Transkript
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Orale BRAF- und MEK-Inhibitoren
Intrazelluläre Signalpfadhemmung
bei fortgeschrittenen Melanomen
Die auf molekularer Ebene zielgerichtete orale Tumortherapie erweitert die Behandlungsmöglichkeiten beim inoperablen oder metastasierten Melanom ganz wesentlich. Die neuen dermatoonkologischen Medikamente konfrontieren die behandelnden Ärzte aber auch mit manchen neuen Nebenwirkungen, welche die Haut betreffen.
B ei 40 bis 60 Prozent der Melanome sind BRAF-Mutationen vorhanden, und bei 3 von 4 dieser Mutationen handelt es sich um eine BRAF-V600Mutation, bei der eine einzige Aminosäure beim Codon 600 vertauscht ist, berichtete Prof. Dr. Aleksandar Krunic, University of Illinois, Chicago, USA. Diese BRAF-Mutation aktiviert das BRAF-Protein, das als Serin-Threonin-Proteinkinase wirkt. Dadurch wird der intrazelluläre MAPKSignalweg (Mitogen-aktivierter Protein-Kinase-Signalweg) überaktiv, ohne dass ein Wachstumsfaktor als normaler Auslöser zur Signalaktivierung nötig wäre. Die überaktivierte Signalübertragung bewirkt gesteigertes Zellwachstum und Apoptoseresistenz.
Orale selektive BRAF-Inhibitoren
Vemurafenib (Zelboraf®) ist der erste selektive BRAF-Inhibitor, der die Zulassung erhielt. Dieses Medikament kann als First-Line-Therapie bei Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom eingesetzt werden, wenn mit einem validierten Test eine BRAF-V600-Mutation festgestellt wurde. In BRIM-3, einer grossen Phase-IIIStudie, erhielten 675 zuvor unbehandelte Patienten mit metastasiertem Melanom und nachgewiesener BRAFV600E-Mutation randomisiert entweder zweimal täglich Vemurafenib peroral oder alle 3 Wochen Dacarbazin intravenös (1). Nach 6 Monaten betrug das Gesamtüberleben mit Vemurafenib 84 Prozent und mit Dacarbazin nur 64 Prozent. In der Vemurafenibgruppe wurde ein medianes progressionsfreies Überleben von 5,3 Monaten, in der Dacarbazingruppe dagegen nur von 1,6 Monaten erreicht (1). Bei Vemurafenib und bei einem weiteren selektiven BRAFInhibitor (Dabrafenib = GSK 2118436) sei die Wirksamkeit in Monotherapie suboptimal, sagte der Referent. Die Wirkung halte nur während etwa 6 Monaten an, danach sei das Krebsleiden progredient. Ein Hauptproblem bildet die rasche Resistenzentwicklung gegenüber den BRAF-Inhibitoren, die mit einer Reaktivierung des MAPK-Signalwegs einhergeht.
Bei den Nebenwirkungen fallen neben Arthralgien, Fatigue, Übelkeit und Diarrhö ungewöhnliche Hautveränderungen auf (2). Innerhalb von 2 bis 36 Wochen entstehen bei 15 bis 26 Prozent der behandelten Patienten Hauttumoren (Plattenepithelkarzinome und Keratoakanthome), besonders auf sonnenexponierter Haut (2). Bei den manchmal multiplen Plattenepithelkarzinomen handelt es sich um gut differenzierte Formen. Zur Behandlung reicht eine komplette Exzision aus. Zu den weiteren kutanen Toxizitätszeichen der selektiven BRAF-Inhibitoren gehören: Veränderung von Nävi und Entwicklung neuer Melanome; Exanthem mit follikulär gebundenen Papeln im Bereich der vorderen und hinteren Schweissrinne sowie an den unteren Extremitäten; verruziforme Hyperkeratosen; fototoxische Reaktionen nach Sonnenexposition; hyperkeratotische Mamillenauflagerungen; Keratosis pilaris an den Streck- oder Aussenseiten der oberen und unteren Extremitäten; palmoplantare Erythrodysästhesie; Alopezie oder Veränderung der Haarstruktur; zystische oder milienartige Veränderungen im Gesicht (2).
Orale selektive MEK-Inhibitoren
Aktiviertes BRAF phosphoryliert und aktiviert MEK. Dieses Protein befindet sich weiter unten im MAPK-Signalweg, der die Proliferation und das Überleben von Tumorzellen reguliert. Es wurden orale selektive MEK-Inhibitoren entwickelt, zu denen Trametinib und Selumetinib gehören. Mit diesen Medikamenten tritt häufig ein papulo-pustulöses Exanthem von Gesicht und Stamm auf, meist bereits in den ersten 3 Behandlungswochen. Nach Beendigung der Therapie ist das Exanthem reversibel. Weitere Hautnebenwirkungen sind: Paronychien, Xerosis cutis und Pruritus, Fissuren und Rhagaden im Bereich der Fingerkuppen und Fersen, Cheilitis angularis, Teleangiektasien, Haarveränderungen und Alopezie, Hyperpigmentierungen (2). In der Phase-III-Studie METRIC erhielten 322 Patienten mit metastasiertem oder nicht resezierbarem Melanom und nachgewiesener BRAF-Mutation (BRAF V600E oder V600K)
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entweder einmal täglich Trametinib peroral oder eine intravenöse Chemotherapie (alle 3 Wochen Dacarbazin oder Paclitaxel) (3). An der Studie konnten auch Patienten teilnehmen, die vorgängig bereits eine Chemotherapie erhalten hatten. Während der Studie konnten Patienten der Chemotherapiegruppe bei einer Krankheitsprogression zu Trametinib wechseln. Trotz dieser Möglichkeit zum Therapiewechsel lag das Gesamtüberleben nach 6 Monaten in der Trametinibgruppe mit 81 Prozent signifikant höher als in der Chemotherapiegruppe (67%). Das mediane progressionsfreie Überleben war in der Trametinibgruppe mit 4,8 Monaten signifikant verlängert im Vergleich zur Chemotherapiegruppe (1,5 Monate). Anders als mit BRAF-Inhibitoren kam es mit dem MEK-Inhibitor nicht zu Plattenepithelkarzinomen der Haut. MEK-Inhibitoren werden wahrscheinlich in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Behandlung des metastasierten Melanoms spielen, allerdings nicht in Monotherapie, sondern nur in Form von Kombinationstherapien, so der Referent.
Kombinationstherapie eines BRAF- und eines MEK-Inhibitors
Um die Resistenzentwicklung gegen BRAF-Inhibitoren zu verzögern, kann ein MEK-Inhibitor als Kombinationspartner hinzugefügt werden. Im Rahmen einer Studie der Phasen I und II wurde die Kombinationstherapie des selektiven BRAF-Inhibitors Dabrafenib und des selektiven MEK-Inhibitors Trametinib bei insgesamt 162 Patienten mit metastasiertem Melanom und BRAF-V600-Mutationen im Vergleich zur Dabrafenib-Monotherapie getestet (4). Die vollen Monotherapiedosen der beiden Inhibitoren
konnten auch in der Kombinationstherapie verwendet werden. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug in der Kombinationsgruppe 9,4 Monate. Die Verlängerung im Vergleich zur Dabrafenib-Monotherapie-Gruppe (5,8 Monate) war statistisch signifikant. Durch die Kombination der beiden Inhibitoren konnte das Auftreten kutaner Plattenepithelkarzinome und Keratoakanthome auf 7 Prozent reduziert werden (mit Dabrafenib-Monotherapie 19%, p = 0,09). Die Wahl der Therapie muss bei jedem Melanompatienten mit Metastasen ganz individuell erfolgen, weil die genetischen Mutationen der Tumoren heterogen sind. Um in Zukunft noch länger anhaltende Therapieerfolge zu erzielen, müssten die Störungen in den Signalwegen mit fein ausgewogenen Kombinationen molekular gezielter Medikamente behandelt werden, sagte der Referent.
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Chapman PB et al. Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation. N Engl J Med 2011; 364: 2507–2516. 2. Zimmer L et al. Nebenwirkungen onkologischer Systemtherapien in der Dermatologie. JDDG 2012; 10: 475–487. 3. Flaherty KT et al. Improved survival with MEK inhibition in BRAF-mutated melanoma. N Engl J Med 2012; 367: 107–114. 4. Flaherty KT et al. Combined BRAF and MEK inhibition in melanoma with BRAF V600 mutations. N Engl J Med 2012; 367: 1694–1703.
Quelle: Symposium SY25: «Melanoma: Advances in diagnosis, management and follow-up». Vortrag von Prof. Dr. Aleksandar Krunic, University of Illinois, Chicago, USA: Medical treatment of advanced melanoma (BRAF-inhibitors, MEK-inhibitors, Kit-inhibitors). 21. EADV-Kongress, Prag, 29. September 2012.
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