Transkript
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Was waren die Höhepunkte am 20. Cardiology Update?
Interview mit Prof. Dr. Thomas F. Lüscher, Zürich
Zum ersten kardiologischen Kurs versammelten sich 1975 in Davos 75 Teilnehmer. Aufgrund der guten Resonanz entschloss man sich, daran festzuhalten und sich alle zwei Jahre erneut dort zu treffen. Seit 1995 zeichnet Prof. Dr. Thomas F. Lüscher, Universitätsspital Zürich, zusammen mit Prof. Dr. Bertram Pitt, Ann Arbor, für das Treffen verantwortlich. Der ehemals kleinere Kreis wuchs über die Jahre auf rund das 10-Fache, nicht zuletzt dank der international renommierten Experten im Board, die immer wieder gern der Einladung der Organisatoren folgen. In diesem Jahr kamen die Teilnehmer aus fast 40 Ländern und verfolgten Vorträge, Fallvorstellungen und Workshops von 113 Referenten. ARS MEDICI befragte Prof. Lüscher am aktuellen Jubiläumskurs zu Geschichte und Höhepunkten des Kongresses.
H err Prof. Lüscher, in diesem Jahr findet das Cardiology Update bereits zum 20. Mal statt. Wie sind Sie zu diesem Kurs gekommen? Prof. Dr. Thomas Lüscher: Bertram Pitt hatte in Basel studiert und damals mit Paul Lichtlen zusammen diesen Kurs 1975 ins Leben gerufen. 1995 hat Paul Lichtlen einen Nachfolger gesucht, und letztlich habe ich diesen Kurs übernommen. Wir haben ihn dann thematisch breiter angelegt, erst seither heisst er Cardiology Update. Und wir sind immer noch hier in Davos, trotz der immer restriktiveren Vorschriften. Früher gab es noch Zeit zum Skifahren, in diesem Jahr mussten wir sogar das Konzert absagen, das die Leute selber bezahlt hatten. Aber sowohl wir als auch Davos haben dafür gekämpft, den Kurs weiterhin hier machen zu können, und haben uns durchgesetzt. Die Industrie war mit ihren Satelliten dabei, die Faculty spricht ebenfalls für sich, ich glaube nicht, dass es viele Kurse mit einer solchen Faculty gibt. Theoretisch hätten wir den Kurs auch in Zürich machen können, aber dann kommen und gehen die Leute, und es fehlt einfach der besondere Spirit.
Wie sieht es mit den Teilnehmern aus? Im letzten Jahr hatten wir noch 850 Teilnehmer, in diesem Jahr sind es weniger. Nicht zuletzt auch, da die Industrie früher ganze Gruppen aus Ländern gebracht hat, die sich das sonst nicht leisten können – und das geht heute nicht mehr. Früher hatten wir so zum Beispiel 25 Teilnehmer aus Kroatien, diesmal nur noch 2, weil es für dortige Verhältnisse kaum mehr bezahlbar ist. Das sieht man ja sonst auch, die Schweiz ist ein teures Land für Touristen. Aber wir haben ein paar Ideen, wie wir als Stiftung die Ärzte zukünftig unterstützen könnten, spezielle Grants für
jüngere Leute, Fellows am Ende ihrer Weiterbildung zum Beispiel.
Gibt es weniger Frauen, oder täuscht der
Eindruck?
Das mag stimmen, die Kardiologie war
schon immer ein eher männlich domi-
niertes Fach. Die Frauen neigen oftmals
weniger zu Fächern, in denen man inter-
ventionell tätig ist – mit guten Ausnahmen natürlich. Ich denke aber nicht,
Thomas F. Lüscher
dass das an diesem Teil der Ausbildung
liegt, und bin davon überzeugt, dass Kardiologen alle Be-
reiche durchlaufen haben sollten, um später in der Praxis
die Abläufe zu kennen und Komplikationen besser ein-
schätzen zu können. Eine Hürde könnte vielmehr sein,
dass Frauen häufiger nicht Vollzeit arbeiten möchten oder
können. Das ist in der akademischen Medizin schwierig,
unter 60 Stunden die Woche ist international kaum etwas
zu erreichen. In der Forschung sind die Frauen mittlerweile
gut vertreten, der Frauenanteil könnte sich also in der
nächsten Generation wieder ändern.
Was waren die Highlights des Jubiläumskurses? Joseph Loscalzo hat sich in der Paul-Lichtlen-Lecture, für die wir in den letzten Jahren immer hervorragende Referenten gewinnen konnten, mit der Personalized Cardiovacsular Medicine beschäftigt. Er hat das Networking der Pathways beschrieben, noch etwas visionär, aber sicher wichtig für die Zukunft. In der Hypertonie liegt uns die Nierennervenablation am Herzen. Ein beeindruckendes neues Verfahren, das wir gerne weiteren Patienten zu-
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kommen lassen möchten, wir planen gerade eine grössere Studie.
Für welche Patienten kommt die Ablation infrage? Aktuell publizieren wir Schweizer Daten von 32 Patienten mit Follow-up. Bislang waren das Patienten mit therapieresistenter Hypertonie, vorwiegend ältere. Unsere Erfahrungen damit sind sehr gut, das funktioniert. Die nächste Frage ist nun, ob wir das Verfahren auch Patienten anbieten können, die drei Medikamente nehmen, aber lieber weniger nehmen möchten. Mit Blick auf die Compliance wäre das wünschenswert, eine Heilung aber ist eher unwahrscheinlich, ausser, wenn man vielleicht früh anfängt.
Was gibt es Neues im Bereich der Pharmakotherapie? Sehr viel wurde über die Thrombin- und die Faktor-10Hemmer gesprochen. Das ist sicher in den letzten Jahren der Bereich mit der grössten Innovation in der Pharmakotherapie, der unsere Praxis stark beeinflussen wird. Auch in der Schweiz haben wir heute zwei Produkte, ein drittes wird kommen, ein viertes vielleicht in den nächsten Jahren.
Stichwort Vorhofflimmern? Das Vorhofflimmern ist auch ein Riesenthema, wir werden alle älter, der Vorhof und die Lungenvenen grösser. Zur Verfügung stehen hier nicht nur Medikamente, sondern auch die Ablation, die wir im Format «Life in The Box» auch zeigen konnten. Beim Vorhofflimmern treffen sich die Innovationen der Pharmakotherapie mit den neuen technischen Möglichkeiten. So kann man heute mit MRT oder intrakardialem ECHO strahlungsarm ablatieren. Neue Katheter zeigen, wo man ist, und erübrigen die Strahlung, derentwegen wir schon einige Kardiologen verloren haben.
Was tut sich im Bereich der Lipide? Die Lipide waren ein weiteres wichtiges Thema. Darunter natürlich das HDL, ein negativer Höhepunkt, der immer mehr zeigt, dass unsere diesbezüglichen Konzepte stimmen. Wenn man krank wird, gibt es eine HDL-Dysfunktion, und eine Erhöhung des HDL bringt dann keinen Nutzen. Das bestätigt sich in allen Studien, einzig eine ist noch ausstehend. Eine neue Hoffnung liegt auf den PCSK9-Inhibitoren, die, wenn es aufgeht, ein LDL erlauben wie bei den Indianern am Amazonas.
Junge Wissenschafter ausgezeichnet
Auch im Rahmen des 20. Cardiology Updates wurden wieder Posterpreise vergeben. Der 1. Preis ging an Dr. Jennifer Mancio, Centro Hospitalar de Vila Nova de Gaia e Espinho, Portugal, für ihre exzellente praxisbezogene Arbeit «Cardiogenic shock complicating acute coronary syndromes: Predictors of in-hospital and 1-year mortality». Dr. Philipp Jakob, Universitätsspital Zürich, erhielt den 2. Preis für die beste «Labor»-Arbeit «Reduced microRNA-130a Expression in Early Outgrowth Cells is a Novel Mechanism Limiting Vascular Repair Response in Patients with Coronary Artery Disease». Der 3. Preis wurde an Alessandra Vecchiati, Universitätsspital Zürich, vergeben für ihre praxisbezogene Arbeit «Different Prognostic Value of Functional Right Ventricular Parameters in Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy». Mit diesem Preis sollen junge Wissenschaftler aus der ganzen Welt ermuntert werden, ihre Forschung an einer Postersession zu präsentieren und mit anderen Teilnehmern, Referenten und Meinungsbildnern in Dialog zu treten. Mit der Einreichung eines Posters verbunden ist eine Vergünstigung der Registration und damit die Möglichkeit, an einem solchen Kongress teilzunehmen.
Haben wir noch etwas vergessen? Ein weiteres Highlight waren die Kardiomyopathien, diese schweren Erkrankungen sind etwas in Vergessenheit geraten, wir wollen sie wieder etwas mehr in den Mittelpunkt rücken. In Zürich haben wir eine Spezialsprechstunde eingerichtet, denn diese Patienten brauchen kompetente Hilfe. Und last but not least, steht die Herzinsuffizienz auf dem Programm, ein grosses Thema, die darauf zurückzuführenden Hospitalisationen haben in den letzten fünf Jahren massiv zugenommen. Mit Serelaxin und Ularitid sind neue Medikamente in Aussicht, die bei der akuten Herzinsuffizienz einen Mortalitätsbenefit zeigen. Das heisst, die akute Herzinsuffizienz wird wie das akute Koronarsyndrom ein Notfallmanagement erfordern, um möglichst viele Patientenleben zu retten. Neben den neuen Medikamenten kommen die kardiale Resynchronisationstherapie und die linksventrikulären Assist-Devices infrage – nicht zuletzt deshalb benötigen wir Herzinsuffizienzspezialisten, wie wir sie zukünftig in Zürich ausbilden werden. Ärzte, die auch etwas von Imaging und Dyssynchronie verstehen, die einen Schrittmacher programmieren und dann die Medikamente richtig titrieren können und die wissen, wann eine Transplantation zu erwägen ist.
Besten Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Dr. Christine Mücke.
Abbildung: (v.l.n.r): Geoffrey S. Pitt (Chair of the Award Session), Jennifer Mancio (1. Preis), Philipp Jakob (2. Preis), Alessandra Vecchiati (3. Preis) und Thierry Gillebert (Chair of the Award Session).
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