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Paradigmenwechsel bei der Herzinsuffizienz
Interview mit Prof. Dr. Frank Ruschitzka, Zürich
Um den grossen Veränderungen im Bereich der Herzinsuffizienz gerecht werden zu können, bedarf es speziell ausgebildeter Ärzte, sind Experten überzeugt. Das neue Herzinsuffizienzzentrum in Zürich soll dieser Entwicklung Rechnung tragen. Über die aktuellen Herausforderungen sprach Prof. Dr. Frank Ruschitzka, Universitätsspital Zürich, am Rande des Cardiology Update.
H err Prof. Ruschitzka, Patienten mit Herzinsuffizienz sind eine immer wichtigere Klientel in den Spitälern. Von welcher Grössenordnung sprechen wir? Prof. Dr. Frank Ruschitzka: Die Herzinsuffizienz hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Vom «Cinderella to Center Stage» – von einer Randdisziplin hin zur Hälfte der Hospitalisationen in einem Tertiärspital wie dem USZ. Betrachtet man die Liegezeiten machen die Herzinsuffizienzpatienten gar drei Viertel der Patienten aus, insbesondere die im Endstadium, die früher zu Hause verstor-
ben sind. Heute nehmen wir sie auf und versuchen, sie in jeder Beziehung zu optimieren. Wir können heute Lebenszeit und Lebensqualität gewinnen.
Die Therapie der Herzinsuffizienz ist
heute viel spannender, als man noch vor
einiger Zeit vermutet hätte. Was tut sich
aktuell?
Früher konnte man den Patienten im
Frank Ruschitzka
Endstadium nichts anbieten. Dann kamen Studien mit Diuretika, damit konnte
man diese Patienten zumindest wieder auf die Füsse stel-
len. Aber wir haben gelernt, dass es mehr braucht als Di-
uretika. Heute haben wir eine viel grössere Auswahl – die
medikamentöse Therapie wird zunehmend anspruchsvol-
ler. Vielversprechende Daten gibt es für die neuen Sub-
stanzen Serelaxin und Ularitid. Und schliesslich haben wir
auch noch die Devices, ICD, CRT und so weiter. Das Ma-
nagement ist sehr komplex, wir können heute die Chan-
cen verbessern – aber das kommt erst so langsam in den
Köpfen an, wir brauchen einen Paradigmenwechsel.
Welchen Stellenwert haben Kunstherzen? Es ist ein Segen, dass wir Kunstherzen haben, sie spielen eine wichtige Rolle. Wir haben 120 000 Patienten mit Herzinsuffizienz, die unweigerlich im Laufe der Zeit dekompensieren. Wenn dann jemand kommt, ist man froh, etwas anbieten zu können. Momentan sind die Kunstherzen für uns eine Brücke zur Transplantation, bei den konser-
vativ austherapierten Patienten wie beispielsweise Dick Cheney. Ein neuer Horizont sind Kunstherzen als dauerhafte Therapie, das wird aber derzeit noch nicht bezahlt. Manch einer hätte damit noch die Chance auf einige gute Jahre. Aber bei wem «lohnt» sich das? Wer wird ein Anrecht darauf haben – da kommt eine schwierige Diskussion auf uns zu, der wir uns stellen müssen.
Welche Rolle hat der Hausarzt? Viele der Herzinsuffizienzpatienten finden gar nicht den Weg zu uns. Der Hausarzt muss sie erkennen, behandeln, gut einstellen und wissen, wann es Zeit für eine Überweisung zum Spezialisten ist. Der Hausarzt sollte die Fäden in der Hand halten, wir stehen rund um die Uhr zur Verfügung, um zu helfen. Und dann kommen die Patienten wieder zu ihm zurück.
Wie definiert sich das neue Zentrum für Herzinsuffizienz? Die Betreuung der Herzinsuffizienzpatienten sollte durch jemanden erfolgen, der das ganze Bild im Auge hat und in der Lage ist, alles zu machen. Und zwar, um zu gewährleisten, dass das Device nicht nur richtig implantiert wird, sondern auch dem richtigen Patienten. Im neuen Zentrum für Herzinsuffizienz arbeiten klassische Herzinsuffizienzärzte eng mit den interventionellen Kollegen, den Implanteuren, Imagern und so weiter zusammen. Darüberhinaus werden dort die zukünftigen Spezialisten für Herzinsuffizienz umfassend in all diesen Bereichen ausgebildet – das stösst bei den jungen Ärzten auf eine gute Resonanz. Eine Disziplin, die die akute sowie die chronische Herzinsuffizienz umfasst, die medikamentöse Behandlung genauso wie Devices bis hin zur Transplantation, ist ziemlich attraktiv. In Anbetracht der Grössenordnung des Problems ist es wichtig, die Weichen möglichst früh zu stellen. Die Hausärzte sind dankbar für eine Anlaufstelle, ein Zentrum, das ihnen zur Seite steht. In den USA und in England ist das bereits gang und gäbe.
Das Interview führte Christine Mücke.
8 Cardiology Update 2013