Transkript
CongressSelection
Subkutane und sublinguale Immuntherapie
Welchen Asthmapatienten nützt eine spezifische Therapie?
Inwieweit Patienten mit einem allergischen Asthma von einer spezifischen Immuntherapie profitieren, ist Gegenstand vieler Diskussionen. Die aktuelle Datenlage dazu liess Prof. Dr. François Spertini, Lausanne, in seinem Referat Revue passieren, und er zeigte, bei welchen Patienten die spezifische subkutane Immuntherapie (SCIT) mit Erfolg eingesetzt werden kann.
L eider gibt es kaum Studien, in denen gezielt und isoliert der Effekt einer spezifischen Immuntherapie auf ein allergisches Asthma untersucht worden sei, bedauerte Spertini gleich zum Auftakt. Häufig sei das lediglich im Rahmen von Subgruppenanalysen klinischer Studien zu Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis geschehen. «Und das ist vielleicht auch der Grund dafür, weshalb nach wie vor geradezu philosophische Diskussionen über die Wirksamkeit dieser Behandlungsform geführt werden», fügte Spertini weiter an. «Die spezifische Immuntherapie ist jedoch wirksam, präventiv und kosteneffizient.» Zudem betonte er, dass die allergenspezifische Immuntherapie die einzige ätiologische und immunmodulatorische Behandlung einer Allergie beziehungsweise eines Asthmas darstelle. «Und nicht zuletzt liefert sie einen lang anhaltenden Schutz.» Die lange Behandlungsdauer und mögliche Nebenwirkungen müssen jedoch als Nachteile angesehen werden.
Robuste Daten zur SCIT
In seinen weiteren Ausführungen unterschied Spertini zwischen subkutaner und sublingualer Behandlung und stellte zunächst einige wichtige Studien zur spezifischen subkutanen Immuntherapie vor. Walker et al. hatten in ihrer 2001 erschienenen randomisierten, kontrollierten Arbeit Patienten mit Graspollen-Rhinokonjunktivitis untersucht, von denen etwa zwei Drittel unter Asthma litten (1). Nach einer dreijährigen SCIT hatten sich bei diesen Patienten Asthmascore und Lebensqualität verbessert. «Gerade Letzteres ist im Zusammenhang mit einer Immuntherapie als ein bedeutender Befund zu werten», betonte Spertini. «Im Weiteren stellt die bronchiale Hyperreaktivität einen der wichtigsten Parameter dar, der durch eine spezifische Immuntherapie bei Asthmatikern beeinflusst werden kann. Dass sie sich unter einer SCIT verbessert, konnten Walker et al. ebenfalls nachweisen.» Bereits 1997 hatten Pichler et al. festgestellt, dass sich die bronchiale Hyperreaktivität bei Patienten mit Milbenallergie durch eine SCIT reduzieren liess (2). «Insgesamt liefern die Studien also einen sehr schönen Nachweis,
dass sowohl durch saisonale als auch perenniale Allergene induziertes Asthma durch eine SCIT verbessert werden kann», meinte Spertini zusammenfassend. Neueren Datums ist die Arbeit von Zielen et al., die bei Kindern mit milbeninduziertem Asthma einen steroideinsparenden Effekt durch Kombination einer SCIT mit einer pharmakologischen Behandlung nachgewiesen hat (3). Abramson et al. schlossen in ihre Metaanalyse 89 Studien zur SCIT von saisonalen und perennialen Allergenen ein (4). «Diese Metaanalyse, die sehr sorgfältig durchgeführt wurde, zeigt eine Reduktion der Asthmasymptomatik und der Asthmamedikation sowie eine Verbesserung der bronchialen Hyperreaktivität», erläuterte der Redner. Jacobsen et al. bestätigten mit ihrem 10-Jahres-Follow-up der PAT-Studie, dass eine SCIT über das Potenzial verfügt, bei Kindern mit allergischer Rhinokonjunktivitis die Entstehung von Asthma über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren nach Abschluss der Behandlung zu verhindern (5). Schädlich und Brecht schliesslich haben gezeigt, dass eine SCIT bei Kindern mit Pollenoder Milbenallergie auch kosteneffizient ist (6).
Nicht jeder Asthmapatient profitiert
Spertini betonte, dass trotz dieser guten Studienresultate nicht jeder Asthmapatient von einer SCIT profitiere. «Asthma kann durch eine SCIT verbessert werden, wenn es sich um leichte bis mittelgradige Fälle in einem frühen Stadium der Erkrankung handelt.» In weiter fortgeschrittenen Fällen sei es sehr wahrscheinlich bereits zu einem Remodeling der Luftwege gekommen, sodass eine SCIT kaum mehr Erfolg versprechend sei. Zudem könnten in diesem Stadium die Risiken einer Immuntherapie erhöht sein, weshalb eine SCIT bei fortgeschrittener Erkrankung auch nicht mehr indiziert sei. Den ersten Teil seines Referats zusammenfassend, meinte Spertini schliesslich: «Eine SCIT ist bei Asthma wirksam, sofern die Indikation stimmt, die Behandlung durch einen entsprechend ausgebildeten Arzt durchgeführt und ein adäquater, standardisierter Allergenextrakt eingesetzt wird.»
18 Allergologie, Immunologie und Pneumologie SGAI/SGP 2013
CongressSelection
Spezifische sublinguale Immuntherapie
Die spezifische sublinguale Immuntherapie (SLIT) bietet den Vorteil, dass sie nicht invasiv ist und daher bei Kindern womöglich eine akzeptablere Option darstellt. Di Rienzo et al. führten zur SLIT eine der PAT-Studie ähnliche Untersuchung durch und stellten dabei fest, dass die sublinguale Immuntherapie bei Kindern mit Asthma/Rhinitis einen Effekt erreicht, der vier bis fünf Jahre über den Abschluss der Behandlung hinaus anhält (7). Zur SLIT liegt auch eine Arbeit vor, in der die Resultate von fünf verschiedenen Metaanalysen kritisch untersucht worden sind (8). Aufgrund von Diskrepanzen und Inkonsistenzen im zugrunde liegenden Datenmaterial kommt sie zu dem Schluss, dass nicht genügend Evidenz vorliegt, um den Einsatz einer SLIT als Routinemassnahme bei Patienten mit Rhinokonjunktivitis oder Asthma zu unterstützen. In ihrer erst kürzlich publizierten Arbeit sprechen Lin et al. von einem insgesamt moderaten Grad an Evidenz für die Wirksamkeit der SLIT und fordern weitere, qualitativ hochstehende Studien, um insbesondere die Frage nach der optimalen Dosierungsstrategie bei der SLIT zu beantworten (9).
«Ich denke, es ist zu diesem Zeitpunkt wirklich wichtig,
die Anzahl der guten Studien zu erhöhen», meinte Sper-
tini. Sein abschliessendes Fazit: «Es liegt gute Evidenz für
die Wirksamkeit einer SCIT zur Prävention und Behand-
lung von Asthma vor. Die vorliegende Evidenz für die SLIT
ist diskutabel, vermutlich brauchen wir hier noch bessere
Studien. Die Zukunft ist zudem für weitere, alternative
Strategien offen, an denen bereits verschiedene Gruppen
arbeiten.»
Therese Schwender
Referenzen: 1. Walker SM et al. Grass pollen immunotherapy for seasonal rhinitis and asthma: a randomized, controlled trial. J Allergy Clin Immunol 2001; 107: 87–93. 2. Pichler CE et al. Specific immunotherapy with Dermatophagoides pteronyssinus and D. farinae results in decreased bronchial hyperreactivity. Allergy 1997; 52: 274–283. 3. Zielen S et al. Steroid-sparing effects with allergen-specific immunotherapy in children with asthma: a randomized controlled trial. J Allergy Clin Immunol 2010; 126: 942–949. 4. Abramson MJ et al. Injection allergen immunotherapy for asthma. Cochrane Database Syst Rev 2010 Aug 4; (8): CD001186. 5. Jacobsen L et al. Specific immunotherapy has long-term preventive effect of seasonal and perennial asthma: 10-year follow-up on the PAT study. Allergy 2007; 62: 943–948. 6. Schädlich PK, Brecht JG. Economic evaluation of specific immunotherapy versus symptomatic treatment of allergic rhinitis in Germany. Pharmacoeconomics 2000; 17: 37–52. 7. Di Rienzo V et al. Long-lasting effect of sublingual immunotherapy in children with asthma due to house dust mite: a 10-year prospective study. Clin Exp Allergy 2003; 33: 206–210. 8. Nieto A et al. Sublingual immunotherapy for allergic respiratory diseases: an evaluation of meta-analyses. J Allergy Clin Immunol 2009; 124 (1): 157–161.e1–32. 9. Lin SY et al. Sublingual immunotherapy for the treatment of allergic rhinoconjunctivitis and asthma: a systematic review. JAMA 2013; 309 (12): 1278–1288.
Quelle: «Desensitizing allergic asthma: hype or hope?», im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) und der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie (SGP) am 19. April 2013 in Bern.
Neue Therapieoption bei allergischer Rhinitis
Augentropfen, Nasenspray und orales Antihistaminikum – Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis benötigen oftmals mehr als ein Medikament, um ihre Beschwerden zu lindern. Ein kombiniertes Nasenspray, das sowohl auf Augen- als auch Nasensymptome wirkt, könnte die Therapie zukünftig erleichtern.
A llein in Europa leiden über 200 Millionen Menschen an einer allergischen Rhinitis. Diese stellt einen häufigen Konsultationsgrund in der hausärztlichen Praxis dar; viele Patienten benutzen aber auch verschiedene OTC-Arzneimittel, ohne mit dem Hausarzt Rücksprache zu halten. Bis zu 90 Prozent aller Patienten, die von Heuschnupfen geplagt werden, verwenden zwei oder mehr Medikamente gleichzeitig, um Symptome zu lindern, meistens ein orales Antihistaminikum und ein kortikosteroidhaltiges Nasenspray (1). Der Leidensdruck ist enorm: Die Krankheit beeinflusst die Produktivität am Arbeitsplatz und führt im Schnitt zu 4 Fehltagen pro Jahr (2).
In einer Untersuchung in fünf europäischen Ländern wurde gezeigt, dass zwei Drittel der Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis an einer mindestens mittelschweren bis schweren Form leiden. Etwa 40 Prozent der Allergiker haben persistierende Symptome, definiert als Beschwerden an mehr als 4 Tagen pro Woche und über einen Zeitraum von mehr als 4 Wochen pro Jahr. Bei einem Drittel der Betroffenen besteht eine Komorbidität, etwa Asthma bronchiale (3). Umgekehrt leiden drei Viertel aller Asthmatiker unter Heuschnupfen. Werden bei einem Patienten beide Diagnosen gestellt, ist auch das Risiko eines unkontrollierten Asthmas höher. Heuschnupfenpatienten leiden bis zu 4-mal häufiger
20 Allergologie, Immunologie und Pneumologie SGAI/SGP 2013