Metainformationen


Titel
ESC-Guidelines zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern
Untertitel
Neue orale Antikoagulanzienbevorzugt in Betracht ziehen
Lead
Das Management der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern ist Gegenstand etlicher Richtlinien. Das letzte Guideline-Update der European Society of Cardiology stammt aus dem vergangenen Jahr. Einen Überblick über die Empfehlungen, ihre Auswirkungen und den Platz von Dabigatran gab Prof. Dr. John Camm, London, am Cardiology Update.
Datum
Autoren
-
Rubrik
Kardiologie - 20th Cardiology Update 10.-15. Februar 2013 in Davos
Artikel-ID
6629
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/6629
Download

Transkript


CongressSelection

ESC-Guidelines zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern
Neue orale Antikoagulanzien
bevorzugt in Betracht ziehen

Das Management der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern ist Gegenstand etlicher Richtlinien. Das letzte Guideline-Update der European Society of Cardiology stammt aus dem vergangenen Jahr. Einen Überblick über die Empfehlungen, ihre Auswirkungen und den Platz von Dabigatran gab Prof. Dr. John Camm, London, am Cardiology Update.

V orhofflimmern zählt zu den Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung eines Schlaganfalls. Die mehrheitlich ischämischen Ereignissse gehen mit gravieren-

den individuellen wie gesellschaftlichen Folgen einher.

Daher sollten Patienten über 65 mit nicht valvulärem Vor-

hofflimmern antithrombotisch behandelt werden. Welches

Mittel geeignet ist, orientiert sich am

Schlaganfall- und Blutungsrisiko. Für die

Abwägung des Schlaganfallrisikos wird

heute nicht mehr der CHADS2- sondern

der CHA2DS2VASc-Score empfohlen, so

Camm, der vergleichsweise präziser ist,

da er auch Patienten zwischen 64 und

75 Jahren, das höhere Risiko der Frauen

sowie Gefässerkrankungen eigens be-

rücksichtigt.

John Camm

Eindeutig ist das Vorgehen ab einem Score von 2: Ausser bei Kontraindikatio-

nen gibt es vonseiten der European Society of Cardiology

(ESC) eine Klasse-I-Level A-Empfehlung zur Therapie mit

oralen Antikoagulanzien. Bei alleinigem Vorhofflimmern

(Score = 0) wird keine antithrombotische Therapie emp-

fohlen (Klasse I, Level B). Bei einem Score von 1 aber

muss eine individuelle Entscheidung getroffen und die Be-

handlung abhängig vom Blutungsrisiko gemäss den Wün-

RELY-ABLE zeigt Sicherheit über 4 Jahre
In der RELY-ABLE-Studie wurden die beiden Dabigatranarme der zweijährigen RE-LY-Studie mit 5851 Patienten über weitere 2,3 Jahre fortgeführt. Damit liegen nun für Dabigatran als einziges NOAK Daten über fast viereinhalb Jahre vor, wie Prof. Dr. Thomas Lüscher, Zürich, ausführte. In dieser Zeit gab es bei anhaltender Wirksamkeit keinen Anhaltspunkt für neue Sicherheitssignale. Die Raten an Schlaganfällen und systemischen Embolien blieben unter beiden Dosierungen von Dabigatran niedrig, ebenso die Raten der ischämischen Schlaganfälle. Sehr niedrig waren die Raten der hämorrhagischen Blutungen.

schen des Patienten entweder mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA), einem direkten Thrombinhemmer oder einem oralen Faktor-Xa-Hemmer erwogen werden (Klasse IIa, Level A). Dabei ist zu bedenken, dass Warfarin wirksam ist, aber oft nicht ausreichend gut angewendet wird: Nur bei rund 55 Prozent der Zeit liegen die Werte der Behandelten im therapeutischen Bereich. In diesem Zusamenhang verwies der Experte auf die vielen abschreckenden Namen, unter denen das Coumarin als Rattengift verwendet wird: Dethmor, Dethnel, Kaput oder ADIOS, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Weniger intrakranielle Blutungen
Bei der Vermeidung von Schlaganfällen oder systemischen Embolien haben sich die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) dem Warfarin als mindestens ebenbürtig oder überlegen erwiesen. Dabei kommt es seltener zu intrakraniellen Blutungen als unter dem Vitamin-K-Antagonisten. Auch wenn es um grössere Blutungsereignisse geht, schneiden beide Dosierungen von Dabigatran sowie Apixaban besser als der Vitamin-K-Antagonist ab. Diese Daten haben dazu geführt, dass NOAK nicht nur bevorzugt empfohlen werden, wenn Vitamin-K-Antagonisten nicht infrage kommen, sondern auch in den übrigen Fällen laut ESC-Empfehlungen für die meisten Patienten bevorzugt in Betracht gezogen werden sollten. Allerdings ist es für die Klasse-1-Empfehlung der ACCF/AHA/HRS für Dabigatran Bedingung, dass weder eine schwere Nierenerkrankung mit einer Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min noch eine fortgeschrittene Lebererkrankung vorliegt.
NOAK und Kardioversion
Der direkte Thrombinhemmer Dabigatran ist der einzige unter den NOAK, der im Zusammenhang mit Kardioversionen umfangreich untersucht wurde. Annähernd 1300 Patienten wurden in der RE-LY-Studie fast 2000-mal kardiovertiert. Die Rate an Schlaganfällen oder systemischen Embolien war unter der höheren Dosierung von Dabiga-

28 Cardiology Update 2013

CongressSelection

tran numerisch niedriger als unter Warfarin (ns). Wurde vor der Kardioversion ein transösophageales Echo durchgeführt, fiel die Ereignisrate niedriger aus. Die ESC-Empfehlungen raten für Patienten mit einem VHF von 48 Stunden oder länger zu einer medikamentösen Therapie mit VKA oder Dabigatran für mindestens drei Wochen vor und mindestens vier Wochen nach Kardioversion. Die anfänglich in RE-LY beobachtete Inzidenz ernsthafter Blutungen liess sich in einer späteren Auswertung von Daten aus der alltäglichen Praxis nicht bestätigen, wie Camm berichtete. Im Nachhinein wurden die damals beobachteten Ereignisse in erster Linie Patienten mit schlechter Nierenfunktion zugeschrieben. Auch die FDA bestätigte in einem Mini-Sentinel, dass mit der Einnahme von Dabigatran im Vergleich zu Warfarin kein gesteigertes Blutungsrisiko einhergeht. Im Gegenteil: Sowohl die Inzidenzen für intrazerebrale als auch gastrointestinale Blutungen fielen für neue Warfarinanwender höher als für neue Dabigatrananwender aus.
Vor der Verordnung
Die für die Verordnung von Dabigatran wesentlichen Aspekte sind Nierenfunktion, Alter und Blutungsrisiko. Bei einer Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min ist der Thrombinhemmer kontraindiziert. Ist der Patient über 80 Jahre, weist ein hohes Blutungsrisiko auf oder hat eine Kreati-

NOAK: Schweizer Studie zeigt Kosteneffektivität
Immer wieder taucht die Frage nach der Kosteneffektivität der neuen oralen Antikoagulanzien auf. Pletscher et al. haben kürzlich für beide Dosierungen von Dabigatran unter Berücksichtigung der Schweizer Kosten in der Prävention von Schlaganfällen berechnet, ob die Therapie mit dem NOAK kostenefffektiv ist. Die Experten vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie verglichen in zwei Behandlungsarmen die Kosteneffektivität einer Therapie mit Dabigatran versus Vitamin-K-Antagonisten unter Berücksichtigung der Kosten für Medikamente, ggf. notwendiger Kontrollen sowie der Kosten der (zu vermeidenden) klinischen Ereignisse im Laufe eines modellhaften Patientenlebens. Die höhere Lebenserwartung der Patienten, die Dabigatran erhielten, ging mit höheren Kosten einher. Diese wurden jedoch durch Einsparungen bei den INR-Kontrollen, geringere Kosten für klinische Ereignisse sowie einen Zugewinn an Lebensqualität aufgewogen, so das Fazit der Autoren.
Pletscher et al. Swiss Med Wkly. 2013; 143: w13732
nin-Clearance zwischen 30 und 50 ml/min. ist die niedrigere Dosierung von 110 mg zweimal täglich indiziert, so der Experte abschliessend.
Quelle: «Stroke Prevention in Patients with Atrial Fibrillation – Different Perspectives and Practical Approaches», Satellitensymposium Boehringer Ingelheim am Cardiology Update in Davos, 11. Februar 2013.

Cardiology Update 2013 29