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Bei Männern mit niedrigem Testosteronspiegel kann die Substitution des Sexualhormons die Behandlung einer erektilen Dysfunktion erleichtern – und sich darüber hinaus positiv auf die Stoffwechselgesundheit auswirken.
Testosteron kann mehr als die erektile Funktion verbessern
T estosteron ist ein wichtiges Hormon für Sexualität, Erektion und Ejakulation», sagte Prof. Dr. Christian Stief, Direktor der Urologischen Klinik und Polyklinik am Universitätsklinikum München, und betonte, dass er die Testosteronsubstitution unter die kurativen Therapien der erektilen Dysfunktion (ED) rechne. Stehe man also vor der Aufgabe, einen Mann wegen erektiler Dysfunktion zu behandeln, solle man sich zunächst die Frage stellen, ob es ein Problem gebe, das kurativ angegangen werden könne. Ein solches Problem wäre ein Hypogonadismus, der durch Testosteronsubstitution therapiert werden könne. Allerdings sind ED und Hypogonadismus bei Weitem nicht identisch. In verschiedenen Studien wurden bei 2,1 bis 23 Prozent der ED-Patienten niedrige Testosteronspiegel gefunden, wobei die grossen Unterschiede zwischen den einzelnen Arbeiten in Zusammenhang mit den verwendeten Messmethoden stehen. Dabei sind, so Stief, die theoretischen Zusammenhänge zwischen Testosteron und Erektion gut bekannt. Testosteron ist wichtig für die Erregbarkeit der zentralen erektilen Signalwege, es hält synaptische Verbindungen aufrecht, stabilisiert den Neurotransmitterpool und verhindert die Apoptose glatter Muskelzellen im Corpus carvernosum.
Zusammenhang mit Diabetes und metabolischem Syndrom
Das metabolische Syndrom – bestehend aus abdominaler Adipositas, Insulinresistenz, Dyslipidämie und Hypertonie – steht in mehrfachem Zusammenhang mit dem Testosteron. Epidemiologische Studien zeigen eine inverse Beziehung zwischen dem Serumtestosteron und dem Nüchterninsulin. Typ-2-Diabetiker haben niedrigere Testosteronspiegel als Stoffwechselgesunde (1). Stief: «Wenn Sie also ein niedriges Testosteron haben, sind Ihre Chan-
cen auf einen auffälligen Glukosetoleranztest oder einen manifesten Typ-2Diabetes deutlich erhöht.» Zu diesem Ergebnis kam auch eine Longitudinalstudie aus Finnland mit 702 Teilnehmern und einem Follow-up von 11 Jahren. Von diesen Probanden entwickelten 147 ein metabolisches Syndrom und 57 einen Typ-2Diabetes. Das Gesamttestosteron bei Studienbeginn erwies sich als Prädiktor sowohl für das metabolische Syndrom als auch für den Diabetes. Die Berechnungen wurden mit mehreren unterschiedlichen statistischen Modellen vorgenommen – und brachten jedes Mal das gleiche Ergebnis (2). «Angesichts dieser Daten ist die Testosteronsubstitution aus Gründen der allgemeinen Gesundheit eine sehr sinnvolle Sache», so der Experte.
Was empfehlen die Leitlinien zum Hypogonadismus?
Fünf wissenschaftliche Gesellschaften stützen durch ihre Stellungnahme diese Empfehlung, die in die Guideline der EAU zur Behandlung des Late Onset Hypogonadism eingeflossen ist (3). Stief: «In dieser Guideline ist Hypogonadismus – also niedriges Testosteron – als Krankheit definiert. Das kann wichtig im Hinblick auf die Erstattung sein. Es heisst in der Empfehlung, dass alle am Markt verfügbaren Präparate sicher und wirksam sind und dass zumindest zu Beginn der Therapie ein schnell wirksames Medikament gewählt werden sollte.» Weiter empfiehlt die Leitlinie, bei allen Patienten den Testosteronspiegel eines gesunden, jungen Mannes anzustreben. Vor Beginn der Therapie muss das individuelle Risiko eines Prostatakarzinoms bestimmt werden. Dazu genügt, so die Leitlinie, die PSA-Bestimmung und die Tastuntersuchung, eine Biopsie ist nicht erforderlich. Vorsicht ist geboten bei Symptomen des unteren Harntrakts und der Prostata. Hämatokrit
und Leberenzyme sollten bestimmt werden. Die Substitutionstherapie mit Testosteron sollte monitorisiert werden. Nach drei und sechs Monaten sollte nach dem Erfolg gefragt, eine Tastuntersuchung der Prostata vorgenommen sowie Hämatokrit und Leberenzyme bestimmt werden. Danach wird eine einmal jährliche Kontrolle empfohlen. In Bezug auf das Risiko eines Prostatakarzinoms verweist Stief auf die Hypothese der Testosteronsättigung. Diese besagt, dass eine Prostatakarzinomzelle nur sehr wenig Testosteron, nahe am Kastrationsniveau, benötigt, um zu wachsen. Wird der Testosteronspiegel über dieses Niveau hinaus erhöht, macht das für das Karzinom keinen Unterschied mehr (4).
Reno Barth
Referenzen: 1. Pitteloud N et al. Diabetes Care 2005; 28 (7): 1636–642. 2. Laaksonen DE et al. Diabetes Care 2004; 27 (5): 1036–1041. 3. Wang C et al. Eur J Endocrinol 2008 November; 159 (5): 507–514. 4. Morgentaler A. J Urol 2013; 189 (1 Suppl): S26–33. 5. Park K et al. BJU Int. 2005; 95: 366–370. 6. Shabsigh R et al. J Urol 2004; 172: 658–699.
Quelle: «Office management of male sexual dysfunction», Vortrag im Rahmen des ESU-Course 05 am EAU-Kongress am 16. März 2013 in Mailand.
Testosteron und PDE-5Hemmer
Hinsichtlich der Therapie der erektilen Dysfunktion ist die Wirksamkeit von PDE5-Inhibitoren bei hypogonadalen Männern stark eingeschränkt (5). Wird bei diesen Männern der Hypogonadismus mit einer Testosteronsubstitution behandelt, verbessert sich die Wirkung von PDE-5Inhibitoren signifikant (6). In der Studie wurde ein Testosterongel mit einem Plazebogel vor dem Hintergrund einer Behandlung mit Sildenafil verglichen.
20 Urologie EAU 2013