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Hohe Schule der Aknetherapie
Varianten und Doppelgänger der Akne richtig erkennen und behandeln
Nicht alles, was wie Akne aussieht, ist auch wirklich Akne. Handelt es sich vielleicht um eine gramnegative Follikulitis, eine Atrophodermia vermiculata oder eine akneähnliche Arzneimittelreaktion? Wichtig ist auch die Erkennung spezieller Aknevarianten, bei denen die übliche Aknetherapie nicht ausreicht. Schliesslich kommt Akne gar nicht selten zusammen mit ähnlichen Dermatosen vor, etwa Akne mit Rosazea oder mit Acne inversa. Über die hohe Schule der Aknetherapie sprach ein «Altmeister der Dermatologie», Prof. Dr. Gerd Plewig, München.
S chauen Sie sich nicht nur das Gesicht der Patienten an, sondern auch Ohren, Hals, Nacken und Rücken. Die fotografische Dokumentation mit Einwilligung der Patienten ist hilfreich. Denken Sie nicht nur an die Standardform von Akne, sondern differenzialdiagnostisch immer auch an Aknevarianten. Patienten mit kongenitaler adrenaler Hyperplasie (late-onset, nicht bereits bei Geburt beginnend) wirken wie gewöhnliche Aknepatienten, aber sie sprechen nicht auf die üblichen Aknetherapien an, auch nicht auf Isotretinoin (therapierefraktäre oder häufig rezidivierende Akne). Die Cortisolproduktion ist reduziert, und es besteht eine Hydroxylasedefizienz. Für die Diagnose ist ein ACTH-Stimulationstest erforderlich, der die Hydroxylasedefizienz nachweist. Zur Behandlung werden systemische Glukokortikoide (Prednisolon, Dexamethason) in niedriger Dosierung empfohlen. Bei Erwachsenen kann 5 mg Prednisolon jeden zweiten Tag gegeben werden. Bei Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom bestehen Hyperandrogenämie, Insulinresistenz, Oligoovulation, polyzystische Ovarien, Akne, Hirsutismus und oft androgenetische Alopezie. Zur Therapie werden Metformin oder
Wichtige Aknevarianten
• Adrenogenitales Syndrom (AGS) bei kongenitaler adrenaler Hyperplasie
• Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO) • HAIRAN-Syndrom (Hyperandrogenismus = HA; Insulinresis-
tenz = IR; Acanthosis nigricans = AN) • SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, Pustulosis, Hyperostosis,
Osteitis) • Acne fulminans • PAPA-Syndrom (pyogene Arthritis, Pyoderma gangraenosum,
Akne) • Acne inversa
Antiandrogene (z.B. antiandrogen wirksame Kontrazeptiva) empfohlen.
Die Aknesyndrome HAIRAN, SAPHO und PAPA
Typisch für das HAIRAN-Syndrom sind Hyperandrogenismus, Insulinresistenz, Acanthosis nigricans, Seborrhö, Hirsutismus und therapierefraktäre Akne. Therapeutisch werden Antiandrogene (allein oder in Form von Kontrazeptiva), Spironolacton und Flutamid verwendet. Zum SAPHO-Syndrom, das erstmals 1987 beschrieben wurde, gehören Gelenkentzündungen (sterile, nicht bakterielle Synovitis), Akne, Pustulosis palmoplantaris oder Psoriasis, Hyperostosis und entzündliche Knochenläsionen (nicht bakterielle Osteitis). Knochenbiopsien sind für die Diagnose, die vom Radiologen gesichert wird, nicht erforderlich und sollten wegen Infektionsgefahr unterlassen werden. Zur systemischen Behandlung werden Kortikosteroide, Retinoide oder TNF-alpha-Blocker verwendet. Acne fulminans kommt über die Betroffenen wie ein Gewitter innerhalb weniger Tage. Gerd Plewig sah diese Aknevariante nur bei männlichen Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren, aber nie bei Mädchen. Es kommt zu Fieber, ulzerativer Acne conglobata (auch am Brustkorb und Rücken), Polyarthralgie, Leukozytose und aseptischen Knochennekrosen. Acne fulminans wird derzeit mit dem SAPHO-Syndrom in Verbindung gebracht. Zur systemischen Therapie eignen sich Kortikosteroide, TNF-αBlocker, nichtsteroidale Entzündungshemmer und niedrig dosiertes Isotretinoin. Das PAPA-Syndrom ist eine seltene autoinflammatorische Krankheit, für die eine autosomal dominant vererbte Mutation verantwortlich ist (1). Schon vor der Pubertät erkranken von PAPA-Syndrom betroffene Kinder an steriler, nicht bakterieller, pyogener Arthritis. Wenn dann in der Pubertät Androgene produziert werden, tritt Akne auf
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(Acne conglobata oder akneähnliche Follikulitis). Schlecht heilende Wunden sind Ausdruck des Pyoderma gangraenosum. Bei PAPA-Syndrom ist die Regulation der Aktivierung von Caspase-1 gestört, sodass zu viel Interleukin 1-beta produziert wird (1). Die Behandlung mit Anakinra (Kineret®, nicht im «Arzneimittel-Kompendium der Schweiz», in der EU und den USA für rheumatoide Arthritis zugelassen) wirke fast wie ein Wundermittel auf die Hautläsionen, so der Referent. Anakinra ist ein rekombinanter Interleukin-1-Rezeptorantagonist, der verhindert, dass sich das proinflammatorische Zytokin Interleukin 1 an den Interleukin-1-Rezeptor binden kann.
Auch Acne inversa gehört zu den autoinflammatorischen Krankheiten
Das Interesse an der Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) ist in letzter Zeit enorm gewachsen. Es handelt sich dabei nicht um eine Erkrankung der ekkrinen Schweissdrüsen und auch nicht um Akne. Acne inversa hat mit Terminalhaaren zu tun, ist aber nicht eine Erkrankung der apokrinen Schweissdrüsen, die zum Beispiel in der Achselhöhle, der Genitalgegend oder perianal zusammen mit Terminalhaaren vorkommen. Acne inversa betrifft nur bei Erwachsenen – Frauen wie Männern – die intertriginösen Hautareale (deshalb inversa). Der Verlauf ist sehr hartnäckig und das Komplikationsrisiko hoch (Amyloidose, Plattenepithelkarzinom, das bei Metastasen zum Tod führen kann). Bei Acne inversa handelt es sich um eine autoinflammatorische Erkrankung mit genetischem Hintergrund. Behandelt wird zunächst mit oralen Kortikosteroiden, bevor chirurgisch exzidiert wird. In Einzelfallberichten wurden TNF-α-Blocker eingesetzt. Acne inversa kann zusammen mit Acne vulgaris bei demselben Patienten vorkommen. Für die Wahl der korrekten Behandlung ist es wichtig, ein solches «Überlappungssyndrom» richtig zu diagnostizieren.
Der Mythos der kumulativen Isotretinoindosis
Die Behandlung mit systemischem Isotretinoin stellt die wirksamste Aknetherapie dar. Rezidive können allerdings vorkommen, besonders bei jungen Patienten. In solchen Fällen kann erneut mit Isotretinoin behandelt werden. Die Fachinformation zu Isotretinoin enthält immer noch den Hinweis: «Bei einer kumulierten Dosis von 120 mg pro kg Körpergewicht pro Behandlung konnte gezeigt werden, dass die Remissionsraten erhöht und Rezidive verhindert wurden und dass darüber (120–150 mg/kg KG) kein zusätzlicher substanzieller Nutzen zu erwarten ist.» (2) Gerd Plewig betonte jedoch, dass er sich nicht davon abhalten lasse, bei einer Behandlung unterhalb dieser kumulativen Dosis zu bleiben oder bei Bedarf diese Dosis zu überschreiten. Dass die kumulative Dosis von 120 mg/kg KG für den optimalen Therapieerfolg nötig ist, sei ein Mythos. Es ist eine therapieresistente Akneform bekannt, die sich
Ein Top-Aknetherapeut organisiert sich ein Netzwerk von Spezialisten
• Endokrinologie: adrenogenitales Syndrom • Gynäkologie: polyzystisches Ovarialsyndrom • Radiologie: SAPHO-Syndrom, PAPA-Syndrom, Acne fulminans • Medizinische Genetik: PAPA-Syndrom • Rheumatologie: PAPA-Syndrom, SAPHO-Syndrom • Gastroenterologie: Acne inversa, SAPHO-Syndrom (oft mit
Colitis ulcerosa) • Dermatochirurgie: Acne inversa
selbst unter Isotretinoin nicht bessert. Bei dieser Akneform gibt es nur ein einziges Rezept: unbedingt das Rauchen stoppen! Die Raucherakne kommt bei starken Raucherinnen vor (3). Die betroffenen Frauen, die schon über Jahre und Jahrzehnte geraucht haben, weisen bei gelbbräunlichem Kolorit der Gesichtshaut stark ausgeprägte, nicht entzündliche Komedonen auf.
Sieht wie Akne aus, ist aber keine Akne
Zu den Aknedoppelgängern gehört die gramnegative Follikulitis. Diese Erkrankung kommt nicht selten vor, meist bei Männern mit starker Seborrhö. Fast täglich treten neue Pusteln auf, die nach 24 bis 48 Stunden wieder verschwinden. Es kann auch zu Knoten und Abszessen kommen, aber Komedonen fehlen. Das Bakterienreservoir befindet sich in der Nase. Für die Diagnose ist eine bakteriologische Untersuchung erforderlich (Abstrich von Pusteln, von der Nasenschleimhaut, von der öligen Gesichtsoberfläche). Therapeutisch werden empfohlen: systemische Antibiotika, orales Isotretinoin, Benzoylperoxid als Waschlösung oder Shampoo. Auch im Whirlpool könne man sich eine gramnegative Follikulitis holen, gab der Referent zu bedenken. Worum handelt es sich bei atrophischer Haut, die aufgrund zahlreicher Narben wurmstichigem Holz ähnelt? Die Narben unterscheiden sich von Aknenarben, und es sind junge Kinder betroffen, oft bereits im Alter von 6 bis 7 Jahren, noch bevor der Körper Androgene zu produzieren beginnt. Die Diagnose lautet: Atrophodermia vermiculata. Dabei handelt es sich um eine angeborene Störung der follikulären Keratinisierung (nur im Bereich von Terminalhaaren). Zur Behandlung können zum Beispiel Laser oder Dermabrasion verwendet werden.
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Contassot E et al. Interleukin-1, inflammasomes, autoinflammation and the skin. Swiss Medical Weekly 2012; 142: w13590. 2. Arzneimittel-Kompendium der Schweiz 2012. 3. Capitanio B et al. Acne and smoking. Dermato-Endocrinology 2009; 1: 129–135.
Quelle: Masters of Dermatology MD01: «How I manage patients with acne». Vortrag von Prof. Dr. Gerd Plewig, München. 21. EADV-Kongress, Prag, 28. September 2012.
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