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Autoantikörper und Komplementfaktoren
Was ist beim Nachweis im Labor zu berücksichtigen?
Der primäre Mangel an gewissen Komplementfaktoren kann ebenso zu gehäuften Infektionen führen wie der ungleich häufigere primäre Antikörpermangel. Verschiedene Labormethoden beim Screening auf antinukleäre Antikörper weisen sehr unterschiedliche Spezifitäten und Sensitivitäten auf. Bei Myositiden nachweisbare Antikörper lassen Zusammenhänge mit klinisch verschiedenen Krankheitsbildern erkennen.
Seit Paul Ehrlich 1899 erstmals den Begriff Komplement aufbrachte, sind die Erkenntnisse zu den inzwischen rund 50 bekannten, verschiedenen Plasmaproteinen sehr umfassend und komplex geworden. Daher sprechen wir heute nicht mehr vom Komplement, sondern von einem Komplementsystem, wie Dr. Ingmar Heijnen, Medizinische Immunologie, Universitätsspital Basel, sagte. Die Hauptaufgabe der Komplementfaktoren ist die Opsonisierung von Bakterien, die so für die Zerstörung durch Phagozyten vorbereitet werden. Ausserdem wirken Komponenten des Komplementsystems auch direkt bakteriolytisch. Daneben bewirkt die Aktivierung des Komplementsystems auch Entzündungsreaktionen und über Fragmente gewisser Komplementproteine eine Chemotaxis von Phagozyten. Man unterscheidet drei Komplementaktivierungswege. Der «klassische» Weg wird über Antikörper vermittelt. Daneben gibt es den Weg über Man-
Statinmyopathie und autoimmune Statinmyositis
Vor Kurzem hat ein weiterer Antikörper (anti-200/100) wissenschaftliches Interesse geweckt, der sich klinisch mit einem ganz bestimmten Myositisphänotyp in Verbindung bringen lässt. Diese Patienten haben in einem hohen Prozentsatz vor Diagnosestellung Statine eingenommen. Statine führen zu einer Up-Regulation von 100- respektive 200-kDalton-Proteinen, zu denen die HMG-CoA-Reduktase (HMGCR) gehört. HMGCR kann bei genetisch empfänglichen Individuen (z.B. HLA-Klasse-II-Allel DRB1*11:01) als Autoantigen wirken, das einen Immunprozess in Gang setzt, der durch eine fortgesetzte HMGCR-Expression im Rahmen von Muskelheilungsprozessen zusätzlich unterhalten wird. Die hohen HMGCR-Spiegel in regenerierenden Muskelfasern können also trotz Absetzen des Statins anhalten. «Allerdings werden anti-HMGCR bei der Mehrheit der statinexponierten Individuen nicht gefunden, und – besonders wichtig – auch nicht bei solchen mit einer selbstlimitierenden Statinmyopathie», betonte Prof. Dr. Livia Casciola-Rosen, New York. Diese Beobachtung hat auch eine klinische Implikation: Patienten mit Statinexposition, Myalgien, Muskelschwäche, erhöhter CK und nachweisbaren anti-HMGCR haben sehr wahrscheinlich eine Autoimmunmyopathie und bedürfen einer Immunsuppression.
nose-bindendes Lektin (MBL) sowie einen spontanen, «alternativen» Weg.
Komplementmangelsyndrome
In den Erhebungen der European Society for Immunodeficiency stehen Antikörpermangelsyndrome an erster Stelle (ca. 60%), T-Zell- und Phagozytosestörungen sind mit je rund 8 Prozent schon selten, Komplementmangelsyndrome mit zirka 5 Prozent noch rarer. Es sind verschiedene primäre Komplementmangelsyndrome bekannt, die unterschiedliche Komponenten des Komplementsystems betreffen. Ein Syndrom betrifft die Komplementfaktoren C1q, C1r/s, C2 oder C4. Die Betroffenen haben gehäufte Infektionen mit kapseltragenden Bakterien und eine Lupusähnliche Krankheit. Bei C3-Mangel kommt es gehäuft zu respiratorischen Infekten und Meningitiden, verbunden mit Glomerulonephritis, Vaskulitis oder Lupus-ähnlicher Erkrankung. Andere primäre Komplementmangelsyndrome gehen einher mit Angioödem, Infektionen durch Neisserien oder Meningokokken oder verschiedenen Autoimmunsymptomen. Daneben beobachten Labormediziner auch «Komplementmangelsyndrome», die erst sekundär zum Beispiel bei Anwesenheit von Immunkomplexen entstehen. Sie zeichnen sich durch einen gleichzeitigen Mangel verschiedener Komplementproteine aus und entstehen durch Komplementverbrauch bei massiver Stimulierung des klassischen Wegs. Ein neuer therapeutisch genutzter monoklonaler Antikörper (Eculizumab, Soliris®) richtet sich gegen C5 und findet als terminaler Komplementinhibitor zunehmend Einsatz bei Patienten mit komplementbasierten Erkrankungen wie paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) und atypischem hämolytisch-rrämischen Syndrom (aHUS).
Antinukleäre Antikörper: Immunfluoreszenz oder ELISA?
Seit einer kürzlich erschienenen Publikation im «New England Journal of Medicine», die den Fall einer Patientin mit systemischem Lupus erythematodes mit negativer Bestim-
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mung der antinukleären Antikörper (ANA) mittels ELISA dokumentierte, ist die Methodik der ANA-Bestimmung immer wieder Gegenstand neuer Debatten gewesen, wie Dr. Jan Damoiseaux, Laboratory of Clinical Immunology, University Medical Centre, Maastricht/NL, sagte. Das American College of Rheumatology empfiehlt die indirekte Immunfluoreszenz (IIF) als Goldstandard für ANA-Tests und verlangt von Labors, welche ELISA-basierte Techniken anwenden, den Nachweis, dass diese «mindestens so gut» seien wie die IIF. Eine Vorstellung, die wenig sinnvoll ist, wie Damoiseaux meinte, denn dies lässt sich ohnehin nicht stringent nachweisen, und der Wert der Nachweismethode hängt sehr stark von der klinischen Situation ab, in der sie angewendet werden soll. Sinnvoll ist hingegen, dass Labors bei der Mitteilung der Testresultate immer angeben, mit welcher Methode sie erhoben wurden. Die IIF ist «besser» als ELISA, wenn ANA in den Klassifikationskriterien vorkommen wie bei systemischem Lypus erythematodes (SLE) oder Autoimmunhepatitis. Die IIF kann auch überlegen sein, wenn die Antigene schlecht definiert sind. Beispielsweise spricht dann ein homogenes Muster für SLE, ein nukleoläres Muster für eine systemische Sklerose. Als Empfehlung lässt sich somit formulieren, dass die IIF die Referenzmethode beim ANA-Screening ist, dass aber auch andere Assays (z.B. ELISA, ALBIA, CLIA, FEIA, LIA) zum Einsatz kommen können, wenn immer im Auge behalten wird, dass die Ratios falschpositiver und falschnegativer Testresultate bei diesen Methoden unterschiedlich sind. Besteht aber ein starker klinischer Verdacht und fällt der Test mit einer dieser Methoden negativ aus, ist es zwingend, eine IIF zu veranlassen. Es gibt aber auch Situationen, in denen der IIF-Assay Nachteile bietet, nämlich dann, wenn die Antikörper gegen bestimmte Antigene mit dieser Methode schlecht nachweisbar sind, wie anti-SSA bei Sjögren-Syndrom oder subakutem kutanem Lupus erythematodes (SCLE) oder anti-Jo1 bei Myositis. Bei hohem klinischem Verdacht und wenn dies vom Arzt verlangt wird, sollte auf spezifische nukleäre oder zytoplasmatische Antigene untersucht werden, auch wenn der ANA-IIF-Screeningtest negativ war. Die Durchführung eines aussagekräftigen ANA-IIF-Assays hängt von Reagenzien, Laborausrüstung und weiteren lokalen Faktoren ab, zu denen auch die lokal gewählte Verdünnung gehört. Als abnormaler Titer ist ein solcher über der 95. Perzentile einer gesunden Kontrollpopulation zu definieren. Oft wird eine Dilution von 1:160 gewählt, die eine gute Spezifität bietet, allerdings bei einem geringeren negativen prädiktiven Wert und schlechtem Nachweis von Antikörpern gegen schwache Antigene wie anti-Jo1. Bei einem positiven ANA-IIF-Test sollten das Muster und die höchste Verdünnung, welche noch eine Reaktivität bot, angegeben werden. Beim Nachweis von Antikörpern gegen doppelsträngige DNS (anti-dsDNA) bieten der Farr-Assay und die Crithidialuciliae-IIF (CLIFT) eine hohe klinische Spezifität – je nach
Alles andere als einfach: die Vielfalt der Komponenten des Komplement-
systems.
(mit freundlicher Genehmigung von Ingmar Heijnen)
Cut-off-Wert – bei geringer Sensitivität. Allerdings kann die Spezifität alternativer Nachweismethoden geringer ausfallen, weshalb positive Resultate mittels CLIFT oder FarrAssays bestätigt und separat ausgewiesen werden sollten.
Autoantikörper bei Myositis
Autoimmune Myositiden sind klinisch gekennzeichnet durch eine symmetrische proximale Muskelschwäche, die sich über Wochen oder Monate langsam etabliert. Begleitend kann sich eine muskuläre Pharynx- oder Zwerchfellschwäche ausbilden. Bekannt sind Überlappungen mit anderen Autoimmunerkrankungen. Die autoimmune Myositis spricht auf eine immunsuppressive Therapie an. «Das Krankheitsbild ist zwar oft mit Autoantikörpern assoziiert, aber bei ungefähr 40 Prozent der Myositispatienten fehlen nachweisbare Antikörper», berichtete Prof. Dr. Livia Casciola-Rosen, Johns Hopkins University School of Medicine, Baltimore/USA. Die bei Myositis messbaren Antikörper lassen distinkte Phänotypen der Erkrankung unterscheiden. Einerseits gibt es die myositis-spezifischen Antikörper (z.B anti-Jo1, anti-Mi2, anti-SRP), andererseits nur mit Myositis assoziierte Antikörper (z.B. anti-U1RNP, anti-Ro52). Am meisten verbreitet sind Antikörper gegen Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, die ubiquitär im Zytoplasma vorkommen. Diese Antikörper kommen bei Polymyositiden, Dermatomyositiden, aber auch bei autoimmunen interstitiellen Lungenerkrankungen, Polyarthritis oder RaynaudPhänomen vor. Häufigster in dieser Gruppe (ca. 20%) ist der anti-Histidyl-tRNA-Antikörper (anti-Jo1). Der Nachweis des Signalerkennungspartikel-(SRP-)Antikörpers ist klinisch mit einer immunvermittelten nekrotisierenden Myopathie, rasch fortschreitender schwerer Muskelschwäche und früher Muskelatrophie, Dysphagie und sehr hohen Kreatinkinase-(CK-)Werten assoziiert. Diese Myositisform ist selten (ca. 5%), aber schwer zu behandeln.
Halid Bas
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