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Therapie des Prostatakarzinoms
Kastrationsresistenz: Wie geht es weiter?
Das Auftreten von Kastrationsresistenz markiert in mehrfacher Hinsicht eine problematische Phase im Verlauf einer Prostatakarzinomerkrankung. Einerseits bedeutet es das Versagen einer gut etablierten und wirksamen Therapie und darüber hinaus den Eintritt in ein Stadium, für das es gegenwärtig wenig evidenzbasierte Empfehlungen gibt.
Erfreulicherweise sind jedoch die Zeiten der weitgehenden Hilflosigkeit vorbei, da mittlerweile eine Reihe von Substanzen Wirksamkeit beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom gezeigt haben. Zunächst stelle sich, so Prof. Dr. Jürgen Gschwend von der Urologischen Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München, jedoch die Frage, wie man (in klinischen Studien wie im Alltag) Progression überhaupt definieren soll: «Wir benötigen definierte, klare, praktikable und akzeptierte Endpunkte. Diese Ziele sollten in einem nachvollziehbaren Zusammenhang mit der eingesetzten Therapie stehen.» Zur Wahl stehen Bildgebung, Biomarker und Klinik. Die Probleme des Monitorings lassen sich, so Gschwend, am Beispiel des prostataspezifischen Antigens (PSA) aufzeigen. PSA eignet sich in der metastasierten, kastrationsresistenten Situation nämlich nicht mehr so einfach als Marker für die Progression. Der Wert sei zwar hilfreich, aber nicht bei jedem Patienten und nicht unter jeder Form der Therapie. So wurden Fälle beschrieben, wo es unter Enzalutamid unmittelbar nach einem initialen PSA-Abfall zu einem langsamen Anstieg kam, während der Patient über mehr als 40 Monate keine klinischen Zeichen einer Progression zeigte. Oder ein Patient präsentierte unter Abirateron einen steilen Anstieg des PSA, blieb dabei aber klinisch und radiologisch über 22 Monate stabil (1). Gschwend: «Das sind zwei Beispiele, wie sich PSA benehmen kann. Man sieht, dass man hier allein anhand des PSA keine Aussagen über die klinische Progression machen darf.» Ein weiterer Marker, dessen Aussagekraft umstritten bleibt, sind die zirkulierenden Tumorzellen (CTC). In Studien erwiesen sich CTC vor Behandlungsbeginn als sehr aussagekräftiger prädiktiver Marker für das Gesamtüberleben (2). Gschwend: «Wir haben in Chemotherapiestudien gesehen, dass Patienten mit weniger als 5 Tumorzellen pro ml Blut ein signifikant besseres Überleben haben als Patienten mit einem höheren CTC-Count. Allerdings wissen wir wenig über die Zusammenhänge zwi-
schen CTC und Progression. Es laufen derzeit zahlreiche Studien, die die Aussagekraft unter verschiedenen Therapien evaluieren. Hier haben wir noch keine abschliessenden Antworten – besonders wenn es um Patienten mit Knochenmetastasen geht.» Als Alternative bietet sich die Bildgebung an, aber auch deren Bedeutung wird diskutiert (siehe Kasten).
Welche Rolle spielen die Kortikosteroide?
Unklar sind freilich nicht nur Details der Diagnostik und des Monitorings. Auch im klinischen Management gibt es eine Reihe offener Fragen. Eine betrifft die Rolle der Kortikosteroide. Diese unterdrücken die Produktion von ACTH und damit der adrenalen Androgene und imitieren endogene Mineralokortikoide – was wiederum zur vermehrten Expression antiinflammatorischer sowie zur Downregulation proinflammatorischer Zytokine führt. Kortikosteroide verbessern die Lebensqualität, reduzieren Schmerzen und Müdigkeit sowie die Nebenwirkungen einer Chemotherapie (3). «Mit unterschiedlichen Kortikosteroiden wurden auch Effekte auf das PSA gesehen, die allerdings meist von kurzer Dauer sind», sagt dazu PD Dr. Maria deSantis von der 3. Medizinischen Abteilung am Sozialmedizinischen Zentrum Süd in Wien. Prednison in Kombination mit dem Zytostatikum Mitoxantron war früher Standard beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom und kam auch in den Vergleichsarmen der Taxanstudien zum Einsatz. Ein erhebliches Problem beim Einsatz von Kortikosteroiden stellen die zahlreichen Nebenwirkungen dar, die besonders dann zum Tragen kommen, wenn Patienten in der metastasierten Situation länger leben. Die Expertin verweist auf rezente Daten aus AFFIRM, einer Phase-III-Studie mit Enzalutamid, die für jene Patienten, die zusätzlich Kortikosteroide erhielten, ein kürzeres Überleben ergaben (4). Allerdings hatten diese Patienten mehrheitlich schlechtere Ausgangsbedingungen wie höheres PSA und mehr Knochenmetastasen.
8 Urologie EAU 2013
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Im Gegensatz dazu berichtet Dr. Chris Parker, Consultant Clinical Oncologist am Royal Marsden Hospital in London, von bemerkenswerten Erfolgen mit Dexamethason.
Nebenwirkungen manchmal sogar willkommen
Er unterstreicht, dass die Nebenwirkungen der Kortikosteroide stark dosisabhängig sind und in manchen Situationen sogar willkommen sein können. So seien gesteigerter Appetit und Gewichtszunahme bei einem Patienten mit einer metastasierten Krebserkrankung durchaus nicht unerwünscht. Es sei jedoch nicht gleichgültig, welches Kortikosteroid zum Einsatz kommt. Seine guten Erfahrungen mit Dexamethason wurden mittlerweile in einer Phase-IIStudie bestätigt, die Dexamethason mit Prednison verglich, wobei sich Dexamethason sowohl hinsichtlich der radiologischen Progression als auch des progressionsfreien Überlebens als signifikant überlegen erwies (5).
Abirateron auch vor der Chemotherapie
Prof. Dr. Peter Mulders von der Radboud-Universität in Nijmegen, Niederlande, betont, dass zwar bis vor Kurzem Chemotherapie die unumstrittene First-Line-Option in der Behandlung des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms war, dass nun allerdings mehrere neue Substanzen einen Platz vor der Chemotherapie erhalten könnten. Eine zugelassene Option ist Abirateron, ein selektiver Inhibitor des Cyp17A1-Enzyms, der die Androgenproduktion auch in den Nebennieren und der Prostata unterdrückt. Es wurde zunächst post Chemotherapie untersucht und brachte im Vergleich zu Plazebo eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (6). Mittlerweile liegen jedoch auch Daten zum Einsatz bei chemotherapienaiven Patienten vor. Bereits nach der zweiten Interimsanalyse im Februar 2012 wurde die Studie entblindet, weil die Überlegenheit von Abirateron plus Prednison hinsichtlich des progressionsfreien Intervalls und des Gesamtüberlebens zu erkennen war (7). Im Rahmen des EAU-Kongresses 2013 präsentierte Mulders die dritte Interimsanalyse, die beim Eintreten von 55 Prozent der erwarteten Todesfälle durchgeführt wurde. Mulders: «Abirateron war in allen Subgruppen überlegen und verdoppelte die Zeit bis zur Progression. Das progressionsfreie Überleben betrug unter Abirateron und Prednison 16,5 Monate, unter Prednison alleine 8,3 Monate. Das mediane Gesamtüberleben lag im Abirateronarm bei 36,5 Monaten, womit die Überlegenheit gegenüber dem Kontrollarm (30,1 Monate) gegeben war, jedoch nicht den in dieser Studie angelegten sehr strengen Kriterien für Signifikanz entsprach (8). Endgültige Ergebnisse der Studie werden im Jahr 2014 erwartet.
Reno Barth
Auch die Bildgebung kann falschliegen
Eine Alternative zu den Biomarkern stellt die Bildgebung dar. Wobei die Definition der radiologischen Progression durchaus nicht einheitlich ist. In den neueren Studien schliesst sie meist das Auftreten von Weichteilmetastasen nach den RECIST-Kriterien und/oder mindestens zwei neue Knochenmetasen ein. Auch die Bedeutung der Bildgebung ist in Diskussion. Prof. Dr. Jürgen Gschwend spricht von mangelhafter Sensitivität und Spezifität: «Wenn ein Knochenscan negativ ist, bedeutet das, dass der Patient wirklich keine Knochenmetastasen hat? Das ist durchaus nicht sicher und nicht evaluiert. Umgekehrt finden wir auch falschpositive Resultate.» So kann sich beispielsweise eine im Knochenscan diagnostizierte Metastase im MR als Fraktur mit Ödem herausstellen. Generell werden neuere Techniken wie der MRI-Scan im Management des metastasierten Prostatakarzinoms immer wichtiger, weil sie zum Beispiel das Auffinden von Weichteilmetastasen erleichtern. 18F-Fluorid-PET hat sich im Vergleich zur Szintigrafie als überlegen in der Diagnose von Knochenmetastasen erwiesen (9). Hinsichtlich der klinischen Parameter weist Gschwend auf die unterschiedlichen Definitionen von Schmerzprogression in den verschiedenen Studien hin.
Referenzen: 1. Scher HI et al. J Clin Oncol 2011; 29 (27): 3695–3704. 2. De Bono et al. Clin Cancer Res 2008; 14 (19): 6302–6309. 3. Dorff TB, Crawford ED. Ann Oncol 2013; 24 (1): 31–38. 4. Scher et al. ASCO-GU 2013. 5. Venkitaraman R et al. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl 6, abstr. 123). 6. Fizazi K et al. Lancet Oncol 2012; 13: 983–992. 7. Ryan C et al. New Engl J Med 2013; 368: 138–148. 8. Mulders P, EAU 2013, Abstract 97. 9. Messiou C et al. Br J Cancer 2009; 101 (8): 1225–1232.
Quelle: Satellitensymposium «Clinical conundrums in the treatment of metastatic castration-resistant prostate cancer» mit Unterstützung von Janssen Pharmaceutical Companies of Johnson & Johnson am 17. März 2013 im Rahmen des EAU-Kongresses in Mailand.
Kongressnotiz
European Association of Urology
Die European Association of Urology zählt alles in allem mehr als 16 000 Mitglieder und bietet diverse Möglichkeiten, das Wissen auf den neuesten Stand zu bringen. Eine davon ist bereits seit 1970 der EAU-Kongress, an dem sich Urologen aus aller Welt treffen – einer der grössten medizinischen Kongresse in Europa. Darüber hinaus stehen online viele weitere Angebote, unter anderem regelmässig aktualisierte Guidelines, zur Verfügung. Weitere Informationen zum Kongress und die Organisation unter: www.eaumilan2013.org/ oder www.uroweb.org/
EAU 2013 Urologie
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