Transkript
CongressSelection
Akuten Exazerbationen effektiv vorbeugen
Rauchstopp und optimale Basistherapie sind wirksame Massnahmen
Leiden Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) unter häufigen akuten Exazerbationen, können präventive Massnahmen angezeigt sein. Die aktuell vorhandenen Möglichkeiten sind jedoch begrenzt. Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika erscheint zwar vielversprechend, ist aber nicht zugelassen. Umso wichtiger sind grundlegende Massnahmen wie ein Rauchstopp und eine optimal eingestellte COPD-Basistherapie.
«E igentlich ist die Lunge sehr gut dafür ausgerüstet, sich gegen Infektionen zur Wehr zu setzen», erklärte Professor Dr. Sanjay Sethi, Buffalo (USA), einleitend. Rauchen führt jedoch zu einer Entzündung und einer Beeinträchtigung der angeborenen Abwehrmechanismen der Lunge und damit zu einer erhöhten Anfälligkeit für akute und chronische Infektionen. «Kommt es bei einem Patienten mit COPD zu zwei oder mehr akuten Exazerbationen pro Jahr, dann sollten präventive Massnahmen ergriffen werden», so der Redner.
An der Basis ansetzen
Wie Sethi weiter erläuterte, gibt es erstaunlicherweise zum Rauchstopp als Massnahme zur Prävention von Exazerbationen nur wenige gute Untersuchungen, obwohl dies doch eine naheliegende Möglichkeit darstellt. Au et al. haben in einer Kohortenstudie mit über 23 000 Teilnehmenden festgestellt, dass ein Rauchstopp in der Tat das Risiko für Exazerbationen reduzierte (1). «Interessant ist hier, dass das Risiko für Exazerbationen erst dann wieder bei 1 lag, wenn die Patienten während mehr als fünf Jahren nicht mehr geraucht hatten», erklärte Prof. Sethi. Auch durch den Einsatz entzündungshemmender Medikamente lässt sich die Häufigkeit von Exazerbationen beeinflussen. In der TORCH-Studie, in der Salmeterol beziehungsweise Fluticason allein und als Kombination untersucht wurde, konnte durch die Kombination der beiden Wirkstoffe die Rate an Exazerbationen pro Jahr am stärksten reduziert werden (Reduktion um 25% vs. Plazebo, p < 0,001) (Abbildung 1) (2). Der entzündungshemmend wirkende Phosphodiesterase4-Hemmer Roflumilast vermochte die jährliche Rate an moderaten bis schweren Exazerbationen pro Patient um 17 Prozent zu reduzieren (p = 0,0003) (Abbildung 2) (3). Und in der Uplift-Studie wurde gezeigt, dass Tiotropium die Exazerbationsrate signifikant um 14 Prozent reduzierte (4). «Es besteht also kein Zweifel, dass ein gutes Standard-
TORCH: Rate der moderaten und schweren Exazerbationen über 3 Jahre
1,2 1,13
1,0 0,8
25% Reduktion
0,97*
0,93*
0,85*#+
Mittlere Anzahl Exazerbationen/Jahr
0,6
0,4
0,2
0,0
Plazebo
Salmeterol Fluticason Salmeterol
plus Fluticason
* p < 0,001 vs. Plazebo; #p = 0,002 vs. Salmeterol; + p = 0,024 vs. Fluticason
Abbildung 1: Sowohl Salmeterol als auch Fluticason reduzierten die Exazerbationsrate über 3 Jahre. Die Kombination der beiden Substanzen erreicht jedoch die stärkste Reduktion (2).
Reduktion der COPD-Exazerbationen mit Roflumilast (oraler PDE4-Hemmer)
1,5
1,37 1,0 1,14
Mittlere Exazerbationsrate pro Patient und Jahr
0,5
0,0
Plazebo
Rofluminast
Gepoolte Analyse pivotaler Phase-III-Studien
Abbildung 2: Reduktion der akuten Exazerbationen durch den oralen PDE-4-Inhibitor Roflumilast (3).
6 Pneumologie ERS 2012
CongressSelection
kummulierte Rate akuter Exazerbationen pro Patient
Reduktion der akuten Exazerbationen bei COPD mit OM-85 BV
standardisierter, immunoaktiver lyophylisierter Extrakt von 8 bakteriellen Erregern von Atemwegsinfektionen
1,0 0,9
0,8 0,7
Plazebo 0,6 0,5
0,4 0,3
OM-85 BV 0,2 0,1
0,0 1 23 4 5 6 Monate
Abbildung 3: Reduktion der akuten Exazerbationen bei Patienten mit milder COPD durch OM-85 BV (5).
management der COPD Exazerbationen zu verhindern vermag», fasst Sethi diesen Teil seines Referates zusammen.
Infektionsspezifische Prävention Eine Möglichkeit zur spezifischen Prävention von bakteriell bedingten Exazerbationen stellt der Einsatz eines standardisierten, immunaktiven Lyophilisats aus 8 wichtigen Erregern von Atemwegsinfektionen dar (OM-85 BV). In einer doppelblinden Studie, an der auch Patienten mit milder COPD teilnahmen, konnte gezeigt werden, dass OM-85 BV im Vergleich zu Plazebo nach einer 5-monatigen Behandlungsdauer zu einer signifikanten Reduktion der Exazerbationen um 29 Prozent geführt hatte (p = 0,03) (Abbildung 3) (5). «Es gibt jedoch auch anderen Studien, in denen mit OM-85 BV die Rate der Exazerbationen nicht reduziert wurde, jedoch handelte es sich dabei meist um schwerer erkrankte Patienten», fügte Prof. Sethi hier an.
Antibiotika als Prophylaxe? Als weitere präventive Option erwähnte der Redner den Einsatz von Antibiotika, wies jedoch auch darauf hin, dass dies keine zugelassene Indikation darstellt. «Makrolide wirken nicht nur antibakteriell, sondern verfügen auch über immunmodulatorische und entzündungshemmende Effekte», erläuterte Prof. Sethi. Albert et al. hatten in ihrer kürzlich publizierten Studie die Wirksamkeit von Azi-
thromycin (250 mg/Tag, für ein Jahr) zur Prävention akuter Exazerbationen gezeigt (Reduktion der Frequenz um 27%, p = 0,001). (6) Unglücklicherweise stieg jedoch auch die Rate makrolidresistenter Keime. In einer eigenen Untersuchung vermochte Prof. Sethi zu zeigen, dass der intermittierende Einsatz von Moxifloxacin (400 mg/Tag an fünf Tagen alle acht Wochen, für sechs Zyklen) die Rate an akuten Exazerbationen zu reduzieren vermochte – wobei insbesondere Patienten mit mukopurulentem/purulentem Sputum profitierten –, jedoch keine bakteriellen Resistenzen induziert wurden. (7) «Es sind jedoch weitere Studien nötig, um die für dieses Vorgehen am besten geeignete Patientenpopulation die richtige Dosierung und Behandlungsdauer zu evaluieren», gab er zu bedenken. «Und bevor allenfalls eine Antibiotika-Prophylaxe überhaupt in Betracht gezogen würde, erscheint es mir einerseits wichtig, die Diagnose zu überprüfen, andererseits gilt es, die COPD-Standardtherapie zu optimieren und die Compliance sicherzustellen, also auch die korrekte Anwendung des Inhalators.» Und nicht zuletzt sei es auch entscheidend, so schloss er, bei einer bakteriellen Exazerbation das indizierte Antibiotikum einzusetzen, noch bevor man an eine Antibiotika-Prophylaxe denkt.
Therese Schwender
Quelle:
Symposium: Prevention and treatment of infective exacerbations of COPD; Jahrestagung der European Respiratory Society, Wien, 2. September 2012.
Referenzen: 1. Au DH et al. The effects of smoking cessation on the risk of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations. J Gen Intern Med 2009; 24: 457–463.
2. Calverley PM et al. Salmeterol and fluticasone propionate and survival in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2007; 356: 775–789.
3. Calverley PM et al. Roflumilast in symptomatic chronic obstructive pulmonary disease: two randomised clinical trials. Lancet 2009; 374: 685–694.
4. Tashkin DP et al. A 4-year trial of tiotropium in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2008; 359: 1543–1554.
5. Solèr M et al. Double-blind study of OM-85 in patients with chronic bronchitis or mild chronic obstructive pulmonary disease. Respiration 2007; 74: 26–32.
6. Albert RK et al. Azithromycin for prevention of exacerbations of COPD. N Engl J Med 2011; 365: 689–698.
7. Sethi S et al. Pulsed moxifloxacin for the prevention of exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease: a randomized controlled trial. Respir Res 2010; 11: 10.
ERS 2012 Pneumologie
7