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CongressSelection
Überblick zur Therapie der chronischen Hepatitis B
Zur Behandlung einer chronischen Hepatitis B bieten sich heute zwei Strategien an, wie Patrick Marcellin, Clichy, anlässlich der UEG-Week aufzeigte. Wann einer Therapie mit pegyliertem Interferon alpha 2a (PEG IFN) und wann Nukleosid/Nukleotid-Analoga der Vorzug zu geben ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ziel der Behandlung ist ähnlich wie bei HIV und im Gegensatz zur Hepatitis C die Viruskontrolle, nicht die «Ausheilung».
B ei einem HBV-DNA-Level über 2000 IU/ml und/oder einem erhöhten ALT-Level mit bioptisch nachgewiesener Nekroinflammation und moderaten bis schweren fibrotischen Läsionen sollte die Behandlung der Hepatits-B-Patienten erwogen werden, wie Marcellin einleitend erläutert. Ist die HBV-DNA hingegen < 2000 IU/ml und die ALT normal, ist ein Follow up ohne Leberbiopsie ausreichend. Zwei Vorgehensweisen kommen bei chronischer HepatitisB-Infektion in Frage. Die erste ist die primäre Behandlung mit PEG IFN. Für den Einsatz von PEG IFN sprechen eine HBV-DNA < 2 Millionen IU sowie eine um mehr als das Dreifache erhöhte ALT, so Marcellin. Im Fall des Versagens kommen dann die Analoga zum Einsatz. Alternativ können Entecavir und Tenofovir bereits als First-Line-Therapie eingesetzt werden, im Wissen, dass diese Therapie üblicherweise von unbestimmter Dauer ist, so der Experte. Vorhersage des Therapieansprechens Die Wirksamkeit der PEG-IFN-basierten Therapieregime bei HBeAg-positiven Patienten ist je nach Genotyp unterschiedlich. Die besten Chancen haben Patienten mit einem Genotyp A in Kombination mit einem HBV-DNA-Level < 9 log Kopien/ml und einer um mehr als das Zweifache erhöhten ALT. Hier kann mit einem Verlust des HBsAg von bis zu 54 Prozent gerechnet werden. Insofern kann die Genotypisierung vor Beginn der Therapie dabei helfen, Patienten zu erkennen, die von Interferon als FirstLine-Therapie profitieren. Die Ergebnisse einer Therapie mit Analoga beeinflusssen die Genotypen jedoch nicht. Einen wertvollen Hinweis kann auch die quantitative Analyse des HBsAg geben. Es kann zusammen mit der HBV-DNA-Abnahme in Woche 12 als unabhängiger Parameter bei HBeAg-negativen Patienten den Entscheid über einen Therapieabbruch unterstützen, insbesondere bei Patienten mit Genotyp D. Falls diese bis dahin keine HBsAg-Abnahme oder keine Reduktion der HBV-DNA um mehr als 2 log Stufen erreicht haben, werden sie kein anhaltendes virales Ansprechen erzielen können. Bei HBeAG-positiven Patienten kann die Abnahme des HBsAg unter PEG IFN in Woche 12 beziehungsweise 24 als Surrogatmarker zur Vorhersage einer anhaltenden Viruselimination dienen respektive zur Erkennung der Patienten, bei denen ein Ansprechen auch unter Fortführung der Therapie unwahrscheinlich ist. Die Quantifizierung des HBsAg ist bei Patienten unter Analoga von besonderem Interesse. Ist unter erfolgreicher Therapie die HBV-DNA unter die Nachweisgrenze gefallen, kann das HBsAg als prognostischer Hinweis auf die anhaltende antivirale Wirksamkeit bewertet werden. Quelle: «Prediction of Response to Treatment in Hepatitis B and C», 20. UEG-Week, 20. bis 24. Oktober 2012, Amsterdam. PEG-IFN-Therapie versus Nukleotid-/ Nukleosidanaloga Unter PEG IFN gelingt bei 32 Prozent der HBeAg-positiven Patienten mit chronischer Hepatitis B 6 Monate nach Behandlung eine HBe-Serokonversion, bei den HBeAg-negativen nur mehr bei 24 Prozent, so Marcellin weiter. In den meisten Fällen sei die virologische Antwort auch nach 5 Jahren stabil, rund zwei Drittel bleiben HBsAg negativ. Eine Abnahme des HBsAg-Levels in den ersten 3 bis 6 Monaten erwies sich als guter Prädiktor für ein anhaltendes virologisches Ansprechen und den Verlust des Oberflächenantigens. Der Hauptvorteil einer Therapie mit PEG IFN besteht darin, dass es bei dieser zeitlich limitierten Behandlung keine Resistenzen gibt. Allerdings ist sie nicht für alle Patienten geeignet und häufig mit Nebenwirkungen verbunden. Mit den potentesten der heute verfügbaren Nukleosid-/ Nukleotidanaloga ist es möglich, bei mehr als 90 Prozent der chronisch Hepatitis-B-Infizierten eine anhaltende virologische Response zu induzieren. Insbesondere das Nukleosidanalogon Entecavir und das Nukleotidanalogon Tenofovir stellt der Experte heraus: zwei potente Substanzen mit vergleichbarer Wirksamkeit und ausgezeichneten Sicherheits- und Resistenzprofilen. Daher ist laut Marcellin diesen beiden Substanzen unter den Analoga der Vorzug zu geben. Bei HBeAg-positiven Hepatitis-BPatienten kann nach 5-jähriger Therapie mit Entecavir bei 90 Prozent eine anhaltende virologische Response mit 18 Gastroenterologie UEG-Week 2012 CongressSelection nicht detektierbarer HBV-DNA beobachtet werden. Die Resistenzrate ist mit 1,2 Prozent sehr niedrig. Lamivudin-resistente Patienten sollten allerdings nicht mit Entecavir behandelt werden, denn bei ihnen lag die Resistenzrate nach 3 Jahren bei 35 Prozent. Nach 5 Jahren Behandlung mit Tenofovir zeigten HBeAg-positive Patienten mit chronischer Hepatitis B ein anhaltendes virologisches Ansprechen mit nicht nachweisbarer HBV-DNA in 98 bis 99 Prozent der Fälle, und das ohne Resistenzen. Selten konnten reversible Auswirkungen auf die Niere beobachtet werden. Wann welcher Option den Vorzug geben? Welcher Therapie der Vorzug zu geben ist, ist von individuellen Faktoren abhängig und muss von Fall zu Fall entschieden werden. Eine Rolle spielen dabei zum Beispiel das Risiko für Nebenwirkungen der PEG-IFN-Therapie, die Chance auf Response abhängig von DNA-Level und/oder hohen ALT-Werten. Adhärenz wichtig für Therapieerfolg Um die Adhärenz und damit den Therapieerfolg zu verbessern, ist es unumgänglich, die Patienten umfassend zu informieren und die therapeutischen Entscheidungen mit ihnen gemeinsam zu treffen. Marcellin: «Bei mindestens 90 Prozent der Hepatitis-B-Patienten, die adhärent sind, haben wir heute die Möglichkeit, die Erkrankung zu kontrollieren.» Ob eine Kombination der Analoga mit PEG IFN zukünftig noch bessere Behandlungsresultate ermöglicht, ist Gegenstand laufender Studien, so das Fazit des Experten. Christine Mücke Tabelle: Analoga versus PEG IFN Limitierte Therapiedauer Anhaltende Response Keine Resistenzen Orale Gabe Gute Verträglichkeit Niedrige Kosten Analoga – – – + + – PEG IFN + + + – – – Risikostratifiziert Testen zur Identifikation Hepatitis-Infizierter Virale Hepatitis B und C sind die häufigsten Ursachen von Lebertransplantationen und Leberkrebs. Eine Grosszahl der betroffenen Personen sind sich der Infektion nicht bewusst. Hepatitis Bund C-Infektionen können eine Leberzirrhose verursachen, ohne dass die Transaminasen ansteigen. Das risikostratifizierte Testen unabhängig von Leberwerten könnte diese Dunkelziffern in der Schweiz mindern. Für Hepatitis B gelten folgende Risikofaktoren: • Migranten aus Endemiegebieten • sexuelle Ansteckung • vertikale Übertragung • berufliche Exposition • iv. Drogenkonsum • immunsupprimierte Patienten • Piercing und Tattoos unter nicht optimalen hygienischen Ver- hältnissen. Durch konsequentes Impfen von Neugeborenen können die Hepatitis B-Ansteckungen in der Schweiz langfristig effizient gesenkt werden. Quelle: «Update on the Treatment of Hepatitis B», 20. UEG-Week, 20. bis 24. Oktober 2012, Amsterdam. UEG-Week 2012 Gastroenterologie 19