Transkript
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Trastuzumab auf Partnersuche
Enorme Fortschritte in der Therapie des HER2+-Mammakarzinoms
Die zielgerichteten Therapien haben die Behandlung bestimmter Krebserkrankungen revolutioniert, immer mehr lebensbedrohliche Tumoren lassen sich inzwischen mit monoklonalen Antikörpern (MAB) und Small Molecules (SM) kontrollieren. Der gegen HER2 gerichtete MAB Trastuzumab war das weltweit erste Biologikum, mit dem eine eindrückliche Verlängerung des Überlebens von Frauen mit primärem und fortgeschrittenem HER2+-Brustkrebs gelang.
In den letzten Dekaden wurden zahlreiche Signalwege entschlüsselt, die am unkontrollierten Zellwachstum – im Sinne einer Tumorentwicklung – beteiligt sind. Diese
Signalwege boten Ansatzpunkte für unterschiedliche ziel-
gerichtete Therapien, mit denen es gelingt, die ausser
Kontrolle geratene Proliferation ebenso
wie die vor Apoptose schützenden Me-
chanismen zu hemmen. Viele der moder-
nen Medikamente in der Onkologie
basieren auf der Blockade solcher Sig-
nalkaskaden, so Professor Dr. Walter Jo-
nat, Kiel. Zurzeit werden Tausende von
Wirkstoffkandidaten klinisch geprüft, in
der Hoffnung, einen Volltreffer wie den
selektiven Östrogenrezeptormodulator
Walter Jonat
Tamoxifen oder Trastuzumab zu landen. Mit Letzterem gelang es erstmals, das
aggressiv verlaufende, prognostisch ungünstige Mamma-
karzinom mit HER2-Überexpression erfolgreich zu behan-
deln. Fast jede fünfte Brustkrebspatientin weist die ent-
sprechenden Tumorcharakteristika auf und kann von
diesem MAB profitieren.
Take-Home-Messages
Standortbestimmung: HER2-Blockade mit Trastuzumab
Bereits die ersten klinischen Studienresultate mit Trastuzumab liessen aufhorchen. Rasch zeichnete sich ab, dass die Blockade des humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors die Prognose der HER2+-Patientinnen auf eine Weise verbessert, wie sie bisher nur für HER2-negative Frauen beschrieben wurde. Zwar ist es nach wie vor besser, wenn keine HER2-Überexpression des Tumors vorliegt, aber unter konsequenter Therapie lässt sich heute ein vergleichbares progressionsfreies und Gesamtüberleben (PFS und OS) erreichen. Eine Frage, die bei den zielgerichteten Therapien immer wieder auftaucht, ist diejenige nach der Therapiedauer. Ist eventuell weniger letztlich mehr, oder braucht es eine Therapie über mehr als ein Jahr? Jonat verwies auf Therapieresultate der HERA-Studie mit Trastuzumab im Langzeit-Follow-up über 8 Jahre. Dabei zeigte sich, dass die Therapie über 1 Jahr beim frühen HER2+-Brustkrebs in der adjuvanten Situation mit einem anhaltenden und statistisch signifikanten Benefit hinsichtlich krankheitsfreien Überlebens (DFS) und OS assoziiert ist. Das gilt für hormonrezeptorpositive wie auch -negative Brustkrebspatientinnen. Eine Therapiedauer von 2 Jahren zeigte hingegen keine signifikanten Vorteile und war mit einer tendenziell höheren Rate unerwünschter Ereignisse assoziiert. Daher hat sich die 1-jährige Therapie als Goldstandard etabliert.
• Eine duale zielgerichtete Blockade der HER2-Rezeptors scheint Erfolg versprechend.
• Bei den neuen, gegen den HER2-Rezeptor gerichteten Wirkstoffen Pertuzumab, T-DM1 und Everolimus handelt es sich um interessante Partner für Trastuzumab.
• Weitere Studien werden zeigen, wie man diese zielgerichteten Therapien – mit dem höchstmöglichen Benefit für die Brustkrebspatientinnen – einsetzen muss. (Prof. Jonat 2013)
Therapie bei HER2+-Brustkrebs, wenn Rezidive oder Metastasen auftreten
Trotz aller Erfolge zeichneten sich neue Herausforderungen ab, wenn der Tumor eine primäre Resistenz gegenüber Trastuzumab aufwies oder eine sekundäre entwickelte. Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen zehn Jahren wegweisende Studien initiiert, die zwischen 2007 und 2013 zur Zulassung von drei wichtigen
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Kasten 1:
Resultate der CLEOPATRA-Studie im Überblick
Durch Pertuzumab konnte die Wirksamkeit der gegen HER2 gerichteten Therapie signifikant verbessert werden, bei fehlender oder nur geringer zusätzlicher Toxizität. Medianes PFS: Bei den mit Pertuzumab behandelten Frauen wurde ein PFS von 18,5 Monaten versus 12,4 Monaten unter Plazebo erreicht (HR 0,62). Gesamtansprechen (komplette und partielle Response): Pertuzumab 80,2 Prozent, Plazebo 69,4 Prozent. Medianes OS: Zum Zeitpunkt der Analyse war der Median noch nicht erreicht. Für das OS ergab sich eine HR von 0,64.
(nach Jonat, 2013)
Kasten 2:
Resultate der EMILIA-Studie im Überblick
In die Studie wurden 991 Frauen (1:1-Randomisierung) mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem HER2+Brustkrebs eingeschlossen. Sie wurden entweder mit T-DM1 oder Capecitabin plus Lapatinib behandelt. Die Patientinnen unter T-DM1 wiesen einen signifikanten Überlebensvorteil auf, da sie median 5,8 Monate länger lebten (OS) als die Frauen der Kontrollgruppe mit Standardtherapie (HR 0,68; p < 0,001). Medianes OS: 30,9 Monate versus 25,1 Monate. Medianes PFS: 9,6 Monate versus 6,4 Monate. Das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil war akzeptabel und entsprach demjenigen früherer Studien.
(nach Jonat, 2013)
Kasten 3:
Resultate der BOLERO-3-Studie im Überblick
Durch die Kombination des mTOR-Hemmers Everolimus mit Trastuzumab + Vinorelbin liess sich das PFS bei trastuzumabrefraktären und mit Taxanen vorbehandelten Frauen mit fortgeschrittenem HER2+-Mammakarzinom signifikant verlängern: • Das Risiko für Progression oder Tod liess sich um 22
Prozent senken. • Die Nebenwirkungen entsprachen jenen aus anderen
Studien mit Everolimus bei Brustkrebs. • Die gegenüber der Plazebogabe erhöhte Toxizität hatte
keine negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität. (nach Jonat, 2013)
Wirkstoffen führten, welche von grosser Bedeutung sind für die Therapie beim fortgeschrittenen HER2+-Brustkrebs: Lapatinib, Pertuzumab und T-DM1.
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Abbildung 1: T-DM+: Innovatives Antikörperwirkstoffkonjugat. Es vereint die Antitumoraktivität von Trastuzumab mit dem potenten Zytostatikum DM1 zu einem neuen dualen Wirkmechanismus.
Abbildung 2: T-DM1: Dualer Wirkmechanismus. Trastuzumab bindet selektiv an den HER2-Rezeptor und blockiert Signalwege, die für die Proliferation und das Überleben der Tumorzelle verantwortlich sind ①. Anschliessend erfolgt die Internalisierung des T-DM1-Rezeptorkomplexes in die Tumorzelle ②. Erst im Inneren der Tumorzelle erfolgt die Spaltung des Antikörperwirkstoffkonjugats ③. Das Spindelgift DM1 hemmt die Mitose ④ und induziert die Apoptose der Tumorzelle ⑤.
Es liess sich zeigen, dass bei Trastuzumabresistenz eine duale Blockade des HER2 zu erneutem Ansprechen führen kann. Als vielversprechend erwies sich auch die mTORHemmung mit Everolimus.
Aggressives metastasierendes HER2+-Mammakarzinom
Als Erstlinientherapie hat sich eine Kombination aus Pertuzumab, Docetaxel und Trastuzumab etabliert. Ob man diese Medikamente parallel verabreichen soll, oder ob eine sequenzielle Gabe von Vorteil ist, wird momentan noch eingehend untersucht. In zweiter Linie kommt das erst 2013 eingeführte T-DM1 infrage. Pertuzumab unterbindet die Dimerisierung des HER2 mit anderen Rezeptoren der HER-Familie, vor allem HER3. Pertuzumab dockt jedoch an einem anderen Epitop des HER2 an als Trastuzumab und entfaltet ausserdem eine antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität. Dadurch gelingt es, die Signaltransduktion effizienter zu hemmen als mit Trastuzumab allein. Im Rahmen der zulassungsrelevanten CLEOPATRA-Studie wurde bei über 800 Frauen mit metastasiertem HER2+-Brustkrebs die Wirksamkeit von Pertuzumab plus Trastuzumab plus Docetaxel mit Plazebo plus Trastuzumab plus Docetaxel verglichen. Diese Frauen hatten zuvor noch keine Chemotherapie oder biologische Therapie zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms erhalten. Nach einem medianen Follow-up von 30 Monaten waren PFS und OS in der mit Pertuzumab behandelten Gruppe signifikant verlängert (Kasten 1). Die APHINITY-Studie wird zeigen, ob die duale HER2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab das DFS und das OS im Vergleich zur alleinigen Trastuzumabtherapie auch bei Frauen mit frühem HER2+-Brustkrebs und Standardchemotherapie verbessert.
T-DM1 (Trastuzumab-Emtansin) hat im Mai 2013 in der Schweiz – als erstem Land in Europa – die Zulassung erhalten. Bei diesem ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse handelt es sich um ein Antikörper-WirkstoffKonjugat, bestehend aus Trastuzumab und dem zytotoxischen Maytansin (DM1). Trastuzumab dockt am HER2 an und blockiert die ausser Kontrolle geratenen Signalwege besonders effizient, indem es das Zellgift gezielt in die Krebszellen schleust, so Jonat (Resultate der zulassungsrelevanten EMILIA-Studie siehe Kasten 2). Lapatinib, ein SM für die orale Anwendung, hat sich beim trastuzumabrefraktären HER2+-Brustkrebs bewährt. Im Vergleich mit einer Capecitabinmonotherapie konnte mit Capecitabin plus Lapatinib das PFS signifikant verlängert werden. In weiteren Studien werden andere Kombinationen mit Lapatinib untersucht. Everolimus hat sich als vielversprechender Kombinationspartner für Trastuzumab herausgestellt. Die Resultate der BOLERO-3-Studie haben das gezeigt (Kasten 3).
Renate Weber
Referenzen: 1. Baselga J et al. Pertuzumab plus trastuzumab plus docetaxel for metastatic breast cancer. N Engl J Med 2012; 366: 109–119. 2.Verma S et al. Trastuzumab emtansine for HER2-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012; 367: 1783–1791. 3. O’Regan RM et al. Phase III, randomized, double-blind, placebo-controlled multicenter trial of daily everolimus plus weekly. American Society of Clinical Oncology Annual Meeting 2013. Oral Presentation, Abstract No. 505.
Quelle: 4. Hauptthema/AGO – Therapie des Mammakarzinoms 2013 – Neue Aspekte (Walter Jonat). SGGG-Jahresversammlung, 28. Juni 2013, in Lugano.
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