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RA und CED: Mehr Gemeinsamkeiten,
als dem Rheumatologen lieb sind?
Interview mit Prof. Dr. Frank Seibold, Chefarzt, Gastroenterologie, Spitalnetz Bern
B ei nicht wenigen Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) betrifft der Entzündungsprozess auch verschiedene Gelenke oder die Wirbelsäule. Wie häufig findet man das? Je nach Studie bei 9 bis 53 Prozent der Patienten. Das Spektrum reicht von leichten Gelenkschmerzen bis hin zu ausgeprägten Arthritiden. Bei vielen dieser Gelenkerkrankungen handelt es sich um extraintestinale Manifestationen der CED, und man muss von einer gemeinsamen Pathogenese
ausgehen. Wenn diese Patienten einen Schub ihrer Darmerkrankung durchmachen, geht dieser häufig mit einem Aufflammen der Gelenkbeschwerden einher.
Welche diagnostischen und therapeuti-
schen Konsequenzen hat das für den
Rheumatologen?
Rheumatologen sollten an diese poten-
zielle Assoziation denken, und sie sollten
Frank Seibold
gezielt eruieren, ob eine Darmbeteiligung
besteht. Dafür bietet sich der Calpro-
tectinstuhltest an, der einfach durchzuführen und kosten-
günstig ist. Mithilfe des Tests lassen sich Läsionen im
Darm aufspüren, welche dann endoskopisch weiter abge-
klärt werden können. Der therapeutische Aspekt ist etwas
diffiziler: in der Rheumatologie gibt es einige wirksame
Medikamente, die bei CED in klinischen Studien als un-
wirksam getestet wurden. Idealerweise würde der Rheu-
matologe ein Präparat einsetzen, das sich nicht nur bei
rheumatologischen Erkrankungen, sondern auch bei Mor-
bus Crohn und Colitis ulcerosa bewährt hat.
genauer nachzufragen, ob gastroenterologische Vorerkrankungen bestehen. Insbesondere bei CED – wenn diese bekannt sind – ist ein Einsatz von NSAR unerwünscht, da diese sogar einen Schub auslösen können.
Klassische NSAR weisen ein unbefriedigendes GI-Verträglichkeitsprofil auf, wie hat sich das mit der Verfügbarkeit selektiver COX-2-Hemmer verändert? Die COX-2-Hemmer werden in der Regel besser vertragen, und es kommt seltener zu Komplikationen. Doch sind diese zeitweise etwas in Verruf geraten, weil bestimmte Vertreter der Wirkstoffklasse eine erhöhte kardiale Nebenwirkungsrate aufwiesen. Ausserdem ist die Therapie kostspieliger. Als Alternative käme die Kombination von NSAR + PPI infrage, wenn Magenprobleme bestehen, bei CED hingegen reicht das nicht aus. Da sind COX-2-Hemmer die erste Wahl.
An welche Risikofaktoren oder -kandidaten für GI-Komplikationen sollte man bei Langzeittherapie mit NSAR denken? Patienten mit einem Ulkus oder einer gastrointestinalen Blutung in der Anamnese gehören zu den Risikokandidaten, und natürlich jene mit CED. Diese Patienten müssen sorgfältig aufgeklärt werden, damit sie bei verdächtigen Symptomen das Medikament absetzen und sofort den Arzt kontaktieren.
Bei welchen Komorbiditäten und Komedikationen muss gehäuft mit Komplikationen unter NSAR gerechnet werden? Wenn bei einem Patienten unter NSAR zusätzlich eine Prophylaxe mit Aspirin indiziert ist, muss zusätzlich ein PPI gegeben werden.
Wann sollten gastroenterologische Kollegen hinzugezogen werden? Spätestens wenn das Resultat des Calprotectintests positiv war und dieser deutlich erhöhte Werte zeigt. Aber auch bei unklarer gastrointestinaler Symptomatik kann die gastroenterologische Abklärung sinnvoll sein.
Wie lassen sich lebensbedrohliche GI-Blutungen unter NSAR am ehesten verhindern? Patienten sollten wissen, dass bereits leichte dyspeptische Beschwerden, ein «flaues Gefühl» im Magen oder eine leichte Dunkelfärbung des Stuhls auf diese Komplikation hinweisen können.
Besonders praxisrelevant sind gastrointestinale Komplikationen als Folge der Behandlung mit NSAR. Ein viel diskutiertes, aber immer noch vernachlässigtes Thema? Bei den NSAR handelt es sich um sehr wirksame Medikamente, die recht rasch zu einer Beschwerdebesserung führen. Daher werden sie sehr gern und sehr häufig verordnet. Das Problem ist, dass viele Ärzte nicht daran denken,
Ein guter Magenschutz – was empfehlen Sie, womit haben Sie gute Erfahrungen gemacht? PPI sind wirksam und werden gut vertragen – und bei gelegentlichen Verträglichkeitsproblemen empfiehlt sich ein Wechsel auf einen anderen PPI.
Das Gespräch führte Renate Weber.
12 Rheumatologie SGR 2012