Transkript
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Immuntherapie fortgeschrittener Melanome
Verstärkung von T-Zell-Attacken auf den Tumor verlängert das Überleben
Häufig im Tumor feststellbare Regressionszeichen sind Ausdruck davon, dass das Melanom vom Immunsystem attackiert werden kann. Allerdings erweisen sich die Immunattacken in der Regel als ineffektiv, denn die spontane Tumorregression führt nicht zur kompletten Remission. Tumorspezifische T-Zellen sind zwar bei den meisten Patienten mit metastasiertem Melanom vorhanden, aber sie sind in der Regel inaktiviert. Ein neues Konzept der Immuntherapie versucht nun, statt neue tumorspezifische T-Zellen zu erzeugen, die bereits vorhandenen, gewissermassen schlafenden T-Zellen zu aktivieren, wie Prof. Dr. Stephan Grabbe, Direktor der Universitäts-Hautklinik Mainz, sagte.
Eine bahnbrechende Studie berichtete im Jahr 2010 über eine Immuntherapie, mit der es erstmals gelungen war, das Gesamtüberleben bei fortgeschrittenem Melanom zu verbessern (1). In dieser Phase-III-Studie wurde Ipilimumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4) verwendet. Beim zytotoxischen T-LymphozytenAntigen-4 handelt es sich um einen inhibitorischen Co-Rezeptor, der auf aktivierten T-Zellen erscheint und der negativ regulatorisch die T-Zellen inaktiviert. Der monoklonale Antikörper Ipilimumab blockiert das inaktivierende Molekül CTLA-4 und reaktiviert dadurch die T-Zellen und ihre Proliferation.
Tumorimmuntherapie
Erzeugung von Immunantworten
Hemmung von Immuntoleranz
Teils verzögertes, teils rasches Ansprechen auf den T-Zell-Verstärker
An der Studie beteiligten sich insgesamt 676 Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom, bei denen die Krebserkrankung trotz Behandlung (Dacarbazin, Temozolomid, Fotemustin, Carboplatin, Interleukin-2) progredient war. Die Ipilimumab-Induktionsbehandlung umfasste 4 Dosen von 3 mg pro kg Körpergewicht, die alle 3 Wochen während jeweils 90 Minuten intravenös infundiert wurden. Das mediane Gesamtüberleben wurde durch Ipilimumab auf 10,1 Monate verlängert, während es in der Vergleichsgruppe mit einem Impfstoff (Glykoprotein 100) nur 6,4 Monate betrug (1). Der Referent machte darauf aufmerksam, dass mit Ipilimumab bei einem Teil der Patienten ein Langzeitüberleben erreichbar sei. Typischerweise erfolgt das Ansprechen auf den T-Zell-Verstärker Ipilimumab verzögert. Die Krebskrankheit kann also noch während etlicher Wochen progredient sein, bis sie schliesslich – vielleicht erst nach 16 Wochen – auf die Therapie anspricht. Es gebe aber auch Patienten, die rasch auf Ipilimumab ansprechen, so der Referent. Auch bei Hirnmetastasen sei Ipilimumab wirksam.
Antigenspezifisch (Impfung)
Antigenunspezifisch (Immunaktivierung)
Abbildung 1: Jahrelang stand bei der Immuntherapie die Erzeugung von antigenspezifischen Immunantworten im Vordergrund (Impfung). Seit einiger Zeit hat man jedoch erkannt, dass man gar nicht unbedingt Denovo-Immunantworten erzeugen muss, da bei vielen Patienten bereits spontan Immunantworten gegen ihre Tumoren vorhanden sind – diese Immunantworten sind jedoch ineffektiv, da die Patienten gleichzeitig eine Immuntoleranz aufgebaut haben. (Quelle: Stephan Grabbe)
Immunvermittelte Nebenwirkungen betreffen häufig auch die Haut
Aufgrund des Wirkmechanismus erstaunt es nicht, dass Ipilimumab auch gegen körpereigenes Gewebe verstärkte Immunantworten provozieren kann. In der erwähnten Studie wurden bei insgesamt 61 Prozent der mit IpilimumabMonotherapie behandelten Patienten autoimmunbedingte Nebenwirkungen festgestellt (1). Im Magen-Darm-Trakt kommen Autoimmunnebenwirkungen (Kolitis, Diarrhö) mit
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einer Häufigkeit von etwa 30 Prozent vor (2). Die Leber ist in unter 5 Prozent betroffen, autoimmunvermittelte Endokrinopathien (Hypophysitis, Hypopituitarismus, Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypothyreose) treten in etwa 8 Prozent auf, Neuropathien in unter 5 Prozent (2). An der Haut zeigten sich autoimmunbedingte Nebenwirkungen in der erwähnten Studie bei 43 Prozent der Patienten (Pruritus in 24%, makulopapulopustulöses Exanthem in 19%, Vitiligo in 2%) (1). Die Behandlung der Nebenwirkungen mit Kortikosteroiden beeinträchtige das Ansprechen auf die Ipilimumabtherapie nicht, so der Referent.
Immuntoleranz beim Melanom
• spontan ausgelöste Immunantworten sind häufig (Regression) • natürliche Immunantwort gegen Melanom ist vorhanden (aber
ineffektiv) • tumorspezifische T-Zellen sind bei vielen Patienten spontan
vorhanden, diese sind jedoch bei fortschreitender Erkrankung zunehmend inaktiviert.
Regression
Antikörper gegen den programmierten Todesrezeptor und seinen Liganden
Der programmierte Todesrezeptor-1 (PD-1 = Programmed Death-1), der von aktivierten T-Zellen exprimiert wird, ist ein weiterer inhibitorischer Co-Rezeptor. Wenn T-Zellen mit Liganden dieses Rezeptors zusammentreffen, werden sie über den negativ regulatorischen Rezeptor inaktiviert, sodass die Immunantwort abgeschwächt wird. Auf Tumorzellen wird häufig der Ligand PD-L1 (Programmed DeathLigand 1) exprimiert. Entzündungsreize bewirken, dass dieser Ligand auch im Mikromilieu des Tumors, zum Beispiel auf dendritischen Zellen, ausgebildet wird. Mit dem monoklonalen PD-1-Antikörper BMS-936558 können die T-Zellen bei der Antigenpräsentation reaktiviert werden. Auch blockiert der PD-1-Antikörper die Interaktion zwischen dem von Tumorzellen exprimierten Liganden PD-L1 und dem Rezeptor PD-1, wenn T-Zellen den Tumor infiltrieren. Dadurch wird verhindert, dass die T-Zell-Antwort gehemmt wird, und es resultiert eine verstärkte Antitumoraktivität. Auch der monoklonale Antikörper BMS-936559, der sich spezifisch gegen den Liganden PD-L1 richtet, verstärkt die Immunantwort und die Antitumoraktivität. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass beide Antikörperkonzepte bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom und anderen Krebskrankheiten tatsächlich wirksam sind (3, 4).
Alfred Lienhard
Entzündung
Abbildung 2 (Quelle: Stephan Grabbe)
Referenzen: 1. Hodi FS et al. Improved survival with ipilimumab in patients with metastatic melanoma. N Engl J Med 2010; 363: 711–723. 2. Zimmer L et al. Nebenwirkungen onkologischer Systemtherapien in der Dermatologie. JDDG 2012; 10: 475–487. 3. Topalian SL et al. Safety, activity, and immune correlates of anti-PD-1 antibody in cancer. N Engl J Med 2012; 366: 2443–2454. 4. Brahmer JR et al. Safety and activity of anti-PD-L1 antibody in patients with advanced cancer. N Engl J Med 2012; 366: 2455–2465.
Quelle: Symposium SY25: «Melanoma: Advances in diagnosis, management and follow-up». Vortrag von Prof. Dr. Stephan Grabbe, Universitäts-Hautklinik Mainz: Immunotherapy of advanced melanoma (Ipilimumab, PD-1/PD-1L antibodies). 21. EADV-Kongress, Prag, 29. September 2012.
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gravis. Direkte Sonnen- und UV-Bestrahlung vermeiden. Patienten mit okulären Manifestationsformen der Rosazea. IA: Orale Retinoide, orale Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ, bi- oder trivalente Ionen wie Aluminium, Zink, Calcium oder Magnesium, Eisen und Wismutsalze hemmen die Resorption. Rifampicin, Barbiturate, Carbamazepin, Diphenylhydantoin, Primidon, Phenytoin und chronischer Alkoholmissbrauch können den Abbau von Doxycyclin beschleunigen. UW: Pilzinfektionen, Nasopharyngitis, Sinusitis, Angstzustände, Sinuskopfschmerzen, Hypertonie, gastrointestinale Störungen, Schmerzen, veränderte Laborwerte. P: Packungen à 28 oder 56 Kapseln [Liste A]; Stand der Information: Mai 2011. Ausführliche Informationen entnehmen Sie bitte dem Arzneimittel-Kompendium der Schweiz. Galderma SA, Postfach 492, 6330 Cham, info.ch@galderma.com
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