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Management der stabilen Angina
Nach wie vor werden Betablocker und Kalziumkanalblocker als Erstlinientherapie bei stabiler Angina pectoris verabreicht. Sind diese Wirkstoffe nicht ausreichend oder werden sie nicht toleriert, steht neben langwirksamen Nitraten, Ivabradin oder Nicorandil mit Ranolazin ein weiterer, innovativer Wirkstoff zur Verfügung. Doch cave: nicht immer steckt hinter einer Angina eine koronare Herzkrankheit.
B ei aller Aufmerksamkeit auf Angina sollte nicht vergessen werden, dass sich manche Patienten zwar mit klassisch-anginösen Symptomen vorstellen, in der Koronarangiografie aber keine signifikante koronare Herzkrankheit zeigen. Warum? fragte PD Dr. Andreas Schönenberger vom Inselspital Bern. Die Antwort gibt eine vom Experten und seinen Kollegen durchgeführte Studie (1) an 718 Patienten mit anginaähnlichen Symptomen und ohne KHK (keine Koronarstenose ≥ 50%). Nach zusätzlichen invasiven Tests wie intrakoronarer Azetylcholinverabreichung und «fast atrial pacing» zeigte sich, dass die Mehrheit der 431 Patienten eine Krankheit der kleinen Herzkranzgefässe oder vasospastische Erkrankungen aufwies; 87 Patienten wiesen eine andere kardiale Krankheit auf; und bei einer Minderheit (27,9%) liessen sich die Symptome auf eine extrakardiale Ursache zurückführen. «In der Mehrheit der Fälle von Angina ohne signifikante KHK kann also eine kardiale Ursache der Symptome gefunden werden; ein systematisches invasives Testen könnte dabei helfen, das medizinische Management dieser Patienten zu optimieren», betonte Schönenberger.
Hämodynamisch neutral
Als Helfer bei der Optimierung der Therapie der klassischen Angina pectoris gilt auch Ranolazin, ein Hemmer des späten Natriumeinstroms, der als Zusatztherapie zu Betablockern oder Kalziumkanalblockern oder auch zur Kombination dieser beiden Wirkstoffe verabreicht werden kann. Der Wirkstoff hat keine signifikante Wirkung auf die Herzfrequenz. «Patienten sollten eine Herzfrequenz zwischen 50 und 80 Schlägen pro Minute aufweisen, andernfalls ist zusätzlich die Herzfrequenz zu reduzieren», so Prof. Dr. Paul Erne, Chefarzt Kardiologie am Luzerner Kantonsspital. Auch auf den Blutdruck zeigt die Substanz keine Auswirkung – im Gegensatz zu Betablockern, die Herzfrequenz und Blutdruck senken, sowie Kalziumkanalblockern,
die den Blutdruck senken und die Herzfrequenz erhöhen (Dihydropyridine) beziehungsweise senken (Verapamil/Diltiazem). Insgesamt beruht der antianginöse Effekt von Ranolazin auf dem verbesserten diastolischen Tonus, einem gesteigerten koronaren Blutfluss und den potenziellen antiarrhythmischen Wirkungen.
Angina = Prädiktor der Mortalität
Eine Angina ist nicht nur ein kardiales Symptom, sie hat zusätzlich auch einen signifikanten Einfluss auf die Mortalität: Eine stärkere anginöse Symptomatik und daher körperliche Einschränkung gelten als starke Prädiktoren für eine geringere Überlebenschance, fasste Erne die aktuelle Datenlage zusammen: «Weniger Angina-Attacken bedeuten eine bessere Prognose, wer hingegen konstant Nitroglycerin braucht, um die Angina zu reduzieren, hat eine schlechtere Prognose. Um die Angina zu verbessern, muss man gegen die Ischämie ankämpfen, das ist sehr wichtig.» Die Ischämie selbst wird vom Natriumeinstrom getriggert, diese Natriumerhöhung führt zu intrazellulärer Freisetzung von Kalzium, was wiederum elektrische Instabilität, mechanische Dysfunktion (abnorme Kontraktion und Relaxation, erhöhter diastolischer Tonus = erhöhte linksventrikuläre Wandsteifheit) und Veränderung der Sauerstoffbalance in der Zelle induziert. Ranolazin vermindert Natriumeinstrom und intrazellulären Kalziumoverload, hemmt also sehr früh die pathologische Kaskade.
Verbesserte Trainingszeit und Senkung der Anfallshäufigkeit
«Die unter Ranolazin verminderte Ischämie macht sich bei Patienten in verbesserter Angina, verbessertem Perfusionsmuster im MRI und erhöhter Trainingszeit – +32 Sekunden – bemerkbar», zitierte Erne aus einer Studie von Venkataraman R et al. (2). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die CARISA-Studie (3): Sie umfasste 823 Patienten, die trotz Behandlung mit
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Atenolol, Amlodipin oder Diltiazem an chronischer Angina litten. Die Patienten erhielten randomisiert zusätzlich Plazebo oder Ranolazin (750 mg oder 1000 mg), jeweils 2mal täglich. Die Trainingszeit erhöhte sich in den beiden Interventionsgruppen um 115,6 Sekunden, verglichen mit 91,7 Sekunden in der Plazebogruppe (p = 0,01); zudem kam es in der Verumgruppe zu weniger Anginaanfällen und dauerte länger bis zu deren Auftreten. Ausserdem wurde der Nitroglyzerinbedarf gesenkt. «Dieser Effekt war anhaltend während Woche 6 und 12, und das ist wichtig, da man bei NO-Therapie therapiefreie Intervalle benötigt, um der Unverträglichkeit entgegenzuarbeiten», so Erne weiter. Auch hier zeigte sich kein bedeutsamer Effekt auf Herzfrequenz oder Blutdruck. Bei Diabetespatienten wurde zudem eine Senkung des HbA1C beobachtet, «die Therapie verbessert also auch die metabolische Situation», ergänzte Erne. In der MERLIN-TIMI-36-Studie wurden 6500 Patienten, die bereits aufgrund einer Akutsituation (instabile Angina pectoris oder NSTEMI) behandelt worden waren, auf Ranolazin oder Plazebo randomisiert (4). Hier zeigte sich unter Ranolazin eine insgesamt ver-
besserte Prognose; dies galt vor allem für Patienten, die vor ihrem Infarkt an Angina litten und bereits Ranolazin einnahmen.
Lydia Unger-Hunt
Referenzen: 1. Schönenberger AW et al. Invasive findings in patients with angina equivalent symptoms but no coronary artery disease; Results from the heart quest cohort study. Int J Cardiol. 2013 Jul 15; 167 (1): 168–173. 2. Venkataraman R et al. A study of the effects of ranolazine using automated quantitative analysis of serial myocardial perfusion images, JACC Cardiovasc Imaging 2009; 2: 1301–1309. 3. Chaitman BR et al. Effects of ranolazine with atenolol, amlodipine, or diltiazem on exercise tolerance and angina frequency in patients with severe chronic angina: a randomized controlled trial, JAMA 2004; 291: 309–316. 4. Morrow DA et al. Evaluation of a novel anti-ischemic agent in acute coronary syndromes: design and rationale for the Metabolic Efficiency with Ranolazine for Less Ischemia in Non-ST-elevation acute coronary syndromes (MERLIN)-TIMI 36 trial; Am Heart J. 2006; 151: 1186.e1-9.
Satellitensymposium A. Menarini AG: Focus on recurrent myocardial ischaemia – new paths and opportunities for 2013. SGK-Jahreskongress, 12. bis 14. Juni 2013 in Lugano.
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