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Unterschiedliche kardiovaskuläre Effekte der Antihypertensiva
Blutdruckunabhängiger Effekt oder liegt es an der Art der Messung?
Unterschiedliche Blutdrucksenker zeigen unterschiedliche Effekte auf Parameter wie Blutdruckvariabilität, glomeruläre Hypertonie oder Umkehr einer linksventrikulären Hypertrophie. Diese Faktoren sind wahrscheinlich massgeblich für die recht unterschiedlichen Ergebnisse vieler Studien bezüglich der kardiovaskulären Auswirkungen von Blutdrucksenkern verantwortlich. Unbestritten ist hingegen die kardioprotektive Wirkung der ACE-Hemmung in Kombination mit der Kalziumkanalblockade.
W ie lässt es sich also erklären, dass manche Studien zwar dieselbe Blutdrucksenkung erreichen, jedoch unterschiedliche klinische Endergebnisse? Ganz klar, meint Prof. Dr. Stephen Harrap, Leiter der Abteilung für Physiologie an der Universität Melbourne: «Unterschiedliche Wirkstoffe haben unterschiedliche Effekte, die über die reine Senkung des Armdrucks hinausgehen.»
Blutdrucksenker im Vergleich
Und diese kardiovaskulären Effekte sind bei den einzelnen Wirkstoffgruppen durchaus unterschiedlich ausgeprägt. «Betablocker etwa zeigen eine Erhöhung der Blutdruckvariabilität und eine nur schwache Senkung des zentralarteriellen Blutdrucks sowie eine geringere Umkehr der linksventrikulären Hypertrophie», zählte Harrap auf; auch Thiaziddiuretika zeigten auf kardiovaskulärer Ebene eher nachteilige Wirkung. Im Gegensatz dazu stehen die RAS-Blocker mit einer Verminderung der glomerulären Hypertonie, einer – «sehr wichtig» – Verminderung des Risikos für Vorhofflimmern (AF) sowie einer Umkehr der linksventrikulären Hypertrophie. Kalziumkanalblocker (CCB) stehen ebenfalls auf dieser «positiven Liste» aufgrund der verminderten Blutdruckvariabilität und des relativ gesehen besseren Schutzes vor Insult.
Positive und negative Studienergebnisse
Wenig überraschend kommen auch die dementsprechenden klinischen Untersuchungen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Negative Resultate erbrachten: • Die PEACE-Studie (1). Sie untersuchte ACE-Hemmer ver-
sus Plazebo bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK), «der Effekt der Blutdrucksenkung war recht gering, und es wurde keine signifikante Senkung kardiovaskulärer Endpunkte beobachtet».
• Die PRoFESS-Studie untersuchte Angiotensinrezeptorblocker (ARB) versus Plazebo für die Sekundärprävention bei ischämischem Insult und zeigte eine höhere Blutdrucksenkung, aber ebenfalls keine signifikante Senkung kardiovaskulärer Endpunkte (2).
Zu guten Ergebnissen kamen: • die HOPE-Studie bei Patienten mit kardiovaskulären Ri-
sikofaktoren: ACE-Hemmer führten hier zu einer signifikant geringeren Rate kardiovaskulärer Ereignisse (Insult und Myokardinfarkt) sowie Tod versus Plazebo (3); • die ACCOMPLISH-Studie, die ACE-Hemmer plus Kalziumkanalblocker versus ACE-Hemmer plus Diuretikum bei Hochrisikohypertoniepatienten untersuchte; auch hier fand man eine geringe Blutdrucksenkung, aber weniger kardiovaskuläre Ereignisse (4). «Dafür gibt es nur eine Erklärung, hämodynamische und nicht hämodynamische Effekte sind gemeinsam für eine Senkung des kardiovaskulären Risikos verantwortlich», schlussfolgerte Harrap.
Auf die Blutdruckmessung kommt es an
Dieser Schlussfolgerung möchten andere Experten so nicht ganz folgen. «Für die überraschenden Ergebnisse der jüngsten Studien könnten auch Indizes verantwortlich sein wie die unterschiedlichen Methoden bei der Blutdruckmessung», gab der französische Internist Prof. Dr. JeanJacques Mourad von der Paris-XIII-Universität zu bedenken. «Seit Jahrzehnten wird der prognostische Wert der brachialen Blutdruckmessung in Frage gestellt; wir wissen mittlerweile, dass die Messung des nächtlichen Blutdrucks und die 24-Stunden-Messung viel besser sind.» Die Analyse der Pamelapopulation wiederum ergab, dass die absoluten nächtlichen systolischen Blutdruckwerte eher als verlässlicher Parameter für die Voraussage einer linksventrikulären Hypertrophie heranzuziehen sind als das Aus-
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Doppelwirkung an Endothel und glatter Muskelzelle
Der gute synergistische Effekt der Kombination aus ACE-Hemmer plus CCB beruht auf unterschiedlichen Mechanismen beziehungsweise molekularen Wirkorten. Die ACE-Hemmung vermindert nicht nur die zirkulierenden Werte von Angiotensin II, sondern auch die von Bradykinin, was auf endothelialem Niveau zu Freisetzung von NO und daher zu Vasodilatation führt. Die Kalziumkanalblocker wiederum wirken auf die – für die Erhaltung des Tonus wichtige – glatte Muskulatur des Gefässes, hemmen dort den Eintritt von Kalzium in das Zytosol und somit die Gefässkontraktion.
mass der nächtlichen BD-Reduktion (5); während Rothwell et al. zeigten, dass die Blutdruckvariabilität koronare und zerebrovaskuläre Ereignisse besser vorhersagt als der durchschnittliche systolische Armblutdruck (6). «Das Beherrschen der Hypertonie über den Armdruck hinaus ist die Voraussetzung für die optimale Wirksamkeit blutdrucksenkender Strategien», meinte Mourad, wobei zunächst die Effektivität der unterschiedlichen Messmethoden (ambulant, zentral, nächtlich, Variabilität) nachzuweisen sei. Jedenfalls: Die unterschiedlichen, in den klinischen Studien beobachteten Ergebnisse sollten diesen Indizes angepasst werden, «bevor von irgendwelchen blutdruckunabhängigen Effekten gesprochen werden kann», so der Internist mit Nachdruck.
Grundlage der Kardioprotektion
Unbestritten ist jedenfalls die ‚Grundlage der Kardioprotektion’, nämlich die Kombination aus ACE-Hemmung und Kalziumkanalblockade, erklärte wiederum Prof. Dr. Roberto Ferrari, Direktor der Kardiologie des Universitätsspitals in Ferrara. Eine Metaanalyse von 28 Studien an insgesamt 175 000 hypertensiven Patienten habe gezeigt: ACE-Hemmer vermindern das Risiko einer KHK (p < 0,001), CCB senken die Insult-Inzidenz (p < 0,001) (7). Die ASCOT-
Studie wiederum wurde sogar vorzeitig abgebrochen, da die Kombination aus Amlodipin und Perindopril «so viel bessere Ergebnisse» zeigte als der Atenolol-plus-ThiazidArm, «vor allem bezüglich der sekundären Endpunkte wie der Senkung der Gesamt-Koronarmortalität sowie der Gesamtmortalität» (8).
Lydia Unger-Hunt
Referenzen: 1. Braunwald E et al. Angiotensin-Converting–Enzyme Inhibition in Stable Coronary Artery Disease The PEACE Trial Investigators; N Engl J Med 2004; 351: 2058–2068. 2. Diener HC et al. Effects of aspirin plus extended-release dipyridamole versus clopidogrel and telmisartan on disability and cognitive function after recurrent stroke in patients with ischaemic stroke in the Prevention Regimen for Effectively Avoiding Second Strokes (PRoFESS) trial: a double-blind, active and placebo-controlled study. Lancet Neurol. 2008; 7: 875–884. 3. Hoogwerf BJ et al. The HOPE study. Ramipril lowered cardiovascular risk, but vitamin E did not. Cleve Clin J Med. 2000; 67: 287–293. 4. Jamerson K et al. Benazepril plus amlodipine or hydrochlorothiazide for hypertension in high-risk patients. N Engl J Med. 2008; 359: 2417–2428. 5. Cuspidi C et al. Nighttime blood pressure and new-onset left ventricular hypertrophy: findings from the pamela population. Hypertension. 2013; 62: 78–84. 6. Rothwell PM et al. Prognostic significance of visit-to-visit variability, maximum systolic blood pressure, and episodic hypertension. Lancet 2010, 375: 895–905. 7. Verdecchia P et al. Angiotensin-converting enzyme inhibitors and calcium channel blockers for coronary heart disease and stroke prevention. Hypertension 2005; 46: 386–392. 8. Dahlöf B et al. Prevention of cardiovascular events with an antihypertensive regimen of amlodipine adding perindopril as required versus atenolol adding bendroflumethiazide as required, in the AngloScandinavian Cardiac Outcomes Trial-Blood Pressure Lowering Arm (ASCOT-BPLA): a multicentre randomised controlled trial. Lancet. 2005; 16; 366: 895–906.
Quelle: «ACE inhibition/CBB in cardiovascular protection: more than blood pressure reduction», Servier Satelliten Symposium, 23. European Meeting on Hypertension and Cardiovascular Protection, 16. Juni 2013 in Mailand.
Foto: SGK
Abbildung: Im Rahmen der Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie wurden etliche Auszeichnungen verteilt; neben den Preisen für die besten Abstracts wurden zwei Forschungspreise sowie der Preis der SGK 2013 im feierlichen Rahmen verliehen.
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