Transkript
CongressSelection
COPD und obstruktive Schlafapnoe
Overlap-Syndrom erhöht das kardiovaskuläre Risiko
Patienten mit COPD und obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) leiden am sogenannten «Overlap Syndrom». Sie haben ein signifikant höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, das über die «Summe der Einzelerkrankungen» hinausgeht. Der pathogenetische Mechanismus hierfür ist noch nicht geklärt; jedenfalls sollten diese Patienten engmaschig kardiovaskulär überwacht werden.
© Foto Lungenliga Schweiz.
«D ie ultimative tödliche Kombination für das kardiovaskuläre System», nennt Dr. Arschang Valipour vom Wiener Otto-Wagner-Spital seinen Vortrag über das Overlap-Syndrom, das gleichzeitige Vorliegen von COPD und OSAS.
Hypoxämie, Hyperkapnie, metabolische Alkalose
In einer Studie vor einigen Jahren wurden Blutgasanalysen von Patienten mit OSAS (Gruppe A) bzw. mit OverlapSyndrom (Gruppe B) verglichen. «Patienten der Gruppe B zeigten einen PaCO2 von 50,7 mmHg im Vergleich zu 40,0 bei OSAS-Patienten, ausserdem ein stark erhöhtes Bikarbonat (1). Das erhöhte CO2 sowie das erhöhte Bikarbonat können zusammen mit anderen Mechanismen den zentralen Atemantrieb beeinträchtigen, womit ein Teufelskreis gestartet wäre», erklärt Valipour. «Alle diese Faktoren könnten zudem gemeinsam zu einer Schwächung der Atemmuskulatur beitragen.» Die Frage stellt sich nun, ob die im Vergleich zur COPD bei Overlap-Syndrom stärkere Hypoxämie zu einem weiter erhöhten kardiovaskulären Risiko führt. «Bei COPD ist dies bereits nachgewiesen», berichtet der Fachmann: Die derzeit verfügbare Evidenz zeigt, dass 60 Prozent der COPDPatienten zumindest an einer der Störungen Hypertonie, Herzinsuffizienz oder koronarer Herzkrankheit leiden (2). Zudem weisen 75 Prozent der COPD-Patienten mit Obstruktion der Atemwege atherosklerotische Plaques auf. «COPD-Patienten mit Atemwegsobstruktion, die gleichzeitig Raucher sind, haben ausserdem eine grössere IntimaMedia-Dicke, die als sicherer Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gilt (3).» In einer Analyse von 1 000 000 Patientendaten hatten Patienten mit COPD ein 10-fach erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt als erstes kardiovaskuläres Ereignis nach der Diagnose, zudem ein dreifach höheres Risiko für Schlaganfall, verglichen mit der Normalbevölkerung und kontrolliert für andere Risikofaktoren wie Alter, Body-Mass-Index oder Rauchen (4).
Patienten mit COPD und obstruktiver Schlafapnoe weisen ein erhöhtes Risiko für schwere Exazerbationen auf.
«Umgekehrt gilt auch, dass die COPD für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen ein unabhängiger Risikofaktor für allgemeine Mortalität, kardiovaskulären und kardialen Tod ist», berichtet Dr. Valipour von einer Untersuchung an knapp 10 000 Patienten mit koronarer Herzerkrankung mit oder ohne COPD (5). Die Patienten erhielten entweder einen Bypass oder eine koronare Angioplastie/Stent. Nach 43 Monaten des Follow-ups lag die Überlebensrate bei 92,1 Prozent in der Gruppe ohne COPD, bei 82,8 Prozent in der Gruppe mit COPD. «Beide Krankheiten beeinflussen sich also gegenseitig hinsichtlich Morbidität und Mortalität», fasst Valipour zusammen.
Cave COPD-Exazerbation: Früherkennung wichtig
Der zugrunde liegende Mechanismus für das bei COPD erhöhte kardiovaskuläre Risiko ist derzeit noch ungeklärt, wahrscheinlich spielen die systemische Entzündung sowie Plättchenaktivierung eine Rolle. Bei COPD ist die endotheliale Funktion beeinträchtigt und das CRP als Marker einer systemischen Entzündung erhöht. Vor Kurzem wurde zudem nachgewiesen, dass bei einer COPD-Exazerbation höhere VEGF-Werte vorliegen, also eine höhere proathe-
12 Pneumologie ERS 2012
CongressSelection
rogene sowie prothrombotische Aktivität besteht (6). «Akute Exazerbationen können daher kardiovaskuläre Erkrankungen fördern, bei einer höheren Anzahl von Exazerbationen liegt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Myokardinfarkts vor», warnt Valipour. Die gute Nachricht: «Die Früherkennung könnte umgekehrt das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses senken.»
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei OSAS ...
Beim schweren obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom zeichnet sich ein ähnliches Bild: Auch hier liegt ein erhöhtes Risiko für letale und nicht letale kardiovaskuläre Ereignisse vor. «Die potenziellen pathophysiologischen Mechanismen sind ähnlich wie bei COPD, zusätzlich spielt die chronische intermittierende Hypoxämie eine wichtige Rolle.» Mäuse mit einer solchen Hypoxämie entwickeln unabhängig von normaler oder cholesterinreicher Ernährung eine stärkere Lipidperoxidation, die zur Bildung atherosklerotischer Plaques beiträgt.
... und Overlap-Syndrom
Und beim Overlap-Syndrom? Valipour fasst die aktuelle Datenlage folgendermassen zusammen; Patienten mit Overlap-Syndrom haben: • ein höheres Risiko für pulmonal-arterielle Hypertonie • ein höheres BNP und ein höheres Risiko für arterielle
Steifigkeit, womit insgesamt ein höheres kardiovaskuläres Risiko gegeben ist. • Sie haben zudem eine zweifach höhere Prävalenz einer schweren COPD-Exazerbation als Patienten mit «nur» COPD. «COPD-Patienten haben ein aktiviertes sympathisches Nervensystem. Damit eng verbunden ist die Aktivierung des Renin-Angiotensin-II-Systems, was mit vermindertem renalen Blutfluss und hohem Hämatokrit assoziiert ist», geht Professor Dr. Stefan Andreas von der Lungenfachklinik Immenhausen auf die Rolle des vegetativen Nervensystems bei COPD ein. Bei OSAS kommt es im Schlaf aufgrund von Hypoxie, Hyperkapnie und verminderter Ventilation zu akuter Sympathoexzitation. «Und mittlerweile haben sechs Studien gezeigt, dass dieser erhöhte Sympathikotonus in der Nacht auch am Tag zu erhöhter muskel-sympathischer Nervenaktivität bei OSAS-Patienten führt. Diese lässt sich mit CPAP-Behandlung normalisieren (7, 8)», berichtet der Lungenfachmann.
Sympathoexzitation senken
Bei Herzinsuffizienz-Patienten vermindert körperliches Training die sympathische Aktivität; die Therapie mit Betablockern und ACE-Hemmern verbessert die Mortalität. «Gretchenfrage: Gilt dies auch bei COPD? Antwort: Ja.» In einer neueren Studie (2009) an 11 000 COPD-Patienten im Alter über 65 Jahre reduzierte die Therapie mit ACEHemmern die Mortalität beispielsweise um 45 Prozent (9);
und in einer Untersuchung in den Niederlanden (10) sank die Mortalität bei 2200 COPD-Patienten unter Betablockern um 30 Prozent. «Die Zusammenfassung lautet: Herzinsuffizienz-Patienten sind mit Betablockern sowie RAASInhibitoren zu behandeln, bei OSAS kommt CPAP zum Einsatz, bei COPD Sauerstoff sowie Betablocker. Alle Therapien reduzieren die Aktivität des vegetativen Nervensystems und tragen so zu einer verminderten kardiovaskulären Mortalität bei», so Andreas.
Behandlung des Overlap-Syndroms in der Praxis
Zur Behandlung des Overlap-Syndroms in der klinischen Praxis äusserte sich abschliessend Professor Dr. Maria Lombardi Machado von der Universität São Paulo in Brasilien. «Die wichtigsten Massnahmen bei COPD sind klar: Abhilfe der Atemwegsobstruktion, Hemmung der Entzündung und natürlich der Rauchstopp. Daneben gilt noch die ABC-Regel: Antibiotika bei Bedarf, Bronchodilatation und Kortikosteroide. Bei COPD mit Tages-Hypoxämie kommt noch die Sauerstoff-Langzeittherapie zum Einsatz.» Bei OSAS gilt die Adipositas als wichtigster Risikofaktor. In den USA sind etwa 4 Prozent der Männer betroffen sowie 2 Prozent der Frauen. Zu den klinischen Konsequenzen zählen die Tagesmüdigkeit, neurokognitive Dysfunktion, ein erhöhtes Risiko für Autounfälle sowie die verminderte Produktivität. Weiter haben die Betroffenen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Hypertonie, einer koronaren Herzkrankheit sowie das Auftreten eines Insults, zählt Prof. Lombardi Machado auf.
Gewichtsverlust, CPAP, Sauerstoff
Die Behandlung besteht aus Gewichtsverlust («aber cave, bei COPD ist der Gewichtsverlust meist mit erhöhter Mortalität assoziiert») und Sauerstoff-Langzeittherapie – diese vermindert bei Einsatz von mehr als 18h pro Tag die Mortalität. «Laut aktuellen Studien wird zudem durch die pharmakologische Behandlung der COPD – Bronchodilatatoren und Kortikosteroide – bei Overlap-Syndrom die nächtliche Sauerstoffentsättigung verbessert.» Die CPAP zählt bei Overlap-Syndrom zur akzeptierten Standardbehandlung; bei manchen Patienten kann eine zusätzliche Sauerstoff-Langzeittherapie erforderlich sein. Und: Die CPAP verbessert nicht nur die Lungenfunktion und den Gasaustausch, sondern schützt «wahrscheinlich» auch vor kardiovaskulären Erkrankungen, erklärt die Pulmologin. «Auch nach Anpassung mehrerer Störfaktoren ist die CPAP insgesamt mit einem signifikant höheren Überleben assoziiert.»
Lydia Unger-Hunt
Quelle: «COPD and OSA: the ultimate lethal combination for the cardiovascular system», European Respiratory Society (ERS) Annual Congress, 1. bis 5. September 2012, Wien.
Referenzen auf Anfrage beim Verlag
ERS 2012 Pneumologie 13