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Axiale Spondylarthritis: «Gleiches Leid – gleiche Behandlungsziele»
Interview mit dem Rheumatologen PD Dr. med. Jean Dudler, Freiburg
Patienten mit axialer Spondylarthritis (axSpA) sind durch chronisch-entzündliche Rückenschmerzen und verschiedene Komorbiditäten in ihrer Leistungs- und Arbeitsfähigkeit oft eingeschränkt. Dabei ist die Erkrankung trotz starker Symptome anfangs röntgenologisch gar nicht nachweisbar (nr-axSpA). Im Gespräch mit PD Dr. Jean Dudler vom Kantonsspital Freiburg wird deutlich, dass alle Betroffenen von einer rechtzeitigen Therapie profitieren.
H err Dr. Dudler, nehmen Sie hinsichtlich der axialen Spondylarthritis neue Erkenntnisse vom EULARKongress mit? PD Dr. Jean Dudler: Viele Ärzte waren gerade bei der nicht röntgenologischen axialen SpA unsicher, wie sie nun vorgehen sollen. Sie wissen jetzt: Ja, ich muss früh behandeln. Das ist eine gute Entscheidungshilfe. Auch die Präsentation von Prof. Sieper aus Berlin hat uns ein sehr interessantes Ergebnis gebracht. Früher dachte man, dass bei axialer SpA durch eine Anti-TNF-Behandlung keine
strukturellen Schäden verhindert werden können. Jetzt liegen aber Hinweise vor, dass strukturelle Veränderungen sehr wohl durch eine langfristige Anti-TNFBehandlung beeinflusst werden können. Das hilft uns, ein weiteres unserer Therapieziele zu erreichen.
Wie wird derzeit behandelt?
Dudler: Die First-Line-Therapie besteht
Jean Dudler
aus NSAR und Physiotherapie. Klassi-
sche DMARD, wie Methotrexat oder Sul-
fasalazine, sind bei SpA wirkungslos. Wenn nach ungefähr
einem Monat keine Response festzustellen ist, sollte man
es mit Anti-TNF versuchen.
Auch unabhängig davon, ob die axiale SpA röntgenologisch nachweisbar ist oder nicht? Dudler: Vollkommen unabhängig. Meine Meinung ist: Wenn jemand eine Spondylarthritis hat, dann hat er eben eine Spondylarthritis. Ob nun die Patienten unter einer röntgenologisch nachweisbaren axialen SpA oder unter einer nicht röntgenologisch nachweisbaren axialen SpA leiden: gleiche Symptome, gleiche Behandlung. Die Daten haben gezeigt, dass mit Ausnahme der Radiografie die Krankheit identisch ist. Die Betroffenen haben die gleichen Schmerzen, die gleichen Funktionseinschränkungen und die gleichen Probleme mit ihrer Lebensqualität. Und auch die gleichen Komorbiditäten wie zum Bei-
spiel häufig Uveitis und Enthesitis, aber auch Psoriasis oder Morbus Crohn. Für mich als Kliniker gelten daher auch die gleichen Therapieziele.
Welche Rolle spielt der Faktor Zeit? Dudler: Je früher mit adäquaten Medikamenten begonnen wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Therapieansprechens. Ich denke für alle Patienten, deren NSARBehandlung gescheitert ist, sollte ein Anti-TNF-Versuch angemessen sein. Wir wissen, dass manche davon nicht profitieren werden. Andere dagegen zeigen eine klare Response. Bei ihnen ist ein signifikanter Benefit zu erwarten.
Wie lange sollte diese «Testphase» mit Anti-TNF dauern? Dudler: Drei bis vier Monate. Für manche ändert sich die Situation schon nach kürzester Zeit schlagartig, und es ist für sie wie ein Wunder, andere berichten nach zwei Monaten, dass die Symptome nachlassen. Bei wieder anderen ist überhaupt keine Besserung zu beobachten.
Was machen Sie mit solchen Patienten? Dudler: Wenn Patienten nicht ansprechen, wird mindestens ein weiterer TNF-Hemmer ausprobiert. Tatsächlich reagieren einige Patienten erst auf einen solchen zweiten Anti-TNF-Inhibitor – allerdings ist die Wahrscheinlichkeit einer Response dann geringer.
Welche Rolle spielen Magnetresonanztomografie und CRP-Wert für die Diagnose? Dudler: Das MRI ist ein sehr wichtiges Werkzeug. Es hilft uns, die Diagnose abzusichern. Man darf nicht vergessen, dass Schmerzen in der unteren Rückenregion sehr häufig sind. Zudem lässt sich die nr-axSpA, auch wenn sie im Röntgen nicht sichtbar ist, im MRI gut abbilden. Ein hoher CRP-Wert erhöht die Wahrscheinlichkeit eines abnormalen Röntgenbefundes, eines positiven MRI – und eines Behandlungserfolgs. Er kann also meine Vermutung bestätigen. Zudem glauben die Patienten dann eher daran, dass es sich tatsächlich um eine entzündliche Erkrankung
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handelt. Wenn jedoch ein niedriger CRP-Wert festgestellt wird – und das ist bei einem Drittel bis zu einem Viertel der Patienten der Fall –, kann der Betroffene trotzdem an einer SpA erkrankt sein. Er kann trotzdem röntgenologische Veränderungen zeigen und trotzdem auf eine Therapie reagieren. Natürlich sind die Chancen auf ein Therapieansprechen geringer, aber man sollte es versuchen. Man darf niemals eine Therapie verpassen, nur weil der CRP-Wert tief ist. Ich lege mein Augenmerk eher auf die Stärke der Symptome und auf die sehr eingeschränkte Lebensqualität.
Wie stark ist die Krankheitsprogression? Dudler: Die SpA ist eindeutig eine progressive Erkrankung. Sie hat jedoch sehr verschiedene Gesichter. Dazu gehören Gelenksteifheit, strukturelle Schäden, Schmerzen oder Schlafstörungen. Prinzipiell sollten wir schnell reagieren, denn wir wissen, je früher wir behandeln, desto besser die Response. Was die Verhinderung struktureller Schäden angeht, sind wir nicht ganz so sehr in Eile, wenn man bedenkt, dass häufig viele Jahre vergehen, bis die SpA überhaupt diagnostiziert wird. Etwas anderes sind die starken Schmerzen, der Schlafmangel, die Nichtbeachtung der Krankheit, zum Beispiel durch das familiäre Umfeld, die verminderte Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit – da muss schnell reagiert werden.
Wenn die Leistungsfähigkeit leidet, ist auch der Job in Gefahr … Dudler: Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Diese Menschen können nicht mehr arbeiten, verlieren ihren Job, bezahlen keine AHV und gehen in die Invalidität. Die Wahrscheinlichkeit, dass man so jemanden mithilfe der Anti-TNF-Therapie wieder zurück in ein aktives Arbeitsverhältnis bringen kann oder dass es zumindest möglich ist, die Arbeit noch eine Weile fortzusetzen, ist sehr hoch. Ich habe viele Beispiele dafür, wie Menschen sich sehr schlecht fühlten und sich nicht mehr in der Lage sahen, ihrer täglichen Arbeit nachzukommen. Nach einer solchen Therapie standen sie wieder im Arbeitsprozess. Wenn man jedoch zu lange wartet und die Patienten schon ein Jahr arbeitslos sind, ist die Wahrscheinlichkeit, wieder einen anspruchsvollen Job zu finden, nicht so hoch. Es ist deshalb von grosser gesellschaftlicher Relevanz, diesen Menschen nicht nur ihre Lebensqualität, sondern auch ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Besten Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Klaus Duffner.
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