwort auf diese Harnsäure- Zu diesem Eisberg gehören auch eine
kristalle einstellt. So laufen chronische Reihe von Komorbiditäten, die bei Gicht-
Guideline Gicht (Schweiz)
Gichtanfall: • NSAR sind Mittel der Wahl: Naproxen oral oder Indomethacin • bei Kontraindikation für NSAR: Prednison. Ev. intraartikuläre Steroidinjektion • Eventuell Kombination NSAR und orales Prednison plus PPI (in Studien nicht hinrei-
chend untersucht) • Bei ASS-Gabe kritisch prüfen, ob notwendig, da Harnsäureausscheidung verringert
wird.
Chronische Hyperurikämie/Anfallsprophylaxe: Indikation: Asymptomatische Hyperurikämie ist nicht behandlungsbedürftig. Eine urikostatische Therapie wird empfohlen bei: • mindestens 3 Gichtanfällen pro Jahr • Gichttophi • typischen radiologischen Gelenksveränderungen • rezidivierender Uratnephrolithiasis • Uratnephropathie • mit Urikostatikum Allopurinol (mögliche Niereninsuffizienz beachten) • Falls Allopurinol kontraindiziert oder unverträglich ist ev. Urikosurikum Probenecid
(Santuril®), Nebenwirkungen beachten, nur bei nierengesunden Patienten! • Mit einer harnsäuresenkenden Therapie erst nach Abklingen eines Gichtanfalls be-
ginnen, bei Gichtanfall unter Therapie die Behandlung fortsetzen. • Ernährungsberatung • Harnsäurespiegelerhöhende Medikamente möglichst absetzen • Vitamin C, Amlodipin, Losartan, Atorvastatin und Fenofibrat fördern die Ausschei-
dung von Harnsäure an der Niere. • Neue harnsäuresenkende Substanzen, wie Febuxostat, Pecloticase und Rasburicase,
sind in der Schweiz nicht zugelassen.
patienten sehr verbreitet sind: Diabetes, Adipositas, Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen, Nierenerkrankungen oder Hyperlipidämie. So zeigt die Mehrheit der Patienten mehr als eine dieser Begleiterkrankungen, rund 40 Prozent sogar vier oder mehr (1). «All diese zusätzlichen Erkrankungen machen das Management der Gicht schwieriger, weil bisweilen durch die Gichttherapien die Komorbiditäten sogar noch verschärft werden», so Pillinger. Viele Ärzte würden dies noch nicht ausreichend berücksichtigen. Um an die Wurzel des Problems zu gelangen, müsse man das Harnsäurelevel im Blut angehen, und zwar sowohl über Lifestyleveränderungen als auch über medikamentöse Therapien. Dann gäbe es eigentlich keinen Grund, warum ein gut kontrollierter Patient noch eine Gichtattacke erleben sollte, sagte der renommierte GichtSpezialist.
Therapie auch zwischen den Schüben
Wie bei anderen entzündlichen Erkrankungen ist auch bei der Gicht eine möglichst frühe Intervention ratsam. Denn grössere Harnsäurekristallablagerungen machen die Behandlung deutlich schwerer und führen zu raumgreifenden Knochentophi, Gewebe- und Knochenschäden, Schmerzen und Infektionen. Obwohl die Guidelines dauerhafte therapeutische Ansätze empfehlen, würde Gicht vielerorts noch als temporäre Erkrankung angesehen, so Pillinger, die man zwischen den Schüben nicht behandeln müsse.
Klaus Duffner
Referenz: 1. Keenan et al. Am J Med 2011; 124 (2): 155–163.
Quelle: «Chronic gout, chronic treatment», Ann Rheum Dis 2013; Vol. 72 Suppl. 3 Abstract SP0007
Quelle und ausführliche Information: Medix Schweiz 01/2013
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