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Nutzen und Risiken einer Langzeitanwendung von PPI
Protonenpumpenblocker unlimited
oder frühe Antirefluxchirurgie?
Protonenpumpenblocker werden sehr breit eingesetzt, Zahlen aus Deutschland belegen dies. Im Jahr 2010 wurden 1,9 Milliarden Tagesdosen verordnet, das heisst: Jeder Deutsche hat rund 20 PPI-Tagesdosen geschluckt. Die Zahlen für die Schweiz dürften in einer ähnlichen Grössenordnung liegen. Im Spital gehören PPI zur Selbstverständlichkeit, im ambulanten Setting werden sie geschätzt, und in der Selbstmedikation haben sie einen bedeutenden Stellenwert. Prof. Dr. Jan Hatlebakk, Bergen, hat sich an einem Symposium anlässlich der UEG-Week 2012 mit der Wirksamkeit und Sicherheit von PPI in der Langzeitanwendung auseinandergesetzt.
Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) neigt zur Chronifizierung, und für viele Patienten gilt: einmal PPI, immer PPI. Da sich regelmässig auftretendes Sodbrennen negativ auf die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität auswirkt und PPI als wirksamste medikamentöse Therapie anerkannt sind, werden sie oft jahreund jahrzehntelang verordnet (und eingenommen). Nicht nur das Sodbrennen verschwindet rasch, auch die begleitende Ösophagitis kann innerhalb von 8 Wochen zur Abheilung gebracht werden: Eine Ösophagitis (Los-AngelesSchweregrad A) heilt unter 1 x täglich 40 mg Esomeprazol bzw. 30 mg Lansoprazol bei 97 Prozent der Patienten ab. Bei den Schweregraden B und C sind es rund 92/91 be-
ziehungsweise 88/77 Prozent. Beim höchsten Schweregrad D erwies sich Esomeprazol als überlegen – mit einer Heilungsrate von 81 vs. 64 Prozent unter Lansoprazol.
Langfristig PPI oder doch lieber zum Chirurgen?
Der therapeutische Erfahrungshorizont
liegt inzwischen bei rund 30 Jahren, in denen sich PPI als sehr sichere Medika-
Jan Hatlebakk
mente etablieren konnten, so Hatlebakk. Trotzdem stellt
sich speziell bei jüngeren Patienten die Frage, ob sie eine
UEG-Week 2012 Gastroenterologie 11
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100 97,2 97,0 80 60
92,0 91,0
Esomeprazol 40 mg/d Lansoprazol 30 mg/d
88,3 77,3
81,4
64,4
% Patienten geheilt
40
20
0 Grad A
Grad B
Grad C
Grad D
(Post Hoc Analysis, Life Table Rates – ITT Poulation) Castell DO et al. 2008
Abbildung: Heilungsraten der Ösophagitis unterschiedlicher Schweregrade (Los-Angeles-Klassifikation) nach 8 Wochen (modifiziert nach Hatlebakk, 2012)
lebenslange medikamentöse Therapie akzeptieren können. Im Rahmen der LOTUS-Studie wurden die Resultate nach konservativer beziehungsweise chirurgischer Behandlung über 5 Jahre miteinander verglichen. Nach 3-monatiger Therapie mit 1 x 40 mg Esomeprazol wurden die 554 Patienten für eine Weiterbehandlung mit 20 mg Esomeprazol täglich (n = 266) oder eine laparoskopische Antirefluxchirurgie (LARS) (n = 288) randomisiert. Wenn es für die Symptomkontrolle erforderlich war, konnten die Patienten im Esomeprazolarm die Dosis auf 1 x 40 mg oder 2 x 20 mg täglich steigern. In den ersten beiden Jahren war die klinische Remissionsrate in beiden Kollektiven praktisch identisch und lag über 90 Prozent. Nach 5 Jahren erwies sich Esomeprazol mit einer klinischen Remissionsrate von 92 vs. 85 Prozent nach LARS als überlegen. Das Sodbrennen war bei den operierten Patienten tendenziell besser unter Kontrolle, das hat eine weitere Studie bestätigt, doch war der Unterschied insgesamt gering.
PPI-Effekt ausserhalb von Studien
Hatlebakk wies darauf hin, dass die exzellenten Resultate der PPI-Therapie ausserhalb von Studien nicht reproduzierbar sind. Ein Survey in mehreren europäischen Ländern mit unselektionierten GERD-Patienten hat gezeigt, dass nach initial gutem Ansprechen doch ein erheblicher Prozentsatz erneut durch Symptome belastet ist. Nächtliche Durchbruchsymptome werden von den Betroffenen als besonders belastend wahrgenommen. Die Ursachen für das Therapieversagen sind jedoch nur selten dem PPI per se anzulasten. Der Experte nannte folgende Gründe für die unbefriedigende längerfristige Symptomkontrolle: • schlechte Compliance, mit unregelmässiger Einnahme • Einnahme bei Bedarf • Einnahme des PPI vor dem Schlafengehen • nicht saurer gastroösophagealer Reflux • Vorliegen einer funktionellen Störung, zum Beispiel
funktionelle Dyspepsie.
Auf der sicheren Seite mit der PPI-Therapie
In randomisierten, kontrollierten klinischen Studien fand man eine niedrige Nebenwirkungsrate, und die unerwünschten Effekte zeigten eine geringe Ausprägung. Beobachtungstudien lieferten weitere Erkenntnisse. Bei bis zu 14 Prozent der mit Esomeprazol behandelten Patienten trat eine ECL-Zell-Hyperplasie auf, aber es wurden keine Karzinoide beobachtet. Zum Verdacht eines erhöhten Osteoporose- und Frakturrisikos unter PPI fehlt die Evidenz aus RCT – vermutet wird eine mögliche Malabsorption von Kalzium, möglicherweise in Gegenwart zusätzlicher Risikofaktoren. Eine Hypomagnesiämie wurde beschrieben, an die man bei Langzeitbehandlung denken sollte. Eine erhöhte Empfänglichkeit für Infektionen wird diskutiert, da die PPI-Dauermedikation die Effizienz der Säurebarriere schmälert. Zu den Schlagzeilen über Interaktionen zwischen PPI und Clopidogrel meinte Hatlebakk, dass die COGENT-Studie gezeigt habe, dass Myokardinfarkt, kardiovaskulärer Tod oder Stroke unter PPI-Komedikation nicht häufiger auftraten. Gastrointestinale Blutungen (ohne PPI) stellen das grössere Risiko dar.
Renate Weber
Quelle: «Current issues in GORD management: Safety and efficacy of long-term PPI use», 23. Oktober 2012, UEG-Week, Amsterdam.
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