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CongressSelection
Die meisten Psychiater erhöhen erst einmal die Dosis des Anxiolytikums oder Antidepressivums, wenn ein Patient mit generalisierter Angststörung (GAD) auf die Initialtherapie nicht gut anspricht. Augmentiert wird nur in Ausnahmefällen, doch zeigt eine Studie, dass sich insbesondere Pregabalin gut dazu eignet.
Generalisierte Angststörung
Bei unzureichendem Ansprechen: Switchen oder augmentieren?
N ur wenige Wirkstoffe haben sich bisher in Studien zur GAD überzeugend bewährt, so Prof. Dr. Borwin Bandelow, Göttingen. Dazu zählen selektive Serotonin- und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI und SRNI) sowie eben Pregabalin (Lyrica®), die allesamt ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen. Allerdings werden in der Praxis nur wenige Patienten in der Primärversorgung adäquat behandelt. Von rund 750 befragten Angstpatienten in den USA erhielten weniger als 60 Prozent ein geeignetes Medikament. Nicht einmal die Hälfte nahm es länger als zwei Monate, und weniger als ein Drittel bekam es lange genug und in ausreichender Dosierung. Bei SSRI und SNRI muss man zudem mit einer gewissen Zahl an Non- oder Partial-Respondern rechnen. Eine Umfrage unter 411 deutschen Psychiatern zeigt, dass die meisten Kollegen – über 80 Prozent der Befragten – bei unzureichendem Ansprechen zunächst die Dosis erhöhen würden. Augmentieren würde nur jeder Zehnte, das Medikament wechseln würden noch weniger. Das ist bedauerlich, denn beide Strategien können Erfolg bringen, so Bandelow.
Grosse Studie mit Antikonvulsivum
Ein Substanzwechsel bietet den Vorteil, dass man keine Interaktionen fürchten muss und genau weiss, ob der neue Wirkstoff hilft oder nicht. Ausserdem ist er natürlich kostengünstig. Selbst ein Wechsel innerhalb der SSRI kann sinnvoll sein, weil diese Substanzklasse so heterogen ist. Allerdings fehlen bis anhin überzeugende Studien zur Switchstrategie. Auch zur Kombinationstherapie sind gute Studien dünn gesät. Es existieren einige
wenige Untersuchungen zum
als besonders vulnerabel für
Add-on atypischer Neurolep-
Nebenwirkungen gelten, als
tika, aber sie sind zumeist
gut verträglich erwiesen.
klein und/oder wurden offen
Auch in der Add-on-Studie
durchgeführt.
setzten nur 3 Patienten die
Bis anhin liegt nur eine
Behandlung wegen uner-
grosse Studie mit adäquatem
wünschter Wirkungen ab.
Design vor, in der 353 Pa-
Dass Psychiater hinsichtlich
tienten, die auf SSRI oder
der Startdosis von Pregabalin
SNRI nicht zufriedenstellend angesprochen hatten, zusätz-
Siegfried Kasper
nicht selten zurückhaltend agieren, zeigt auch die nicht
lich 150 bis 600 mg/Tag Pre-
interventionelle Studie CALM
gabalin oder Plazebo erhielten. Bereits an 578 GAD-Patienten, über die Prof. Dr.
nach einer Woche zeigte sich ein signifi- Dr. Siegfried Kasper, Universität Wien, be-
kanter Vorteil im Hamilton-Angst-Score richtete. Während in der Zulassungsstu-
(HAM-A), der über die gesamte Beobach- die PEACE alle 121 Patienten der Verum-
tungszeit von acht Wochen erhalten blieb. gruppe von Beginn an 300 mg/Tag
Das Antikonvulsivum bietet im Vergleich erhalten hatten, startete in CALM die
zu vielen Anxiolytika und Neuroleptika zu- Hälfte mit 150 mg/Tag und ein Drittel so-
dem den Vorteil, dass es nicht über das gar mit nur 75 mg/Tag. Dennoch wurden
Zytochrom-P-450-System der Leber ver- unter «Echtbedingungen» ebenso gute,
stoffwechselt wird und von daher keine teilweise sogar bessere Ergebnisse (bei
Wechselwirkungen zu befürchten sind. Angstscores und Schlafstörungen) er-
Vorsicht sei aber geboten bei der Kom- reicht als unter standardisierten Studien-
bination von Pregabalin mit Wirkstoffen, bedingungen, und dies bei insgesamt
die sedierend wirken, weil sich diese besserer Verträglichkeit, wie Kasper kon-
Effekte addieren können, gab Bandelow statierte.
zu bedenken, und riet von der gleichzei-
Manuela Arand
tigen Verordnung mit Trizyklika oder Ben-
zodiazepinen ab.
Bessere Verträglichkeit mit niedrigerer Startdosis Die Sedierung ist auch der Grund, wes-
Quelle: «Psychiater, übernehmen Sie – Wann ist der Facharzt bei GAD gefragt?» Satellitensymposium der Firma Pfizer am Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Berlin, 22. November 2012.
halb er mit niedrigeren Dosen beginnt, als
gemeinhin empfohlen wird: Statt der zu-
gelassenen Startdosis von 150 mg/Tag
verordnet Bandelow meist zunächst 50
bis 75 mg, denn seiner Erfahrung nach
setzen GAD-Patienten die Medikation
rasch ab, wenn sie das Gefühl haben, da-
von müde zu werden. Insgesamt hat sich
Pregabalin auch bei Angstpatienten, die
Neurologie/Psychiatrie DGPPN/ECNP 2012
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